| # taz.de -- Recht auf Untermiete gestärkt: Trostpflaster Untermiete | |
| > Nach einem BGH-Urteil könnten Untermietverhältnisse zunehmen. Der | |
| > Mieterverein hofft auf ein wenig Linderung der Wohnungsnot. | |
| Bild: Das Recht auf Untermiete zu stärken, dürfte besonders in diesem Berline… | |
| Berlin taz | Ein deutliches Symptom für den kaputten Berliner Wohnungsmarkt | |
| ist die geringe Mobilität unter Mieter*innen. Hier zeigt sich, dass der | |
| freie Markt eben kein ideales Verteilungssystem ist: Viele | |
| Berliner*innen können es sich schlicht nicht mehr leisten umzuziehen. | |
| Während es bei einem heilen Wohnungsmarkt durch Umzüge eine gesunde | |
| Leerstandsquote von 3 bis 5 Prozent gibt, liegt diese in Berlin seit Jahren | |
| auf Rekordniedrigstand – zuletzt bei [1][0,8 Prozent für 2021]. | |
| Das verdeutlicht: Selbst wenn Menschen sich wohnlich verkleinern wollen – | |
| etwa weil die Kinder ausziehen –, bleiben sie, wo sie sind, weil kleinere, | |
| neu vermietete Wohnungen aufgrund fehlender Preisgrenzen kaum bezahlbar | |
| sind. So wird relativ viel Wohnraum blockiert, in den ansonsten eine | |
| Studenten-WG oder eine große Familie einziehen könnte. Zugezogene sind in | |
| der Folge gezwungen, sich von Zwischenmiete zu Untermiete zu hangeln, und | |
| auf reguläre Wohnungsbesichtigungen kommen nicht selten trotz horrender | |
| Preise mehrere hundert Interessenten. | |
| Aus Sicht des Berliner Mietervereins könnte ein [2][Urteil des | |
| Bundesgerichtshofs (BGH)] zur Untervermietung hier etwas Linderung bringen: | |
| Denn [3][in einem Grundsatzurteil] wurden die Rechte von Mieter*innen | |
| gestärkt: Der Senat in Karlsruhe entschied, dass Mieter*innen | |
| grundsätzlich Teile der Wohnung untervermieten dürfen, um Mietkosten zu | |
| verringern. Dabei sei nicht relevant, ob der Mieter die Wohnung als Haupt- | |
| oder Nebenwohnsitz nutze. Es sei ein berechtigtes Interesse, durch | |
| Untervermietung Mietkosten zu sparen, so die Richter. Das Recht auf | |
| Untervermietung gebe es nicht nur, wenn die Wohnung Lebensmittelpunkt des | |
| Hauptmieters ist. | |
| Ein Berliner Pendler war gegen ein Urteil des Landgerichts vor den | |
| Bundesgerichtshof gezogen. Der Mann wollte seine Dreizimmerwohnung in der | |
| Stadt nach einem Umzug mit seiner Familie in eine Doppelhaushälfte am | |
| Stadtrand aus beruflichen Gründen weiternutzen und teilweise | |
| untervermieten. Um Kosten zu sparen, wollte er zwei Zimmer untervermieten. | |
| Der Vermieter erlaubte dies erst befristet, lehnte dann aber die | |
| Untervermietung ab. Das Amtsgericht Mitte hatte dem Mieter recht gegeben, | |
| die Berufung beim Landgericht hat der Vermieter gewonnen. Das Landgericht | |
| muss nach dem BGH-Urteil nun neu verhandeln. | |
| ## „Mittel gegen Wohnungsnot“ | |
| Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein hält den Fall für „durchaus | |
| praxisrelevant“, weil es viele Mieter*innen gebe, die eine Zweitwohnung | |
| haben, weil sie beruflich pendeln. „Solche Zweitwohnungen werden also nur | |
| gelegentlich genutzt und dürfen nun nach einer klaren Entscheidung des BGH | |
| teilweise untervermietet werden.“ Entsprechend könnte „Untervermietung ein | |
| geeignetes Mittel gegen Wohnungsnot sein, um der katastrophalen Mangellage | |
| entgegenzuwirken“. Durch Untervermietung sei Wohnraum besser ausgelastet | |
| als durch nur sporadische Nutzung durch den Hauptmieter, so Bartels. | |
| Tatsächlich nehmen Untermietverhältnisse in Berlin laut Mieterverein zu: | |
| Haben sich 2009 noch 1.350 Mitglieder zu Untermietproblemen beraten lassen, | |
| seien es 2014 bereits fast doppelt so viele gewesen. 2022 habe der | |
| Mieterverein 3.000 Menschen zu Untermieten beraten. Sehr oft verweigerten | |
| Hausverwaltungen unberechtigt die Zustimmung zur Untervermietung – was nach | |
| dem Urteil deutlich schwerer sein dürfte. | |
| Zugleich gebe es bei Untervermietungen eine Reihe weiterer Probleme: Laut | |
| Bartels gibt es hier viele prekäre Wohnsituationen wie winzige, unzumutbare | |
| Räume oder eine völlig überhöhte Miete. Hinzu komme mangelnder | |
| Kündigungsschutz. Unterm Strich konstatiert Bartels: „Die Untermiete wird | |
| immer wichtiger, ersetzt aber nicht die dringend notwendige Versorgung der | |
| Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum.“ | |
| Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Linken im | |
| Abgeordnetenhaus, geht davon aus, dass die Zahl offizieller | |
| Untervermietungen nach dem Urteil zunehmen dürfte. Auch er begrüßt die | |
| Entscheidung, weil sie Rechtssicherheit schaffe und sich die | |
| Rechtssprechung an die Realität des Wohnungsmarkts anpasse. Zudem könnte | |
| durch das Urteil mehr heute unsichtbarer Wohnraum geschaffen werden, weil | |
| es für Mieter*innen großer Wohnungen mit freien Zimmern attraktiver | |
| werden könnte, einzelne Räume unterzuvermieten. | |
| ## Linke fordert bessere Aufklärung | |
| Die gestiegenen Mieten würden „Mieter dazu zwingen, immer mehr | |
| unterzuvermieten, weil sie sich ihre Wohnungen sonst nicht mehr leisten | |
| können“, so Schenker zur taz. Zudem kündigten immer weniger Menschen ihre | |
| Verträge, wenn sie die Stadt für eine längere Zeit verlassen, weil sie bei | |
| einer Rückkehr kaum Chancen auf eine neue bezahlbare Wohnung hätten. Weil | |
| viele Mieter*innen derzeit ohne Zustimmung des Eigentümers | |
| untervermieteten und damit eine Kündigung riskierten, stärke das Urteil die | |
| Mieterrechte. | |
| Im Zusammenhang mit Missbrauch von Untermietverhältnissen verweist Schenker | |
| darauf, dass auch Untermieter*innen bei der zulässigen Miethöhe die | |
| gleichen Rechte wie die Hauptmieter haben und über einen Kündigungsschutz | |
| verfügten. Es brauche in diesem Zusammenhang vor allem bessere Aufklärung, | |
| ansonsten drohe ein weiter wachsender Schattenmietmarkt. So müsse | |
| verhindert werden, dass die Option auf Untermiete Vermietern eine | |
| zusätzliche Begründung biete, um überhöhte Mieten zu verlangen. „Eine | |
| wirksame Regulierung der Mieten durch einen Mietendeckel bleibt ganz oben | |
| auf unserer Agenda.“ | |
| Nur die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Christian Gaebler (SPD) | |
| hält den Fall für nicht weiter relevant – Untervermietung aus beruflichen | |
| Gründen sei kein typischer Fall, heißt es aus der Behörde auf taz-Anfrage. | |
| Auf einer Faktenbasis beruht diese Einschätzung jedoch nicht: Die Zahl der | |
| Untermietverhältnisse ist dort laut taz-Anfrage nicht bekannt. | |
| 5 Dec 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258439/umfrage/leerstandsquo… | |
| [2] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/bgh-mieter-untervermietung-10… | |
| [3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/bgh-mieter-hat-anspruch-auf-untervermietu… | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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