# taz.de -- Dänemarks Regierung unter Druck: Der Landesverrat, der keiner war | |
> Der angeblich größte Spionageprozess in Dänemarks Geschichte ist in sich | |
> zusammengebrochen. Jetzt wankt Regierungschefin Mette Frederiksen. | |
Bild: Die dänische Premierministerin Mette Frederiksen am 3. Oktober in Kopenh… | |
STOCKHOLM taz | „Können wir eigentlich noch Vertrauen haben, dass unsere | |
Regierungschefin in erster Linie die Interessen der Nation im Blick hat?“, | |
fragte Dänemarks liberale Tageszeitung Politiken am Wochenende in einem | |
Kommentar und beantwortet diese Frage mit einem Nein. In knapp viereinhalb | |
Jahren im Amt habe [1][Mette Frederiksen] es mit Alleingängen und ihrer | |
Machtvollkommenheit geschafft, „im Zentrum der beiden schwersten Skandale | |
seit dem Zweiten Weltkrieg zu stehen“. | |
Der eine war der ungesetzliche Beschluss, aus Furcht vor einer Mutation des | |
Coronavirus 15 Millionen [2][Nerze schlachten] zu lassen, was die | |
Staatskasse mehrere Milliarden Euro Schadensersatz an die Züchter gekostet | |
hatte. Die andere „knallende Ohrfeige für Frederiksen“ (Politiken) gab es | |
vergangene Woche. Was die Regierung zum größten Spionageskandal der | |
dänischen Geschichte erklärt hatte, platzte wie eine Seifenblase. | |
Im August 2020 war Anders Findsen, seit 2015 Chef des Militärischen | |
Geheimdiensts Forsvarets Efterretningstjeneste (FE), suspendiert worden. | |
Ein Jahr später, nachdem er – wie sich später herausstellte – unter | |
umfassender Überwachung gestanden hatte, bei der sein Privatleben minutiös | |
registriert worden war, wurde er wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen | |
inhaftiert. Der Vorwurf: Findsen habe Medien über die Zusammenarbeit des FE | |
mit dem US-Geheimdienst NSA im Rahmen eines globalen Netzwerks informiert, | |
über das die USA elektronische Kommunikation weltweit überwachen. | |
Im Januar 2022 weitete sich der „Spionageskandal“ mit der Ankündigung aus, | |
dass auch dem ehemaligen Verteidigungsminister Claus Hjort Frederiksen | |
Anklage wegen Geheimnisverrats drohe. Er hatte die Zusammenarbeit mit den | |
USA öffentlich bestätigt. Diese Kooperation war allerdings spätestens seit | |
den [3][Enthüllungen von Edward Snowden] acht Jahre zuvor kein wirkliches | |
Geheimnis mehr. | |
## Schwerwiegende Vorwürfe gegen Frederiksen | |
In seinem 2022 erschienenen Buch „Der Spionchef – Erinnerungen aus Zelle | |
18“ wies Findsen alle Vorwürfe als „absolut wahnwitzig“ zurück und | |
beschuldigte Mette Frederiksen, das Vorgehen gegen ihn und | |
Ex-Verteidigungsminister Hjort Frederiksen sei ausschließlich politisch | |
begründet: Ihr hätte Kritik nicht gepasst. Die Vorwürfe gegen die | |
Regierungschefin sind so schwerwiegend, dass neben den Oppositionsparteien | |
sogar Frederiksens Sozialdemokraten für die Einsetzung eines | |
Untersuchungsausschusses stimmten. Der sollte allerdings erst nach dem Ende | |
des Prozesses seine Arbeit aufnehmen. | |
Zu diesem Prozess kommt es nun aber nicht mehr. Im September 2022 hatte die | |
Staatsanwaltschaft Anklage erhoben und beantragt, dass das gesamte | |
Gerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollte. | |
Mehr noch: Den Angeklagten sollten keine Prozessunterlagen ausgehändigt | |
werden, diese dürften sie nur bei der Staatsanwaltschaft einsehen und keine | |
Kopien machen. | |
Einen solchen gegen grundlegende Rechtsstaatsprinzipien verstoßenden | |
Geheimprozess lehnte der Oberste Gerichtshof Ende Oktober ab, bezeichnete | |
ihn als unnötig und machte damit indirekt klar, dass er den Vorwurf des | |
angeblich so ernsten Geheimnisverrats nicht teilte. | |
Die Regierung zog daraufhin die Notbremse. Auf Anweisung des | |
Justizministers wurde die Anklage vergangene Woche fallengelassen. Die | |
naheliegende Vermutung: Man wollte sich die Blamage eines Freispruchs | |
ersparen. Die Debatte über Fredriksens Eignung für das | |
Ministerpräsidentenamt dürfte das aber eher befeuern. | |
7 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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