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# taz.de -- 40 Jahre taz Leibesübungen: Ein Begriff und seine Geschichte
> Der Name des taz Sport-Ressorts ist zur Marke geworden. Doch was hat es
> mit diesem merkwürdigen Wort eigentlich auf sich?
Bild: Eher Leibesübungen als Sport: Buben in einem Landjahrlager 1937
Vor ein paar Jahren rief ich einmal einen in Deutschland recht bekannten
Journalisten an, der der taz freundschaftlich verbunden ist. „Martin Krauss
vom taz-Sport“, stellte ich mich vor, doch er wies mich zurecht:
„Leibesübungen heißt das, aber das wisst Ihr jungen Leute ja nicht mehr.“
Nun sind er und ich zwar nur wenige Jahre auseinander, aber darum ging’s
nicht.
Leibesübungen heißt das, seit es das Sportressort gibt. Damals, in den
frühen 1980ern, erschienen Bücher über „Ökologie des Leibes“ und
„alternative Bewegungskultur“, und Sport galt als dumpf und kapitalistisch.
So durfte ein taz-Ressort nicht heißen.
Neu war diese Ablehnung nicht, doch dies war nicht allzu bekannt: Schon in
den 1910er-Jahren wurde, um „Sport“ zu vermeiden, von „Leibesübungen“
gesprochen. Weil sich Turner nämlich – teils bis heute – nicht als Sportler
verstehen, sondern als etwas besseres, verwendeten [1][deutschnationale
Sportfunktionäre] diesen Sammelbegriff, um auf die Turner zuzugehen. Die
Historikerin Christiane Eisenberg glaubt, dass [2][der zunehmende Gebrauch
des Wortes „Leibesübungen“ im Kaiserreich] „die Verschmelzung von Sport,
Turnen und paramilitärischen Manöverspielen“ ausdrückte.
Im Arbeitersport hingegen war „Leibesübungen“ nicht verbreitet. Eher sagte
man hier „Körperkultur“, und das war programmatisch. Den bürgerlichen
Rekordsport wollte man aufheben im Dreifachsinn der Hegelschen und
Marxschen Dialektik: beenden, bewahren, auf eine höhere Stufe heben.
## Der Terminus Leibesübung: völkisch und sozialistisch
„Leibesübungen“ ist also ein Begriff aus deutschnationaler Tradition,
„Körperkultur“ einer aus sozialistischer. Und „Sport“? Kommt aus Engla…
ist weltweit verbreitet und beschreibt die liberale, kosmopolitische und
durchaus kommerzielle Bewegung, die ja eine bemerkenswerte
Erfolgsgeschichte aufweist. Doch davon wollte sich die taz absetzen. Warum
aber hat sie zu „Leibesübungen“ gegriffen, warum nicht zu „Körperkultur…
Ein Teil der Antwort dürfte sein, dass dieser Begriff damals von der DDR
gründlich diskreditiert worden war.
Zudem fand sich ja der Terminus „Leibesübungen“ durchaus nicht nur bei
Völkischen. Der sozialistische Theoretiker Karl Kautsky berichtete einmal
über den schlechten körperlichen Zustand von Karl Marx, der nie Gymnastik
gemacht habe. Marx’ Freund und kongenialer Partner hingegen war da anders,
sagte Kautsky: „Engels hielt bis zu seinem Lebensende viel auf
Leibesübungen.“ So können wir es ja auch halten.
Martin Krauss ist den Leibesübungen seit mehr als 30 Jahren als Autor und
Redakteur verbunden.
28 Oct 2023
## LINKS
[1] /Diskussion-um-Turnvater-Jahn/!5953398
[2] /Fussball-waehrend-der-Pandemie-1918/19/!5684646
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Turnen
Karl Marx
Sportgeschichte
Sport
Denkmäler
Radsport
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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