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# taz.de -- Teure TOEFL-Tests: Blechen für den Englischnachweis
> Tausende Studierende absolvieren jedes Jahr den Englisch-Sprachtest
> TOEFL. Die „gemeinnützige“ Organisation dahinter macht damit
> Millionengewinne.
Bild: Englisch – Deutsch, Deutsch – Englisch: Der TOEFL-Test ist teuer
Berlin taz | Am Morgen der Prüfung ist Raphael nervös. Er kommt deutlich zu
früh im Sprachenzentrum in Berlin-Kreuzberg an. Nach ein paar Atemübungen
arbeitet er sich für zwei Stunden durch die vier Bereiche des
Englisch-Sprachtests: Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben. Beim mündlichen
Teil fällt es ihm schwer, sich zu konzentrieren, weil alle
Prüfungsteilnehmer:innen im gleichen Raum sitzen und durcheinander
sprechen. Nachmittags fährt er müde und erleichtert nach Hause.
Seit mehreren Monaten hat sich der 28-jährige Student auf den „Test of
English as a Foreign Language“ (TOEFL) vorbereitet: ein
Englisch-Sprachtest, der von der US-amerikanischen Bildungseinrichtung
„Educational Testing Service“ (ETS) entwickelt wurde und nach eigenen
Angaben in mehr als 160 Ländern anerkannt wird.
Sprachtests sind mittlerweile Zulassungsvoraussetzung für die meisten
nichtdeutschsprachigen Studiengänge, für Auslandssemester und
Auslandspraktika. Wer als Student:in etwas von der Welt sehen möchte oder
in Deutschland in einer anderen Sprache studieren will, kommt um sie nicht
herum.
Raphael beweist seine Sprachkenntnisse für den englischsprachigen
Masterstudiengang „Kognitive Systeme: Sprache, Lernen und logisches Denken“
an der Universität Potsdam. Um zugelassen zu werden, benötigen
Bewerber:innen 95 von 120 Punkten. Er besteht auf den Punkt genau.
## Das Zertifikat ist nur für drei Bewerbungen gültig
Raphael zahlte insgesamt 305 US-Dollar für den TOEFL. 265 Dollar gingen für
die Prüfungsgebühr drauf und 40 Dollar für die „verspätete Anmeldung“. …
sind umgerechnet fast 290 Euro. Für ihn und viele andere Studierende ist
das eine Menge Geld. Laut der [1][Sozialerhebung des Studierendenwerks
leben mehr als ein Drittel der Studierenden in Deutschland von weniger als
800 Euro im Monat]. Trotzdem hat sich der Preis des Tests im Laufe der
Jahre immer weiter erhöht. Zudem ist das Zertifikat nur zwei Jahre gültig
und Studierende, die sich an mehr als drei Universitäten bewerben, müssen
für jede weitere Institution zusätzliche 20 Dollar zahlen.
Der Testanbieter ETS ist in den USA als gemeinnützige Organisation
registriert, weil er nach Einschätzung der US-Bundessteuerbehörde einem
sozialen Zweck dient und einen öffentlichen Nutzen erbringt. ETS muss
deshalb keine Steuern zahlen. Gleichzeitig macht die Organisation seit
Jahren Millionengewinne und zahlte ihrem Präsidenten Walter MacDonald 2021
ein Jahresgehalt von 1,3 Millionen Dollar. Wie entstehen die hohen Gebühren
für die Sprachzertifikate und wie rechtfertigt ETS sie?
Theoretisch hätte Raphael sich nicht für den TOEFL entscheiden müssen. Die
Zulassungsordnung der Uni Potsdam sieht vor, dass er einen von vier
verschiedenen Sprachnachweisen vorlegen kann. Raphael hatte die Wahl
zwischen den international anerkannten Sprachtests TOEFL, „International
English Language Testing System“ (IELTS), „Cambridge Advanced Certificate
of English“ (CAE) und dem „UNIcert“-Zertifikat.
TOEFL und IELTS sind die bekanntesten Sprachtests und kosten jeweils mehr
als 200 Euro. Die Kosten für das CAE hängen vom Sprachniveau und vom
Prüfungszentrum ab. Raphael hätte 265 Euro zahlen müssen. Das
UNIcert-Zertifikat ist die günstigste Option. Es kostet bis zu 40 Euro, je
nach Universität, und kann an den Sprachenzentren der Hochschulen erworben
werden.
## Viele Studierende haben keine andere Wahl
Allerdings bieten nicht alle Sprachenzentren an Hochschulen UNIcert an. An
der Technischen Universität Berlin etwa, an der Raphael zuvor studiert
hatte, gibt es den Test nicht. An der Uni Potsdam wiederum kann Raphael den
Test nicht ablegen, obwohl er sich dort für einen Studiengang bewirbt, weil
Studierende ein UNIcert-Zertifikat nur an der Hochschule erhalten können,
an der sie eingeschrieben sind oder waren.
Der TOEFL hingegen ist in Deutschland gut zugänglich. In vielen größeren
Städten gibt es ein Sprachenzentrum, das die Prüfung durchführt. Seit der
Pandemie besteht zusätzlich die Möglichkeit, den TOEFL von zu Hause aus zu
machen.
Deshalb ist Raphael bei weitem nicht der einzige Studierende, der den
TOEFL ablegt. Nach Angaben von ETS haben bereits mehr als 35 Millionen
Menschen weltweit allein den sogenannten internet-based TOEFL-Test (TOEFL
iBT) abgeschlossen – und der ist nur einer von mehreren Sprachtests, die
die Organisation anbietet. Das macht ETS zu einem der größten Anbieter in
der Branche. Die taz hat bei der Organisation nachgefragt, wie viele Tests
in Deutschland absolviert werden und keine Antwort erhalten.
Laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gibt es in
Deutschland mehr als 300 englischsprachige Bachelor-Studiengänge und rund
1.700 englischsprachige Master-Studiengänge. Die jeweiligen
Zulassungsvoraussetzungen werden von den Hochschulen selbst festgelegt; in
den meisten Fällen ist ein Nachweis englischer Sprachkenntnisse notwendig.
Es gibt keine bundesweite Auflistung, welche Sprachzertifikate in welchem
Studiengang akzeptiert werden, da niemand regelmäßig die
Zulassungsvoraussetzungen der einzelnen Studiengänge überprüft. Der DAAD
hat aber auf Anfrage mitgeteilt, dass TOEFL und IELTS fast überall
akzeptiert werden. Es ist also wahrscheinlich, dass viele tausend
Studierende jedes Jahr den TOEFL in Deutschland ablegen.
## Mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn in 10 Jahren
Aus den [2][öffentlich zugänglichen Finanzberichten von ETS] geht hervor,
dass die gemeinnützige Organisation im Jahr 2021 einen Gewinn in Höhe von
rund 47,6 Millionen US-Dollar erzielt hat. Insgesamt hat ETS seit 2011 mehr
als eine Milliarde Dollar Gewinn gemacht, den Großteil davon im Jahr 2018:
Die Organisation erwirtschaftete fast 800 Millionen Euro, indem sie
Vermögenswerte verkaufte.
Ansonsten erzielt ETS den größten Teil der Einnahmen mit den sogenannten
program-services, die auch die Tests umfassen. Lediglich im Pandemiejahr
2020 gab es Verluste, deren Ausmaß vermutlich durch die Umstellung von
Testzentren auf Home-Tests abgefedert wurde.
Die hohen Preise der Tests sind also nicht darauf zurückzuführen, dass die
Organisation schlecht wirtschaftet und das mit erhöhten Einnahmen
ausgleichen muss. Auf die Nachfrage der taz, wie der Preis von 265 Dollar
in Deutschland zustande kommt, hat die Organisation nicht geantwortet.
Liegt es vielleicht am Test selbst, dass die Kosten so hoch sind?
Schließlich müssen die Tests ausgewertet und regelmäßig neu entwickelt
werden.
Darauf gibt es keine klare Antwort. Die Abschnitte Hören und Lesen sind als
Multiple-Choice-Fragen konzipiert, die Auswertung erfolgt automatisiert und
die Teilnehmer:innen erhalten ihre Ergebnisse unmittelbar nach
Abschluss des Tests. Die Abschnitte Schreiben und Sprechen werden laut ETS
von Menschen mit Hilfe von Algorithmen ausgewertet. Wie hoch der Aufwand
für ETS ist, neue Fragen und Texte zu entwerfen, ist schwer zu beurteilen.
Seit 2011 machen die Kosten für Management und Personal knapp unter 30
Prozent der Gesamtausgaben aus.
## 40 Dollar erhält ein Sprachenzentrum pro Kandidat:in
Bleiben also noch die Sprachenzentren. Sie stellen Räume, Computer und
geschultes Aufsichtspersonal zur Verfügung. Auch wenn der Test von zu Hause
aus durchgeführt wird, ist eine Aufsichtsperson die ganze Zeit virtuell
anwesend.
Die taz stand in Kontakt mit einem Sprachenzentrum in Westdeutschland, das
den TOEFL anbietet. Es erhält pro Kandidat etwas weniger als 40 Dollar. Das
sind lediglich knapp 15 Prozent der 265 Dollar, die die
Prüfungsteilnehmer:innen an ETS zahlen.
Von diesem Geld bezahlt das Sprachenzentrum nach eigenen Angaben das
Betriebssystem, das regelmäßig aktualisiert werden muss, die Computer sowie
Strom, Heizung, Verwaltung, Steuern und eine Aufsichtsperson. „Nur einmal
in 15 Jahren haben wir von ETS einen Zuschuss für die anfallenden
Hardwarekosten erhalten“, berichtet eine Aufsichtsperson, die wegen
möglicher Konsequenzen anonym bleiben möchte.
Bis 2020 wurde das Sprachenzentrum noch pauschal vergütet. Insgesamt
erhielt es rund 450 Dollar pro Prüfung. So blieb die Einrichtung nicht auf
den Kosten sitzen, wenn Kandidat:innen kurzfristig absagen. Mit der
neuen Regelung drohe nun bei Absagen ein Verlustgeschäft, sagt die
Aufsichtsperson. Mehrere Zentren, auch das aus Westdeutschland, betonen
jedoch, dass ETS grundsätzlich ein verlässlicher Geschäftspartner sei.
Letztendlich bezahlen Studierende mit knapper Kasse viel Geld für ein
Sprachzertifikat, weil sie keine andere Möglichkeit haben. Wie könnte man
das ändern? Ruth Tobias, Leiterin des Sprachenzentrums der Freien
Universität Berlin, erklärt das Problem aus Sicht der Universität: Da sich
nicht nur Menschen, die bereits in Deutschland leben, sondern Interessierte
aus aller Welt auf Studiengänge in Deutschland bewerben, sind international
verfügbare, einheitliche Sprachzertifikate erforderlich.
Ruth Tobias findet allerdings, dass diese im Englischen zu teuer sind.
Beispiele für andere Sprachen zeigen, dass es besser geht. So sind
Sprachzertifikate für Spanisch oder Portugiesisch oft ein Leben lang gültig
und wesentlich günstiger. Gemeinnützige Bildungseinrichtungen wie ETS haben
es also selbst in der Hand.
31 Oct 2023
## LINKS
[1] /Sozialerhebung-des-Studierendenwerkes/!5933502
[2] https://projects.propublica.org/nonprofits/organizations/210634479
## AUTOREN
Enno Schöningh
## TAGS
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Schwerpunkt Armut
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