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# taz.de -- Doku über Extremsportlerin: Süchtig nach Anerkennung
> Ein neuer Netflix-Film erzählt die Geschichte der Langstreckenschwimmerin
> Diana Nyad. Er zeigt auch, wie umstritten die Sportlerin ist.
Bild: Bei den Dreharbeiten: Jimmy Chin, Jodie Foster, Elizabeth Chai Vasarhelyi…
Die Filmemacher Jimmy Chin und Elizabeth Chai Vasarhelyi lieben
Geschichten von Menschen, die sich etwas vornehmen, das als unmöglich gilt,
und die es dann mit Beharrlichkeit irgendwann schaffen, den Naturgesetzen
zu trotzen. So etwa die Geschichte von Alex Honnold, der den berüchtigten
Felsen El Capitan im Yosemite-Nationalpark als erster Mensch überhaupt
vollkommen ohne Sicherung erklomm. Ihr [1][Dokumentarfilm „Free Solo“]
bekam einen Oscar und machte Chin und Vasarhelyi berühmt. So machten sie
sich berechtigte Hoffnungen, den Erfolg zu wiederholen.
Das Ergebnis ist seit vergangener Woche auf Netflix zu bewundern. „Nyad“
mit den Hollywood-Stars Annette Benning und Jodie Foster erzählt die
Geschichte der Marathonschwimmerin Diana Nyad, die als junge Frau [2][an
dem irrsinnigen Projekt] gescheitert war, die rund 170 Kilometer von Kuba
nach Florida über das offene Meer zu schwimmen. Über 30 Jahre später, im
Alter von 64, gelang ihr dann der Coup, der sich zur lebenslangen
Besessenheit ausgeweitet hatte.
Die Geschichte sollte inspirierend sein, gespickt mit Botschaften wie „Gib
niemals deine Träume auf“ oder „Alter ist nur eine Zahl“. Doch die Reakt…
von Publikum und Kritik erfüllt diese Erwartungen nicht. Die New York Times
etwa stöhnte angesichts der „künstlichen Süße“ dieser Art von Story, die
Nyad ihren Sponsoren auftischt.
Anstatt sich mit der vermeintlichen Heldin zu identifizieren, entwickeln
viele Kritiker und, vor allem in den sozialen Medien, viele andere
Betrachter eher Mitgefühl mit Nyads Crew. Insbesondere ihre Trainerin und
langjährige Freundin Bonnie, gespielt von Jodie Foster, erweckt Empathie,
nachdem sie jahrelang ihr eigenes Leben auf Eis legt, um Nyads Megalomanie
zu unterstützen. Bonnie rebelliert zwar immer mal wieder dagegen, lässt
sich dann aber jedes Mal erneut von Nyad dazu manipulieren, sie bei noch
einem und noch einem und noch einem Versuch der Querung zu unterstützen.
## Übertreibung, Betrugsverdacht, Angeberei
Chin und Vasarhelyi haben sich bei ihrem Film mehr an der Wirklichkeit
orientiert, als es der inspirierenden Botschaft, die Nyad verkündet,
guttut. In der Subkultur der Marathonschwimmer, die Nyad seit Jahrzehnten
kennt, hat diese schon lange den Ruf einer tyrannischen Selbstdarstellerin.
Hinzu kommen unter den Experten massive Zweifel an der Authentizität ihrer
Leistung. Die Dokumentation ihrer Überquerung ist lückenhaft und
ausgerechnet in einer Phase, in der Nyad mithilfe von Strömungen ihr Tempo
verdreifacht haben will, fehlen zuverlässige Daten.
Zu dem Betrugsverdacht passt Nyads Hang zur Übertreibung. So hat sie
behauptet, bei Olympiaausscheidungen im Schwimmen angetreten zu sein,
obwohl sie in den Startlisten nicht vorkommt. Sie hat geprahlt, die erste
Frau gewesen zu sein, die schwimmend Manhattan umrundet hat, obwohl sie
nachweislich nur die Siebte war. Dass sie drei Mal dabei gescheitert ist,
[3][den Ärmelkanal zu überqueren], verschwieg sie hingegen und behauptete
stattdessen unermüdlich, die beste Freiwasserschwimmerin der Welt zu sein.
So wirkt das Netflix-Epos weniger wie eine Ode an den Triumph des Willens,
sondern eher als die eher traurige Geschichte einer Frau mit einem
verzweifelten Durst nach Anerkennung. Zudem stellt die Nyad-Story auch die
Frage nach dem Sinn von Pionierleistungen in einem Zeitalter inflationärer
Pionierleistungen. Irgendwann hat man genügend inspirierende Videos von
Leuten gesehen, die mit Rädern die Welt umrunden oder lauter Achttausender
erklimmen. Oder sehr, sehr langsam eine Meeresenge durchpflügen und dabei
halluzinieren.
7 Nov 2023
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## AUTOREN
Sebastian Moll
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