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# taz.de -- Fotoausstellung im Flughafen Tempelhof: Bilder des alltäglichen Le…
> Eine Fotoschau zeigt die Lebensumstände in einem Geflüchtetencamp nahe
> Thessaloniki. Dessen Bewohnerinnen haben die ausgestellten Bilder
> aufgenommen.
Bild: Alltag hinterm Zaun
In der aktuellen Asylpolitik und in der öffentlichen Debatte wird immer
wieder von einer Eingrenzung der Zuwanderungen nach Deutschland gesprochen.
Entsprechende Maßnahmen, welche die Rückführungen erleichtern und die
Einwanderung erschweren sollen, stehen hoch im Kurs oder sind beschlossen.
Während einige Konservative von Obergrenzen sprechen, positionierte sich
auch die Bundesregierung mit einer klaren Linie für Abschiebungen und
strengere Einwanderungskontrollen. „Es sind zu viele“, erklärte
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) letzten Monat [1][beim Migrationsgipfel von
Bund und Ländern]. „Die Zahlen derjenigen, die heute als Flüchtlinge
kommen, sind zu hoch,“ so Scholz in der ARD im November.
Solche Aussagen und der öffentliche Diskurs versäumen es, über die Menschen
zu sprechen die diese „Zahlen“ ausmachen, nämlich die Geflüchteten selbst.
Diese haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten ihre Perspektive und ihre
Geschichten zu erzählen. Besonders Frauen sind in diesem Kontext mittellos.
Häufig stammen sie aus Herkunftsländern mit veralteten Frauenbildern. Diese
und weitere Gründe sind für Frauen die Ursachen zur Migration nach Europa.
Mit der Hoffnung auf Freiheit, Frieden und Gleichheit machen sie sich auf
den Weg nach Europa, stehen an den EU-Außengrenzen jedoch der harten
Realität der europäischen Asylpolitik gegenüber. Oft warten Menschen in
Flüchtlingscamps jahrelang auf Dokumente, um weiter in die EU einzureisen.
So auch im Camp Diavata nahe Thessaloniki. In diesem „Jail“, Gefängnis
also, wie es die Bewohner*innen nennen, sind die Zustände besonders
schlimm. Meterhohe Mauern halten die Geflüchteten in Grenzen und verhindern
so jede Art der Integration.
## Wie Gefängnisinsassen
Was innerhalb dieser Mauern vor sich geht und unter welchen Umständen vor
allem Frauen dort leiden, wissen nur eben jene die davon betroffen oder
dafür verantwortlich sind, Journalist*innen bekommen keinen oder nur
begrenzten Zugang. Am härtesten trifft es dabei Frauen und Mädchen. „Die
Menschen hier werden von den Autoritäten, der Polizei und der Security
nicht ernst genommen, vor allem wir Frauen wurden behandelt wie
Gefängnisinsassen. Selbst die Psycholog*innen und Ärzt*innen behandeln
uns nicht ausreichend, weil sie unsere Sorgen nicht ernst nehmen,“ so die
ehemalige Diavata-Bewohnerin Masoumeh Tajik im Gespräch mit der taz.
Vier Jahre verbrachte die 30-Jährige in Diavata bevor sie letztes Jahr nach
Deutschland weiterreisen konnte. Gemeinsam mit anderen Frauen und Mädchen
aus diesem Camp und dem italienischen Fotografen Mattia Bidoli porträtiert
sie die frauenfeindliche Lebensrealität in dem Camp aber auch in ihren
Heimatländern.
2020 gründete Bidoli einen Fotografie-Workshop in Diavata mit dem Ziel,
Frauen und Mädchen einen Safespace zu bieten, in dem sie frei über ihre
Bedürfnisse und Sorgen sprechen können, um diese dann mit Fotos zum
Ausdruck zu bringen. Für viele der Teilnehmerinnen ist es das erste Mal in
ihrem Leben, dass ihnen eine solche Möglichkeit gegeben wird. 2021 gewann
die Ausstellung mit Fotos, die von Bewohnerinnen gemacht wurden, den Global
Peace Photo Award.
Nicht alle der Beteiligten konnten damals zur Verleihung erscheinen, einige
saßen noch in Diavata fest. Auch in diesem Jahr stellt die Organisation
Circolo Fotografico Palmarino alte, aber auch neue Fotos des Workshops aus.
## Patriarchale Strukturen
Das Titelbild der Ausstellung zeigt die 28-jährige Farzana Naeemi, deren
Gesicht von fremden Händen bedeckt ist, nur ihre Augen bleiben frei. Zeigen
will Naeemi damit, wie es sich für junge Frauen anfühlt, alltägliches Leid
in Diavata zu sehen, ohne etwas dagegen tun zu können, da patriarchale
Strukturen und Diskriminierung ihnen die Möglichkeit zur Mitsprache nehmen.
Die Ausstellung, die im Hangar 4 des Flughafengebäudes Berlin Tempelhof zu
sehen ist, wird von dem gemeinnützigen Verein Project Elpida betreut, der
auch vor Ort in Griechenland aktiv ist. Sie vermittelt einen Einblick aus
der Innenperspektive der Frauen in Diavata, zeigt, wozu Medien nicht in der
Lage sind, „They took away our voice – so we will tell our story through
photos instead“ lautet ihr Titel.
Die Bilder erzählen Geschichten von Vergewaltigungen, Gewalt, fehlender
Selbstbestimmung aber auch von Hoffnung auf ein freies, friedliches Leben,
die sonst nicht an die Öffentlichkeit gelangen. So porträtiert ein Foto von
Yehganeh Esmailyan die Geschichte einer Vergewaltigung und der
anschließenden Machtlosigkeit der Betroffenen in Diavata.
Die Ausstellung zeigt die Frustration, die Wut und die Verzweiflung die
geflüchtete Frauen empfinden, nachdem sie [2][den schweren Weg aus ihrer
Heimat nach Europa] angetreten sind, nur um in einem „Jail“-ähnlichem Camp
anzukommen in dem sie immer noch mit Frauenfeindlichkeit und
Diskriminierung leben müssen.
Die dargestellten Eindrücke und die Geschichten von Flucht und dem Leben
als junge Frau in einer frauenfeindlichen Umgebung im Heimatland, auf dem
Weg nach, aber auch in Europa, gehen über die herkömmliche
Berichterstattung hinaus. Sie sind essenziell, um zu verstehen, was
eigentlich im Mittelpunkt der Asylpolitik stehen sollte.
6 Dec 2023
## LINKS
[1] /Bund-Laender-Gipfel-zu-Migration/!5969241
[2] /Migration-nach-Lampedusa/!5958536
## AUTOREN
Tim Kemmerling
## TAGS
Flughafen Tempelhof
Geflüchtete Frauen
Geflüchtete
Fotografie
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Türkei
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