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# taz.de -- DFB-Frauen-Team gegen Dänemark: Unschlagbares Urvertrauen
> Die deutsche Elf bezwingt im Kampf um ein Olympiaticket Dänemark mit
> überraschender Leichtigkeit. Ihr Trainer überhäuft sie mit Komplimenten.
Bild: Befreiungstreffer: Klara Bühl (l) und Alexandra Popp jubeln nach dem 1:0…
ROSTOCK taz | Als es zur letzten Fragerunde ging, ergriff [1][Horst
Hrubesch] nach diesem großen Triumph gegen Dänemark das Wort. Er wolle noch
etwas von seiner Seite einschieben. Die Stimme des Mannes mit der kantigen
Physiognomie, der einst Kopfballungeheuer genannt wurde, nahm einen weichen
Klang an. „Die Mannschaft steht wirklich zueinander. Das fasziniert mich.
Sie nehmen den alten Mann mit und das funktioniert eigentlich ganz gut. Ich
sehe das nicht als normal an.“
Der 72-Jährige, der Anfang November interimsmäßig die Arbeit [2][der
erkrankten Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg] übernahm, hat eine
reichlich komplizierte Aufgabe zu bewältigen. Er soll das nach der
verpatzten WM völlig derangierte Team auf Olympiakurs bringen. Und dazu war
am Freitag in Rostock ein Sieg mit zwei Toren Unterschied Pflicht.
Von Pflicht war an diesem bitterkalten Abend aber wenig zu spüren. Die
deutschen Fußballerinnen begeisterten neben Hrubesch auch die 19.180
Zuschauerinnen und Zuschauer im Ostseestadion. Von Beginn an führten sie
Regie über das Spiel und degradierten die Däninnen zu Statistinnen. Einen
solch guten Auftritt unter massivem Druck hat man von der DFB-Elf seit der
Europameisterschaft 2022 nicht mehr gesehen.
Die Kritik des Trainers erschöpfte sich nur darin, dass das Endergebnis
eigentlich viel zu niedrig ausgefallen sei und der erlösende letzte Treffer
zum 3:0 erst in der Nachspielzeit durch Klara Bühl erzielt wurde.
Was hat Horst Hrubesch mit diesem Team nur in wenigen Wochen gemacht? Der
Gefragte antwortete wie immer in schlichten Worten: „Sie vertrauen mir und
ich vertraue ihnen.“ Die Chemie zwischen beiden Seiten stimme. Die
Dankbarkeit dafür ist auf beiden Seiten auch spürbar groß. Jede Spielerin
in der Mixed Zone hatte ein Loblied für Hrubesch auf den Lippen. Bühl hob
hervor, der Trainer strahle einfach „ ein Urvertrauen“ aus, das gut tue.
Sidney Lohmann sprach von einem Gefühl der Unschlagbarkeit, das Hrubesch
vermitteln könne. Und Giulia Gwinn von einer Spielfreude, die der Trainer
ihnen geschenkt habe, indem er sich auf „die Basics“ besinne und das Team
nicht mit zu viel taktischem „Input“ belaste.
## Der Trainer als größter Fan des Teams
Hrubesch selbst betonte vor dem letzten Nations-League-Gruppenspiel am
Dienstag in Wales, wo man sich gegen den Außenseiter endgültig für das
Finalturnier um die Olympiatickets qualifizieren möchte, die Bedeutung von
Zusammenarbeit: „Wir werden uns jetzt zwei, drei Stunden freuen, dann
werden wir uns nachher zusammensetzen und ich werde sie fragen, was machen
wir. Und das ist das, was ich eigentlich versuche, dass wir einen
gemeinsamen Weg suchen.“ Er lasse die Spielerinnen im Training viel
ausprobieren und ermuntere sie Fehler zu machen, weil man auf diese Weise
herausbekommen, was gehen könnte.
Das unterscheidet sich doch erheblich von den Erzählungen, die aktuell in
der Doku „Born for this“ über die Zustände während der WM im Sommer
präsentiert werden. Dort wurden die Spielerinnen im Quartier [3][mit
Hinweisschildern „Dein Bett hat eine Funktion. Schlaf!“ oder „Trinke den
ganzen Tag und kontrolliere deinen Urin!“ drangsaliert]. Für diejenigen,
die sich am Freitag keinesfalls von den DFB-Fußballerinnen positiv
überraschen lassen wollten, schaltete das ZDF die Doku-Folgen über das
WM-Scheitern eine halbe Stunde vor Anpfiff frei.
Wird dort in der Nachschau unter anderem das abgelegene Teamhotel als wenig
erfolgsfördernd beklagt, wurden die widrigen Witterungsverhältnisse in
Rostock in den Tagen vor dem Spiel gegen Dänemark sogar zum kleinen
Erfolgsgeheimnis erkoren. „Wir konnten nicht wirklich Fußball spielen im
Training. Deshalb war es auch die Lust, wieder auf einem normalen Platz zu
spielen, das kommt vielleicht dazu“, gab Marina Hegering zu bedenken. Auch
derlei Interpretationen stehen für einen erfolgsbegünstigenden
Stimmungswandel.
Horst Hrubeschs Schwärmereien ließen einen fast vergessen, dass vor Kurzem
noch die Überzeugung vorherrschte, der deutsche Frauenfußball habe den
Anschluss an die Weltspitze verpasst und müsse sich neu aufstellen.
Wobei unter dem Interimstrainer auch so manche neue Kraft auf sich
aufmerksam macht. Im defensiven Mittelfeld vollrichtete Sjoeke Nüsken einen
fast lückenlosen Abschirmdienst, so dass sich Verteidigerin Hegering über
mangelnde Defensivarbeit beklagen musste. Mit ihrem Kopfballtreffer nach
einer Ecke konnte Hegering dafür einen wertvollen offensiven Akzent
setzten. Sarai Linder überzeugte in ihrem erst siebten Länderspiel auf der
Außenverteidigerposition und bediente Alexandra Popp bei ihrem frühen
Kopfballtreffer in der 14. Minute mit einer schönen Flanke.
Besonders begeistert war Hrubesch von Elisa Senß, die im Alter von 26
Jahren mit der Einwechselung in der zweiten Halbzeit ihr erstes Länderspiel
in größter Unbekümmertheit bestritt. Er lobte ihre Emsigkeit,
Spielübersicht und gute Technik. „Sensationell“ bezeichnete er ihre
Leistung und machte grundsätzlich auf die große Zahl guter Spielerinnen
aufmerksam, die ihm noch zur Verfügung stehen.
Horst Hrubesch ist ohenhin der größte Fan dieser Elf. Und als solcher soll
ihm das Schlusswort vorbehalten sein: „Sonst muss ich halt einfach sagen,
es hat mir verdammt gut gefallen.“
2 Dec 2023
## LINKS
[1] /Horst-Hrubesch-uebernimmt-DFB-Frauen/!5962212
[2] /Martina-Voss-Tecklenburg/!5971357
[3] /Gaengelung-der-DFB-Fussballerinnen/!5972648
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
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