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# taz.de -- Stahlindustrie im Saarland: Der bange Blick nach vorn
> Für den klimafreundlichen Umbau der Produktion setzt die saarländische
> Stahlbranche auf Milliarden vom Bund. Die stehen nun auf der Kippe.
Bild: Schlüsselindustrie bangt um Zukunft: Protestzug von StahlarbeiterInnen i…
Frankfurt/Main taz | „Es ist jetzt Feuer unterm Dach“: Stahlmanager Stefan
Rauber wählte vor seinem Termin in Berlin dramatische Worte. Der Chef der
Muttergesellschaft der saarländischen Stahlindustrie, der Stahl-Holding
Saar (SHS), traf am Donnerstag im Bundeswirtschaftsministerium
Staatssekretär Udo Philipp (Grüne).
Rauber kämpft um die bereits zugesagten, allerdings noch nicht bezifferten
Milliardenhilfen für den Umbau der saarländischen Stahlindustrie hin zur
Produktion mit grünem Strom und Wasserstoff. Die stehen seit zwei Wochen
auf der Kippe.
Das Geld sollte [1][aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, den das
Bundesverfassungsgericht gekippt hat]. Weder die
Wirtschaftsministerkonferenz vergangene Woche noch die Regierungserklärung
von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag im Bundestag haben Klarheit
gebracht.
14.000 Arbeitsplätze hängen im Saarland direkt und weitere 6.000 indirekt
von der Zukunft der Stahlindustrie ab. Verantwortliche aus Politik,
Wirtschaft und Gewerkschaften warnen vor dem drohenden Verlust des
Industriestandorts.
## „Die Deadline ist jetzt“
„Man könnte noch ein paar Jahre mit Kokskohle weitermachen und dann müsste
man die Stahlproduktion einstellen“, sagt dazu der IG-Metall-Bezirksleiter
Jörg Köhlinger, der zugleich Vizechef des SHS-Aufsichtsrats ist. Köhlinger
verlangt, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zügig einen
neuen Finanzierungsweg findet: „Die Deadline ist jetzt!“
Das Saarland steht vor großen Herausforderungen. [2][Die
Automobilproduktion von Ford am Standort Saarlouis] läuft 2025 aus. In der
Transformation hin zur Elektromobilität müssen die zahlreichen kleinen und
großen saarländischen Zulieferbetriebe der Automobilindustrie neue
Geschäftsmodelle entwickeln. Viele von ihnen kämpfen um ihre Existenz.
Die Stahlproduktion gilt dabei als Schlüsselindustrie. „Unser Saarland hat
ein Herz aus Stahl“ stand auf dem Banner der IG Metall, mit dem Tausende
Beschäftigte im September bei einer Mahnwache für den Erhalt ihrer
Arbeitsplätze demonstrierten.
Ende November gingen in Völklingen 20.000 Menschen auf die Straße – mehr
als in der saarländischen Stahlindustrie beschäftigt sind. „Es gibt eine
große Solidarität im Saarland, alle ziehen an einem Strang!“, sagt dazu
IG-Metall-Bezirksleiter Köhlinger.
## In Frankreich entstehen CO2-arme Eisenbahnschienen
Im weit verzweigten Saarstahl-Konzern hat der Umbau der Produktion mit dem
Ziel der CO2-Vermeidung längst begonnen. Seit 2020 wird in Hochöfen am
Standort Dillingen erstmals in Deutschland Wasserstoff in industriellem
Maßstab eingesetzt.
Im französischen Hayange produziert das Schienenwerk Saarstahl Rail
Eisenbahnschienen mit reduzierten CO2-Emissionen. 700 Millionen Euro hat
das Management in den vergangenen 15 Jahren nach eigenen Angaben in die
Modernisierung der Anlagen investiert.
Auch für die traditionsreichen Standorte setzt das Unternehmen auf die
grüne Transformation. Elektrische Lichtbogenöfen sollen in Dillingen und
Völklingen ab 2027 jährlich 3,5 Millionen Tonnen grünen Stahl produzieren,
ab 2030 sollen dabei die CO2-Emissionen um jährlich 4,9 Millionen Tonnen
reduziert werden.
Bereits vor einem Jahr hatte der Aufsichtsrat das Konzept beschlossen, das
den Förderanträgen zugrunde liegt. 3,5 Milliarden Euro will das Unternehmen
investieren, doch damit der CO2-arme Stahl trotz höherer Produktionskosten
auf den Märkten konkurrenzfähig bleibt, muss der Bund liefern: „Wir gehen
fest davon aus, dass die Bundesregierung die Fördergelder für die
saarländische Stahlindustrie bewilligen möchte“, erklärte Stahlmanager
Stefan Rauber gegenüber der taz und fügte hinzu: „Kürzungen jeglicher Art
würden das Projekt unwirtschaftlich und damit nicht durchführbar machen.“
## Auch der landeseigene Transformationsfonds wackelt
Die Transformation der Stahlindustrie hängt dabei auch vom Erfolg der
Wasserstoffstrategie ab, die Unternehmen den Zugang zu Wasserstoff sichern
soll. „Grüner Wasserstoff und grüner Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen
sind die Basis des Erfolgs“, so Rauber. Er betont: „Wir als saarländische
Stahlindustrie haben unsere Aufgaben erfüllt. Nun muss die Bundesregierung
schnellstmöglich die Finanzierung realisieren.“
Die saarländische Landesregierung will ihren Anteil an den Fördermitteln
aus dem landeseigenen Transformationsfonds finanzieren. Der müsse im Lichte
des Verfassungsgerichtsurteils nachgebessert werden, räumte
Landeswirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) ein: „Die jährliche
Feststellung einer Notlage ist eine notwendige Änderung“, so Barke, der an
den Gesprächen in Berlin teilnahm.
Ob es weiteren Änderungsbedarf gibt, soll Anfang Dezember bei einer
Expertenanhörung im Saarbrücker Landtag ermittelt werden. Die
oppositionelle CDU-Fraktion hat allerdings noch nicht entschieden, ob sie
gegen den schuldenfinanzierten Transformationsfonds des Landes klagt.
1 Dec 2023
## LINKS
[1] /Karlsruher-Urteil-zu-Klimafonds/!5969800
[2] /Neuer-Investor-fuer-Ford-Fabrik/!5944404
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Haushaltskrise
Stahlindustrie
Saarland
Industriepolitik
Wasserstoff
GNS
Transformation
Das Milliardenloch
Ford
Mikrochips
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