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# taz.de -- Tote Rinder und Fohlen: Schlammschlacht um Weideprojekt
> Der Streit über eine Nabu-Rinderweide in Ostfriesland nimmt kein Ende.
> Dabei geht es mehr um politische Frontstellungen als um die Tierhaltung.
Bild: Die Heckrinder auf der Nabu-Weide sind widerstandsfähig, brauchen aber a…
Hannover taz | Schon wieder ein totes Tier, schon wieder Darstellungen, die
sich widersprechen. Das Weideprojekt des Nabu in Leer ist nach
entsprechenden Anweisungen des Landkreises längst in Abwicklung begriffen –
doch der Streit um das Projekt geht weiter. Und zwar sowohl auf der
persönlichen als auch auf der politischen Ebene. [1][Im Mai war das Projekt
in die Schlagzeilen geraten.] Eine misslungene Blutuntersuchung führte zum
Tod zweier Kälber, der Rest der Herde und die Weideflächen sollen in
schlechtem Zustand gewesen sein.
Nach und nach kamen immer mehr Details ans Licht: Insgesamt standen am Ende
drei tote Rinder und zwei tote Konik-Fohlen auf der Liste. Der Landkreis
griff durch, machte erst Auflagen, verfügte dann das Ende des Projekts. Um
den genauen Ablauf und die Fristen [2][streiten die Behörden und der Nabu
seither], der Naturschutzbund hat mehrere Klagen eingereicht. Klar, dass da
ein weiteres totes Tier nicht gut aussieht. Vor den Augen zweier
Mitarbeiter sei das Tier auf der Weide ausgerutscht und [3][habe sich das
Genick gebrochen, sagt der Nabu]. Ein bedauerlicher Unfall, das Tier sei
sonst gesund gewesen. In Absprache mit dem Veterinäramt habe man den
Kadaver dann ordnungsgemäß abtransportieren lassen.
Dem widerspricht die CDU-Kreistagsfraktion: Der Nabu habe mit dem
sofortigen Abtransport verhindert, dass die Todesursache ermittelt werden
könne, [4][zitiert die Nord-West-Zeitung die Fraktionsvorsitzende] Grietje
Oldigs-Nannen. Und schiebt wenig später [5][ein Interview mit dem Mann
nach], auf dessen Darstellung das Ganze offensichtlich fußt: dem
ortsansässigen Tierarzt Hansjörg Heeren, Vorsitzender und Mitbegründer des
„Friesischen Verbandes für Naturschutz“.
Der Landkreis bestätigt allerdings die Version des Nabu – der Abtransport
erfolgte in Abstimmung mit dem Veterinäramt, für einen Transport in die
Pathologie zur weiteren Untersuchung fehlten die Kapazitäten. Die
unterstellte Vertuschung gab es also nicht.
## Videos verelender Kälber
Tierarzt Heeren spielt in dieser Geschichte von Anfang an eine große Rolle.
Sein Verein war es, der die Zustände öffentlich machte, die Videos der
verendenden Kälber an die Öffentlichkeit brachte und seither nicht müde
wird, immer neue Vorwürfe nachzulegen – sei es eine mutmaßliche
Wasserverschmutzung durch einen unzureichend abgedeckten Misthaufen oder
eben den angeblich eiligen Abtransport eines Kadavers.
Mitglieder seines Vereins, sagte er [6][in einem Facebook-Livestream],
wohnen in der Nähe des Weideprojektes und haben offensichtlich immer ein
waches Auge darauf, wer dort vorfährt, kommt oder geht.
Aus seiner grundsätzlichen Abneigung gegen den Nabu macht Heeren jedenfalls
keinen Hehl. Das zeigte er zum Beispiel in seiner Rede auf der großen
Anti-Wolfs-Demo in Aurich, die sein Verband organisiert hat. Ein Video
davon [7][findet sich auch auf seinem Youtube-Kanal].
Hier bringt er die traditionsbewussten, anständigen, fleißigen friesischen
Bauern in Stellung gegen diese „grünen Naturexperten von außerhalb, diese
grüne Nabu-Strategie, die unser schönes Land unter Kontrolle bringen
wollen“, „alles gegen den Willen der Einheimischen“, und dafür sorgen, d…
es immer größere Flächen gäbe, „die kein Ostfriese mehr betreten darf“.
Stattdessen würden ausländische Arten eingeschleppt wie „ägyptische
Wasserbüffel“. Und natürlich darf auch der Hinweis nie fehlen, dass der
Nabu ja jedes Jahr x Millionen Euro an Subventionen kassiere.
## Der Nabu keilt aus
Für das Weidetierprojekt habe es keine Subventionen gegeben, sagt der Nabu.
Die ganzjährige Weidehaltung sei von Anfang an ein Zuschussgeschäft
gewesen. Hier gibt es allerdings auch keine Wasserbüffel, nur Heckrinder
und Konik-Pferde. Mit deren tierärztlicher Betreuung war bis zum Frühjahr
2023 ausgerechnet die Praxis von Heeren betraut.
Und weil der Konflikt nun längst auf so einer Ebene angekommen ist, keilt
jetzt der Nabu aus: Eine Überprüfung habe ergeben, dass es unter Heeren zu
[8][schwerwiegenden Versäumnissen gekommen sei, erklärt der Nabu]. Unter
anderem stünden Kühe, die unter seiner Aufsicht geschlachtet worden sein
sollen, quicklebendig auf der Weide. Auch bei den von ihm beaufsichtigten
Blutproben der vergangenen drei Jahre sind diese überzähligen Tiere
offenbar nicht aufgefallen.
Der Nabu sieht sich von Feinden umstellt: In den Akten des Landkreises
fänden sich fehlerhafte Protokolle, die CDU Kreistagsfraktion und
insbesondere der CDU-Landtagsabgeordnete Ulf Thiele seien mit wüsten
Rücktrittsforderungen wohl ebenfalls den Einflüsterungen von interessierter
Seite erlegen.
Letztlich fällt diese Kritik aber auch wieder auf den Nabu zurück: Der
hinzugezogene Tierarzt war ja nicht allein verantwortlich für diese
Aktionen. Immer waren auch Mitarbeiter des Nabu-Tochterunternehmens Luno
und des nahe gelegenen Woldenhofs beteiligt. Bei denen soll es auch schon
Abwerbeversuche gegeben haben – für den Fall, dass die Beweidung in neue
Hände kommt.
## Auf Überlastung zu spät reagiert
Aber der Nabu brauchte immer sehr lange, um die einzelnen Vorfälle zu
rekonstruieren und aufzuklären. Er begründet das mit der ungünstigen
Personalsituation, die überhaupt erst in diese Misere geführt habe. Der
ehemalige Geschäftsführer hat sich aufgrund eines Burnouts zurückgezogen,
weitere Mitarbeiter sollen aus anderen Gründen ausgefallen sein.
Selbst der Landkreis und Tierarzt Heeren sagen, dass es in den fünfzehn
Jahren zwischen dem ersten Skandal um das Projekt im Jahr 2008 und dann
2022 keinen Grund für Beanstandungen gegeben hatte. Es geht also nicht um
einen grundsätzlichen Webfehler des Konzepts – mit erfahrenen und guten
Leuten ist es umsetzbar.
Aber offensichtlich hat der Nabu – so sieht es jedenfalls der Landkreis –
auf die Überlastungssituation zu spät reagiert und bei dem Projekt den
Überblick verloren. Auch beim Krisenmanagement sei die Kommunikation stets
schwierig gewesen. Bis heute hat der Nabu keine Erklärung dafür, wieso die
Herde nicht reduziert wurde, obwohl das schon 2021 vereinbart worden sein
soll.
Für den Landkreis ist deshalb eine Fortführung nicht denkbar. Die Frist für
die Auflösung der Herden hat er noch einmal bis Ende Oktober verlängert –
weil sich dies bis Ende September tatsächlich nicht umsetzen ließ. Der Nabu
hält auch das neue Datum für unrealistisch – vor allem, weil die trächtigen
Tiere nicht einfach so geschossen oder umgesetzt werden könnten. Das wird
nun wohl das zuständige Verwaltungsgericht klären müssen.
15 Oct 2023
## LINKS
[1] /Veterinaeramt-beendet-Weideprojekt/!5934847
[2] https://www.landkreis-leer.de/Aktuelles/Presse-Medien/Pressemitteilungen/La…
[3] https://niedersachsen.nabu.de/wir-ueber-uns/transparenz/33410.html
[4] https://www.nwzonline.de/landkreis-leer/nabu-wieder-totes-heckrind-in-nuett…
[5] https://www.nwzonline.de/landkreis-leer/nabu-projekt-in-leer-wieder-totes-h…
[6] https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=227661493570805&id=10000318…
[7] https://www.youtube.com/watch?v=7S5EZ9pO0Fg
[8] https://niedersachsen.nabu.de/wir-ueber-uns/transparenz/34015.html
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Nabu
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Tierschutz
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