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# taz.de -- Klimasünden im linken Milieu: Eine Spaßbremse wie Sam der Adler
> Natürlich wissen alle, dass es irgendwie nicht okay ist, für zwei Wochen
> nach Bali zu fliegen. Darum behalten sie es manchmal einfach für sich.
Bild: Glücksgefühle mit schlechtem Gewissen in einem Reisfeld in Vietnam
Als Schüler war ich ein großer Fan der Muppet-Show. Der hysterische Frosch
Kermit, seine beliebte und beleibte Diva Miss Piggy, der [1][dänische
Koch], Prof. Dr. Honigtau Bunsenbrenner, „das Tier“ und all die anderen
Irren waren ein fester Teil meines Kosmos. Und dann gab es noch den
[2][Adler Sam]: Ein riesiger Vogel, der seine buschigen Augenbrauen
zusammenzog und knurrte: „Das Niveau der Show ist unterirdisch!“
Ich bin auch so eine Spaßbremse. Wenn privat über das Thema Klima geredet
wird – oder eben nicht. Da erzählt ein Freund begeistert von seiner
Karibik-Kreuzfahrt. Dann fällt sein Blick auf mich – und er verstummt. Auf
einer Party wird angeregt über die besten Hotels in Vietnam diskutiert.
Klimajournalist Pötter kommt dazu. Das Gespräch erstirbt. Manche Freunde
sagen: „Ah, dir erzähle ich besser nichts von meinen Urlaubsplänen.“
Das Bizarre: Ich halte niemandem den moralischen Zeige- oder den
umweltpolitischen Stinkefinger vors Gesicht. Ich verzichte auf Vorträge
über die Zerstörungen des Ferntourismus oder die [3][letzte Horrorstudie
zur Antarktis]. Ich rolle nicht mal mit den Augen. Ich bin nur da. Das
personifizierte schlechte Gewissen.
Denn natürlich wissen eigentlich alle, dass das irgendwie nicht okay ist,
für zwei Wochen nach Bali zu fliegen. Aber WIE sehr es nicht okay ist, will
keiner genau wissen. Und ich sage es auch nicht. Oder sollte ich erwähnen,
dass allein der Flug nach Bali und zurück mit 3 Tonnen CO₂ das
klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen sprengt?
## Adler Sam oder Waldorf oder Statler
Sollte ich nach dem Spritverbrauch fragen, wenn mich ein Freund mit dem
neuen BMW abholt? Das sollte ich vielleicht, weil ich ja der Rettung der
Welt verpflichtet bin. Aber das sollte ich vielleicht nicht, wenn ich auf
der Party noch mit jemandem Anderes reden will als mit dem Kühlschrank.
Es ist nicht die Kommunikation mit den Leugnern des Klimawandels, die mich
fertigmacht. Was an meinen Nerven zerrt, ist die Beiläufigkeit und
Selbstverständlichkeit, mit der sich auch das linksgrün drehende Milieu im
fossilen Wohlstand eingerichtet hat. Und dabei halte ich die Klappe
gegenüber den Aufgeklärten, die wissen, was Sache ist, und sich trotzdem
benehmen, als gäbe es kein Morgen.
Sam der Adler ist nicht die lustigste Rolle in der alltäglichen Freakshow.
Aber ich werde älter. Sobald das Haar grau genug ist, übernehme ich Waldorf
oder Statler – die Muppet-Grantler, die aus der Loge zu allem ihren
sarkastischen Senf dazugeben. Mehr kann man als Journalist im Leben nicht
erreichen.
10 Nov 2023
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=l7qrnxeCN1k
[2] https://www.youtube.com/watch?v=z1MHZvBfZac
[3] /Kaum-Fortschritte-bei-Antarktisschutz/!5969196
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Wir retten die Welt
Schwerpunkt Klimawandel
CO2-Emissionen
Umweltverschmutzung
Party
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Pro und Contra
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