# taz.de -- Männer-Bundesliga: So verlieren wie heute | |
> Die Lilienfans pfeifen auf RB, das Team von RB Leipzig pfeift auf die | |
> Pfiffe. Und gewinnt pflichtgemäß bei erstaunlich mutigen Darmstädtern mit | |
> 3:1. | |
Bild: Mutige Darmstädter: Fabian Nürnberger kämpft gegen Emil Forsberg um de… | |
Nach dem doch ziemlich glanzlosen Leipziger Sieg in Darmstadt am | |
Samstagnachmittag verspürte mancher Stadionbesucher ein leichtes Fiepen im | |
Ohr. Das dürfte an den Hintergrundgeräuschen der ereignisreichen Partie | |
gelegen haben, denn nicht nur die Fankurve des Aufsteigers, sondern auch | |
große Teile der anderen drei Tribünenseiten hatten in den 90 Minuten | |
lustvoll den Gegner ausgepfiffen. | |
Unter dem Motto „Wir pfeifen auf RB!“ bedachten die Fans der Lilien eine | |
Viertelstunde lang jeden Ballkontakt eines Leipzigers mit einem | |
Pfeifkonzert. Als die Viertelstunde vorüber war, wurde selektiver | |
gepfiffen, aber nicht weniger laut. Man wolle dokumentieren, dass man | |
selbst „aus wenig viel“ mache und nicht nur deshalb ein „perfektes | |
Gegenbeispiel zu diesem Marketingfurz“ sei, hieß es in einem Flugblatt der | |
Lilien-Fans. So vehement wie an diesem Samstag in Darmstadt werden die | |
Proteste im achten Jahr der Bundesligazugehörigkeit von RB Leipzig [1][nur | |
noch selten artikuliert]. | |
Das Blöde an David-gegen-Goliath-Inszenierungen ist, dass es meist Goliath | |
ist, der gewinnt. So auch diesmal, als sich Leipzig nach einem | |
freudlos-pragmatischen Vortrag mit 3:1 durchsetzte: Nach 45 Sekunden stand | |
es 0:1 durch Lois Openda. Mitte der ersten Halbzeit 0:2 (24.) nach einem | |
freundlich passierten Freistoß von Emil Forsberg. Nach dem Elfmeter von | |
Tobias Kempe zum 1:2 (52.) traf erneut Openda (75.), jubelte provokativ vor | |
dem Heim-Bereich, das war’s. | |
Damit war alles angerichtet für zerknirschte David- und triumphierende | |
Goliath-Zitate. Doch das Gegenteil passierte. David ärgerte sich über die | |
verlorene Auseinandersetzung, war ansonsten aber mit sich, der | |
Steinschleuder und der Welt zufrieden. Und das hatte nichts mit | |
Realitätsverlust zu tun: Darmstadt 98 hatte ein so gutes Spiel gemacht, | |
dass RB-Sportdirektor Rouven Schröder fast ehrfürchtig lobte: „Die waren | |
sehr mutig. Hier werden sich noch viele Gegner schwertun.“ | |
## RB wie begabter, aber fauler Schüler | |
Dass die RB-Spieler fußballerisch in anderen Sphären unterwegs sind als | |
ihre Darmstädter Kollegen, war dabei durchweg zu erkennen. Dass der ein | |
oder andere schneller zu Fuß ist als sein Gegenspieler ebenfalls. Aber | |
insgesamt spielte RB zu oft wie ein begabter, aber fauler Schüler, der | |
[2][mit Talent wettzumachen versucht], was sich andere hart erarbeiten | |
müssen. Dass da noch Luft nach oben ist, gab Trainer Marco Rose nach dem | |
Spiel auch zu. Man habe sich das Darmstädter Spiel aufzwingen lassen und | |
werde daraus lernen. | |
„Wir wollen mehr Kontrolle haben und mehr Schärfe in den Zweikämpfen.“ Ro… | |
fand dann selbst irgendwann, dass bei all dem Lob für Darmstadt und all der | |
Selbstkritik die Kirche im Dorf bleiben müsse: „Ich saß schon vorher in | |
sieben Pressekonferenzen, wo der gegnerische Trainer gesagt hat, sein Team | |
habe gerade das beste Saisonspiel gemacht.“ Dafür sei man ganz ordentlich | |
unterwegs in dieser noch jungen Spielzeit, mit 17 Punkten nach acht | |
Spielen. | |
## Beeindruckende Darmstädter | |
Trotzdem war es die Darmstädter Leistung, die von diesem Spiel in | |
Erinnerung bleiben wird: Die Mannschaft kämpfte sich trotz des frühen | |
Zwei-Tore-Rückstands auf ziemlich beeindruckende Weise in die Partie | |
hinein. Allein das war schon bemerkenswert, denn welcher Aufsteiger würde | |
bei einem 0:2-Rückstand nach knapp über 20 Minuten nicht Angst vor einer | |
Klatsche bekommen und dementsprechend vorsichtiger agieren? Anders die | |
Lilien, die geradezu lustvoll die Zweikämpfe suchten und das Spiel fast | |
ausschließlich in der Hälfte der Leipziger stattfinden ließen. Mehr als ein | |
Tor kam für sie über 90 Minuten aber nicht herum, doch die Fülle der | |
Torgelegenheiten und die Tatsache, dass ein Gegner wie Leipzig ganz gut | |
beschäftigt war, das eigene Tor zu sichern, macht Mut für das | |
mittelfristige Ziel. | |
Für gute Laune bei den Fans, die auch Leipzigs Rose trotz der fast | |
durchgehenden Pfiffe gegen sein Team „toll“ nannte, sorgt der Darmstädter | |
Offensivfußball sowieso. Als die Leipziger Spieler längst unter der Dusche | |
waren, wurden ihre hessischen Kollegen draußen immer noch gefeiert. Und wer | |
danach hörte, wie Keeper Schuhen oder Fabian Holland über das Spiel | |
redeten, begriff, was dahintersteckte. So wie Darmstadt spielt eine | |
Mannschaft, die daran glaubt, am Ende der Saison nicht zu den zwei oder | |
drei Absteigern gehören zu müssen. | |
Dass, wie Schuhen mit viel Trotz in der Stimme sagte, „niemand einen | |
Pfennig auf uns gibt“, motiviert da offenbar zusätzlich. Denn so wie am | |
Samstag gedenken die Hessen auch die restlichen 26 Spiele zu bestreiten: | |
„Wenn wir verlieren, wollen wir so verlieren wie heute“, sagte Trainer | |
Torsten Lieberknecht. | |
22 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Ruf | |
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