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# taz.de -- Halbfinale der Männer-Rugby-WM: Doch noch verbockt
> Gegen die „Springboks“ agieren die Engländer im Halbfinale der Rugby-WM
> lange großartig. Doch Südafrika dreht zum 16:15.
Bild: Alles Strecken half nichts: Courtney Lawes gegen Eben Etzebeth
Die Vorzeichen standen wahrlich nicht gut für die Engländer für dieses
Halbfinale [1][der Rugby-WM]. In der Nacht zuvor hatte es eine deftige
Niederlage gegen ebenjene Südafrikaner bei der parallel laufenden
Weltmeisterschaft im Cricket gegeben, die Nachricht des Todes von Bobby
Charlton war hereingeplatzt, und Catherine, die Ehefrau des britischen
Kronprinzen und Schirmherrin des englischen Rugby-Verbandes, saß nicht wie
sonst im Stadion, sondern war mit Familie in den Ferienurlaub gereist.
Alles Nebengeräusche, die aber den Ausblick auf diese Rugby-Partie nicht
hoffnungsfroher für die Engländer gemacht hatte. Die Südafrikaner würden
(in Anspielung auf ihren Spitznamen „Springboks“) die Bockalypse
entfesseln, ein zweistelliger Punkteabstand sei wahrscheinlich. Und
überhaupt, was hätten diese schwerfälligen und einfallslosen Engländer in
diesem Semifinale zu suchen, ließe sich die Mehrheit der Kommentare in
Zeitungen und auf Social Media Kanälen grob zusammenfassen.
Was sich dann allerdings auf dem Rasen des Stades de France bei strömenden
Regen entwickelte, war ein Rugbyspiel, das an Intensität kaum zu überbieten
war. Die Strategie der Engländer war dabei von der ersten Minute an, das
Spiel über „Kicks“, also über Penalties und Dropgoals zu entscheiden. Und
tatsächlich flogen die „weißen Tornados“, wie der englische Guardian die
eigenen Spieler stolz bezeichnete, in jedes Getümmel, bedrängten die
Südafrikaner unaufhörlich und nutzten dabei die schwierigen Bedingungen
eines nassen Rasens hervorragend.
Die Springboks hingegen schienen nach dem hart erkämpften Viertelfinalsieg
gegen Frankreich dermaßen geschwächt, dass sie in den Scharmützeln im
Zentrum keinen Zugriff bekamen und so immer wieder Fehler begingen, die
[2][der englische Kapitän Owen Farrell] mit Penalties bestrafte. Mit einer
12:6-Führung gingen die Red Roses in die Halbzeit und ob ihrer
augenscheinlichen Dominanz auf dem Spielfeld sprach wenig dafür, dass sich
das Blatt nochmal in Richtung des amtierenden Weltmeisters drehen könnte.
## Lücke in der „Weißen Wand“
Noch weniger, als ebenjener Owen Farrell in der 53. Minute ein Dropgoal aus
40 Metern Entfernung verwandelte. Die Revanche der Finalniederlage von
Tokio 2019 schien auf einmal nicht mehr nur möglich, sondern sogar
wahrscheinlich. Aber die Rechnung war ohne einen bärtigen Giganten mit dem
wunderbaren Namen Rudolph Gerhardus Snyman gemacht. Seine Hereinnahme für
den im Viertelfinale gegen Frankreich noch so überragenden Eben Etzebeth in
der 46. Minute bezeichnete der englische Reporter Will Greenwood später als
„Wechsel des Jahrzehnts“. Der Grund: Beide Mannschaften waren bis etwa zehn
Minuten vor Schluss meilenweit davon entfernt gewesen, einen Versuch zu
legen. Aber in der 69. Minute konnte RG Snyman doch noch die Lücke in der
„weißen Wand“ finden und mit dem einzigen Try des Spiels die bis dahin
vollkommen abgemeldeten Springboks zurück in die Partie bringen, als
England sich schon auf der Zielgeraden wähnte.
Dabei hatte sich vorher alles wie verkehrte Welt angefühlt. Nach den
Viertelfinalpartien zwischen Frankreich und Südafrika sowie [3][Neuseeland
und Irland], die von der britischen Presse ob ihrer hohen spielerischen
Qualität als „Blitzkriegballett“ und „Rugby aus einer anderen Zeit“
betitelt wurden, war das Spiel zwischen England und Südafrika langsam und
ungeordnet, mit einfallslosen und körperlich wenig dominanten Südafrikanern
und einer weißen Mauer, die sich für die Boks als solide und unüberwindbar
erwies.
## „Bittere Niederlage“
Bei Trainer Rassie Erasmus muss sich schon nach einer halben Stunde die
Erkenntnis durchgesetzt haben, dass das Duell so für seine Männer nicht zu
gewinnen ist. So wurden nacheinander Cobus Reinach und Damian Willemse und
Kapitän Siya Kolisi und eben auch Etzebeth ausgetauscht. Der entscheidende
Wechsel war aber schon nach einer halben Stunde vollzogen worden. Für
Verbinder Mani Libock war Altstar Handre Pollard gekommen. Und er
verwandelte ebenjene Straftritte, die dem Weltmeister die Möglichkeit
gaben, in den letzten elf Minuten zehn Punkte zu erzielen und ein Spiel,
das England völlig dominiert hatte, auf den Kopf zu stellen. Zwei Minuten
vor Ultimo stand es dann auf einmal 16:15 für Südafrika, was auch den
Endstand markierte.
Englands Trainer Steve Borthwick ist fest davon überzeugt, dass seine
Mannschaft den Schmerz der knappen Halbfinalniederlage gegen Südafrika
nutzen wird, um in Zukunft „zu etwas Brillantem heranzuwachsen“. Die
Spieler sollten unglaublich stolz sein. „Wir hatten sieben Spieler unter 25
Jahren in unserem Kader, mehr als alle Halbfinalisten. Südafrika hatte
einen“, so Borthwick weiter. „Das Team wird aus der bitteren Niederlage von
heute lernen können.“
22 Oct 2023
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## AUTOREN
Christian Henkel
Karl-Udo Wenholt
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