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# taz.de -- Darmstädter Debakel: Die Lilien wurden gerupft
> Mit 0:6 geht der SV Darmstadt 98 zu Hause gegen den FC Augsburg unter.
> Zur sportlichen Demütigung gesellten sich Spott und Häme.
Bild: Kopflos im Abstiegskampf: Darmstadts Gerrit Holtmann (l.) und Augsburgs A…
Es passiert nicht oft, dass die ersten Zuschauer schon Mitte der ersten
Halbzeit das Stadion verlassen. Am [1][Darmstädter] Böllenfalltor, bei der
historischen 0:6-Klatsche gegen den [2][FC Augsburg], war es am Samstag
so. Und man konnte es ihnen nicht wirklich verdenken. Fragwürdiger
hingegen, was nach dem Schlusspfiff geschah. Die Ultras, die den Support
Mitte der ersten Hälfte eingestellt hatten, sandten einen Vertreter auf den
Rasen, der die Mannschaft minutenlang wild gestikulierend anbrüllte.
Zu viel der Selbstdarstellung, wie wiederum die älteren Herren auf der
Gegengerade fanden, die mehrheitlich seit Jahrzehnten das „Bölle“
bevölkern. Deren „Halt die Fresse“-Rufe in Richtung Ultra-Führer mündeten
dann in ein kurzes Scharmützel zwischen älteren und jüngeren Fans. Die
Ansprache an die Mannschaft sah aus der Ferne indes wohl aggressiver aus,
als sie war, berichtete Torwart Marcel Schuhen: „Das waren emotionale und
klare Worte, aber nullkommanull Prozent aggressiv.“ Auch vom Rest des
Stadions hörte man viele aufmunternde „Lilien“-Rufe für den Auf- und
mutmaßlichen Absteiger.
Über den ließ sich diesmal allerdings nicht die [3][Geschichte vom David]
mit der Steinschleuder erzählen, der sich gegen das vermeintlich
Unbezwingbare stemmt. „Fehler hier, Fehler dort, Blackout hier und da, die
erste Halbzeit hat gefühlt drei Stunden gedauert“, seufzte der
bedauernswerte Schuhen. Nach nicht einmal einer halben Stunde stand es
bereits 5:0 für Augsburg, ein Tor war dabei auf groteskere Art gefallen als
das andere.
Den ersten Augsburger Treffer durch Philip Tietz legte der in der ihm
vergönnten Spielzeit von 27 Minuten komplett überforderte Verteidiger
Jannik Müller mit einem schlimmen Fehlpass vor, beim 0:3 durch Ermedin
Demirovic erlief der FCA-Stürmer einen viel zu kurzen Rückpass von Klaus
Gjasula. Und auch vor den anderen drei Treffern durch Fredrik Jensen (12.),
Ruben Vargas (24.) und erneut Demirovic (29.) gab es schlimme Ballverluste,
die die Augsburger Offensive ohne größere Mühe ausnutzte.
Das 0:6 durch Tietz (84.) war dann der Epilog zu einem Spiel, bei dem auch
das Zuschauerverhalten für Darmstädter Verhältnisse außergewöhnlich war.
Nach dem 0:4 zeigten sich Wut und Fassungslosigkeit, es gab Pfui-Rufe und
hämischen Applaus, wenn doch mal ein Pass ankam oder Augsburgs Keeper Finn
Dahmen einen Kullerball aufnahm.
## „Erhobenen Hauptes“ weiterspielen
Nein, einen solchen Tag habe er als Profi auch noch nicht erlebt, erzählte
Dahmen später. Zum Spiel nur so viel: Darmstadt habe „etwas unglücklich
agiert.“ Drastischer drückte sich Lilien-Präsident Fritsch aus: „Es ist
doch klar, dass die Zuschauer da nicht vor Freude Luftballons steigen
lassen. Das war heute ein Albtraum, so katastrophal, dass es eine normale
Spielanalyse gar nicht hergibt.“ Das traf so zu.
Der Tabellenletzte war eigentlich sogar zu schlecht, als dass man die
Augsburger Leistung fair hätte bewerten können. Die taten konsequent genau
das, was wohl jedes Profiteam gegen eine solche Defensive getan hätte: Sie
liefen die Darmstädter früh in deren Hälfte an und erzeugten dadurch im
ersten Durchgang immer wieder ähnliche Bilder, wie sie entstehen, wenn es
ein Fuchs in den Hühnerstall geschafft hat. Augsburg belegt nun Platz zehn
und hat mit einem Male eine recht ordentliche Tordifferenz von minus zwei.
In Darmstadt herrschte hingegen nach dem Schlusspfiff eine schwer zu
fassende Stimmung. Es gab sie, die gutgelaunten Fans, die vor der
„Lilien-Schänke“ ihr Feierabendbier genossen. Es gab ältere Fans, von den…
viele über das als anmaßend empfundene Verhalten der Ultras diskutierten.
Und eine Gemeinsamkeit gab es dann auch. Dieses 0:6 dürfte sich ins
kollektive Gedächtnis als einziges Spiel dieser Saison einbrennen, bei dem
Darmstadt 98 nicht nur verlor, sondern sich der Lächerlichkeit preisgab.
Zweiteres ist für einen Fan deutlich schwerer zu verdauen.
Vor diesem Spieltag hatte der Kicker eine Umfrage veröffentlicht, wonach
noch 2,1 Prozent der Leser an den direkten Klassenerhalt der Lilien
glauben. Die 17.810 Zuschauer, die Augenzeugen dieses Spiels wurden,
dürften diesen Wert erstaunlich hoch finden, obwohl es nach wie vor nur
vier Punkte Rückstand auf den Relegationsrang sind.
Trainer Torsten Lieberknecht, der nach dem Spiel mitgenommen wirkte,
versprach derweil, man werde die Saison „erhobenen Hauptes“ weiterspielen.
Genau dazu hätte der Ultra-Vertreter das Team auch aufgefordert.
Lieberknecht selbst steht – dieser Hinweis nur der Vollständigkeit halber –
nicht zur Disposition. Präsident Fritsch konterte eine entsprechende Frage
schlüssig: „Da hätten heute auch Klopp oder Guardiola an der Linie stehen
können, wäre alles genauso passiert.“
3 Mar 2024
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## AUTOREN
Christoph Ruf
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