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# taz.de -- Die Wahrheit: 500 Jahre Pinkeln durch die Haut
> Irgendwo da draußen, weit weg von den Menschen, in den Untiefen des
> Meeres lebt ein uraltes, graues und langsames Wesen: der Grönlandhai.
Der Grönlandhai ist das älteste Wirbeltier der Welt: 2018 entdeckte man
tief unten im Nordatlantik ein über 500-jähriges, weibliches Exemplar. Das
bedeutet, als jene Haigreisin noch ein junges hübsches Haichen war, wurden
in Europa Hexen verbrannt; es erschien die erste Weltkarte, auf der die
westlichen Landmassen den bis heute ungehörigen Namen „America“ trugen. Und
auf Grönland starben aus ungeklärten Gründen die so genannten
„Grænlendingar“ aus, ein mysteriöses Völkchen von Siedlern der
ungastlichen Insel. Der Grönlandhai dagegen überlebte.
Ganz ehrlich: So sieht er aber auch aus. Der Grönlandhai ist ein bis zu
acht Meter langer, gräulicher, marmorierter, mit jede Menge Krebskrepelzeug
bewachsener, apathischer Stein, von dem man kaum merkt, dass er sich
bewegt. Ob seine nach 8 bis 18 Jahren Tragezeit geborenen Babys sich durch
klassische Niedlichkeit als Plüschtiervorlage eignen, ist ebenfalls schwer
zu sagen, es hat sie bislang kaum jemand zu Gesicht gekriegt. Auch für das
Studium des Pubertätsverhaltens der Haie braucht man viel Geduld – sie
kommen erst mit circa 150 Jahren in die hormonell schwierige Pickelphase,
in der sich andere Lebewesen als „weder Fisch noch Fleisch“ fühlen.
Apropos: Das fermentierte Fleisch des vom Aussterben bedrohten Fischs, der
oft als Beifang im Netz landet, weil er nicht schnell genug wegschwimmt,
gilt trotz unfassbaren Gestanks in Grönland als Delikatesse und Mutprobe.
Denn weil der Hai keine Harnwege hat, um sein Urin aus dem Körper
auszuscheiden, pinkelt er etwas unappetitlich durch die Haut. Was für den
zwischenhaiischen Umgang vermutlich nicht unproblematisch ist, denn Haie
besitzen Nasen: Es ist bekannt, dass zum Beispiel der weiße Hai Surferblut
sofort riecht und stante pede am Buffet auftaucht.
Dennoch taugt der Grönlandhai als Wappentier für viele unterschiedliche
Bereiche: Erst kürzlich wurde ein Grönlandhai am Institut für
Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg untersucht. Die
Wissenschaftler stellten fest, dass im Gehirn des fast 300 Jahre alten
Tieres keine einzige jener altersbedingten Veränderungen zu entdecken
waren, die beim Menschen bekanntlich schon viel früher einsetzen. Der
Methusalem-Fisch war noch taufrisch und geistig fit wie eh und je. Man
schloss daraus, dass das chronologische Alter allein nicht für
neurodegenerative Veränderungen verantwortlich gemacht werden kann, oder
anders gesagt: Wer träge lebt, wird problemlos uralt.
Wieso es noch nicht mehr Aphorismen und weise Sprüche rund um den
Grönlandhai und das Geheimnis seines langen, schwunglosen Lebens gibt, ist
somit unverständlich. „Mach es wie der Grönlandhai / schwimm so lahm es
geht vorbei“ etwa. Oder: „Sich Nicht-Regen bringt Segen.“ Oder: „Haie,
wollt ihr ewig leben.“ Oder: „500 ist das neue 30.“ Oder: „Haie, die
schlafen, beißen nicht.“ Oder: „753 – Hai schlüpft aus dem Ei.“ Da ge…
doch noch was.
5 Jan 2024
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Tiere
Grönland
Haie
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