# taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Die Würde des Geräuschs | |
> In dieser Woche wird ein großes Echtzeitmusikjubiläum begangen, | |
> ukrainische Musik vorgestellt und vorzüglicher „normaler“ Avantgardejazz | |
> geboten. | |
Bild: Dmytro Nikolaienko hat sich auf elektroakustische Obskuritäten aus Sowje… | |
Und plötzlich durfte man keine Melodien mehr spielen oder mitwipphalber | |
rumgrooven. Als die Echtzeitmusik in Berlin sich in den neunziger Jahren | |
anschickte, improvisierte Musik dahingehend zu verstehen, dass man | |
Instrumente vor allem auf ihre Eignung zu neuer Klang- beziehungsweise | |
Geräuscherzeugung hin nutzt, hatte das Ensemble Polwechsel eine führende | |
Rolle auf diesem Forschungsgebiet. | |
Ihren Ansatz feiern sie zum 30-jährigen Jubiläum unter anderem auf dem | |
Tonträgermarkt mit einer großen Schallplattenbox und [1][auf der Bühne des | |
Exploratoriums mit einem zweitägigen Festival], das am Freitag beginnt. Die | |
Polwechsler, das heißt die Perkussionisten Burkhard Beins und Martin | |
Brandlmayr, der Bassist Werner Dafeldecker und der Cellist Michael Moser, | |
bitten für den Anlass befreundete Kollegen wie die Pianistin Magda Mayas, | |
die Innenklavierpionierin Andrea Neumann und den Saxofonisten John Butcher | |
hinzu. Und sie bringen neue improvisiert-komponierte Werke mit (8. & 9. | |
12., 20 Uhr, Zossener Str. 24, 15/12/6 Euro). | |
Wer musikalische Abenteuer lieber mit zumindest theoretisch nachsingbaren | |
Melodien verbindet, [2][hat am Sonnabend im House of Music Gelegenheit], | |
zwei Saxofonisten bei avancierter tonbasierter Improvisation zu erleben. | |
Philipp Gropper spielt mit Home Stretch auf, unterstützt von Antonis | |
Annissegos am Wurlitzer E-Piano, dem Bassisten Dan Peter Sundland und dem | |
grandios unberechenbaren Schlagzeuger Steve Heather. | |
Und Angelika Niscier hat aus den USA die herausragende Cellistin Tomeka | |
Reid und die Schlagzeugerin Savannah Harris an ihrer Seite, in diesem Jahr | |
erschien ihr Debütalbum als Trio. Not to be missed (House of Music, Revaler | |
Str. 99, 9. 12., 20 Uhr, VVK 10-15 Euro / AK 20 Euro). | |
Eine andere Baustelle bietet sich ebenfalls am Sonnabend in der Betonhalle | |
des Silent Green. Das Label Faitiche, betrieben vom erfindungsreichen und | |
für konzeptuelle Arbeiten aufgeschlossenen Produzenten Jan Jelinek, | |
[3][stellt in seiner „Temple of Faitiche“-Reihe diesmal das ukrainische | |
Label Muscut vor]. | |
Dmytro Nikolaienko, der auf beiden Labels veröffentlicht, hat sich auf | |
elektroakustische Obskuritäten aus Sowjettagen spezialisiert und bietet | |
diese, wie seine „Pseudoaudioarchäologie“, zum ersten Mal live dar. | |
Ebenfalls aus der Ukraine tritt Hanna Bryzhata alias Bryozone auf, mit | |
Ambientklängen, die weniger besinnlich als rau klingen. | |
Sie treffen an diesem Abend auf die Faitiche-Musiker Giuseppe Ielasi und | |
Andrew Pekler, die sich mit ihrem elektroakustischen Projekt rund um | |
„gefundene“ Geräusche zusammen auf der Bühne die Ehre geben (9. 12., 20 | |
Uhr, [4][Ticktes für 18,12 Euro gibt es hier]). | |
Mehr wagemutige Klangkundler kann man am Dienstag im Morphine Raum erleben. | |
Der unerschrocken neugierige Schlagzeuger Andrea Belfi spielt im Duo mit | |
Jules Reidy an der zwölfsaitigen Gitarre. Angekündigt ist Folkartiges und | |
Avant-Rockiges, zu erwarten sind allemal ungewohnte Obertöne. | |
Um beim Thema zu bleiben, bietet der Komponist Weston Olencki zusätzlich | |
sein Werk „a vine that grew over the city and no one noticed“ für | |
elektromechanisches Banjo und Elektronik dar. Irgendwie verarbeitet er | |
darin auch Country-Musik (Köpenicker Straße 147, 12. 12., 20 Uhr). | |
8 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://exploratorium-berlin.de/en/veranstaltung/embrace-30-jahre-polwechse… | |
[2] https://jazzexzess.de/ | |
[3] https://www.silent-green.net/programm/detail/2023/12/9/temple-of-faitiche-m… | |
[4] https://www.eventbrite.de/e/temple-of-faitiche-muscut-tickets-735568985637 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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