| # taz.de -- FAQ zur Lage im Gazastreifen: Völkerrecht ist nicht immer menschli… | |
| > Darf Israel Kliniken angreifen? Stellt die Zerstörung von Gaza mit | |
| > tausenden zivilen Opfern ein Kriegsverbrechen dar? Ein Blick ins | |
| > Völkerrecht. | |
| Bild: Zerstörte Gebäude in Gaza am 17. November | |
| Dass Krieg und Töten legal sein sollen, ist per se ein wenig menschlicher | |
| Gedanke. Dennoch, es gibt Regeln für den Krieg. Das „humanitäre | |
| Völkerrecht“ soll Menschen schützen, die nicht an Kampfhandlungen | |
| teilnehmen, lässt aber unter bestimmten Umständen zivile Opfer zu. „Es | |
| handelt sich dabei streng genommen um einen Euphemismus“, sagt [1][Robert | |
| Stendel vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und | |
| Völkerrecht]. Treffender sei der Begriff „Recht des bewaffneten Konflikts“, | |
| denn selbst unter Einhaltung der „humanitären“ Regeln sei ein beachtliches | |
| Maß an menschlichem Leid zulässig. | |
| ## Darf Israel Kliniken einnehmen? | |
| Vor allem Krankenhäuser sind im Gazakrieg in der vergangenen Woche | |
| zwischen die Fronten geraten. Obwohl sie zuletzt zu den letzten | |
| Zufluchtsorten für zehntausende Zivilisten im Norden des Küstenstreifens | |
| wurden, drangen in der vergangenen Woche Soldaten auch in die Kliniken ein. | |
| Besonders unter dem größten Krankenhaus, der [2][Al-Shifa-Klinik], vermutet | |
| die israelische Armee Hamas-Kommandostellen. Krankenhäuser genießen im | |
| Krieg besonderen Schutz. Sie können diesen aber verlieren, wenn sie so | |
| genutzt werden, dass sie der Gegenseite militärisch schaden. | |
| „Eine Lagerung von Waffen oder die Nutzung als Kommandozentrale gehören | |
| dazu“, sagt Leon Seidl, ebenfalls Referent am Max-Planck-Institut. Nicht | |
| jede Kleinwaffe oder gar die Behandlung von verletzten Kämpfern aber würden | |
| den Schutzstatus einer Klinik aufheben. Bisher seien die von Israel | |
| veröffentlichten Belege, die unter anderem Sturmgewehre, Sprengsätze und | |
| Uniformen zeigen, nicht ausreichend für eine abschließende Bewertung. Zudem | |
| müsse auch bei einem Verlust des besonderen Schutzes vor einem Angriff | |
| genügend Zeit für eine Evakuierung eingeräumt werden, sagt Seidl. | |
| Zivilisten, Verletzte und medizinisches Personal müssten weiterhin | |
| geschützt werden. „Berichte, denen zufolge israelische Soldaten die | |
| Al-Shifa-Gebäude von außerhalb unter Beschuss genommen haben, sind in | |
| dieser Hinsicht besorgniserregend.“ Andererseits aber scheine die Operation | |
| innerhalb der Klinik nach allem, was bisher bekannt sei, gezielt und | |
| verhältnismäßig durchgeführt worden zu sein. Laut der Armee liefen die | |
| Durchsuchungen in Zusammenarbeit mit medizinischen Teams und unter | |
| Begleitung arabischsprachiger Soldaten. | |
| ## Verstößt die Gaza-Blockade gegen Völkerrecht? | |
| Seit dem Überfall der Hamas hat Israel den Gazastreifen weitgehend von der | |
| Grundversorgung mit Wasser, Lebensmitteln, Strom und Medikamenten | |
| abgeschnitten. Aktuell warnen UNO-Organisationen angesichts der rund 1,5 | |
| Millionen Vertriebenen vor einer humanitären Katastrophe. Das alleine | |
| reiche aber laut Stendel noch nicht für einen Völkerrechtsverstoß. | |
| Dass Israel Hilfslieferungen zumindest in begrenztem Rahmen zulasse, sei | |
| ein Hinweis, dass es seiner humanitären Verpflichtung nachkomme. Treibstoff | |
| weitgehend auszunehmen, sei trotz der dramatischen Folgen für die Menschen | |
| in Gaza wegen des möglichen Missbrauchs durch die Hamas zumindest | |
| begründbar. Letztlich müsse mit Blick aufs Völkerrecht abgewogen werden: | |
| Erst wenn das Leid der Zivilisten erheblich den militärischen Nutzen | |
| überwiege, sei eine Blockade rechtswidrig. | |
| ## Darf Israel Massenevakuierungen in Gaza erzwingen? | |
| Seit dem Beginn des Krieges mussten rund drei Viertel der Bevölkerung von | |
| Gaza ihr Zuhause verlassen. Viele Palästinenser sprechen von einer zweiten | |
| „[3][Nakba“, wie die Massenflucht und -vertreibung bei der Staatsgründung | |
| Israels 1948 genannt wird]. Die Aufrufe zur Evakuierung seien laut Stendel | |
| wegen der dichten Besiedlung des Gazastreifens völkerrechtlich sogar | |
| geboten. | |
| Andererseits gingen mit diesen Aufrufen auch Pflichten einher, etwa | |
| bezüglich der Versorgung und des Schutzes der Geflüchteten. Zahlreiche | |
| UN-Organisationen haben etwa mit Blick auf die humanitäre Situation | |
| angekündigt, die jüngst verbreiteten Aufrufe, auch Teile des südlichen | |
| Gazastreifens zu räumen, nicht mitzutragen. Unabhängig davon dürfe eine | |
| Massenevakuierung nicht zu einer dauerhaften Vertreibung führen, sagte | |
| Stendel. Andernfalls verstieße Israel gegen diverse menschenrechtliche | |
| Verpflichtungen. | |
| 17 Nov 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.mpil.de/de/pub/institut/personen/wissenschaftlicher-bereich/rst… | |
| [2] /Krieg-in-Nahost/!5969389 | |
| [3] /Angriff-auf-Israel/!5963843 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Wellisch | |
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