# taz.de -- Krieg in Sudan: Steuergelder für die Miliz | |
> Europäische Botschaften zahlten einer Sicherheitsfirma Zehntausende Euro, | |
> obwohl die der RSF-Miliz nahesteht. Es geht auch um Deutschland. | |
Bild: Eine sudanesische Frau weint um Angehörige, die von der RSF getötet wur… | |
BERLIN taz | Es sind Beschreibungen, die betroffen machen: Seit Beginn des | |
[1][Krieges im Sudan] Mitte April mehren sich Berichte über geplünderte | |
Wohnhäuser, Vergewaltigungen und Massengräber. Erst diese Woche attestierte | |
die britische Regierung den Ergebnissen einer Untersuchung zu dutzenden | |
niedergebrannten Dörfern in der Konfliktregion Darfur „alle Merkmale einer | |
ethnischen Säuberung“. | |
Im Zentrum dieser Berichte stehen die Rapid Support Forces (RSF) unter | |
ihrem Anführer Mohamed Hamdan Daglo, genannt Hametti. Seit nunmehr sechs | |
Monaten kämpft die Miliz des früheren Kamelhändlers gegen das sudanesische | |
Militär um die Macht im Land und konnte zuletzt erhebliche Gebietsgewinne | |
für sich verbuchen. | |
Anfang Oktober deckte eine gemeinsame Recherche mehrerer europäischer | |
Medien wie [2][Zeit Online] und NZZ am Sonntag auf, dass auch europäische | |
Steuergelder indirekt zum Aufstieg der RSF beigetragen haben: über die | |
Sicherheitsfirma Shield Protective Solutions, die zur Schattenwirtschaft | |
der RSF gehört und die bis Kriegsausbruch im großen Stil Gebäude westlicher | |
Institutionen im Sudan bewachte – und teilweise noch immer bewacht. | |
Zu den Kunden der Firma, deren Netzwerk in die Vereinigten Arabischen | |
Emirate und nach Großbritannien reicht, gehörte auch die Deutsche Botschaft | |
in Khartum sowie die Deutsche Gesellschaft für Internationale | |
Zusammenarbeit (GIZ). | |
## Geld aus Deutschland | |
Inhaber der Firma ist Musa Hamdan Daglo, ein jüngerer Bruder Hamettis. Der | |
RSF-Boss ist dafür bekannt, an der Spitze seines weitverzweigten | |
Firmenimperiums enge Familienmitglieder und Vertraute einzusetzen. Einige | |
dieser Firmen stehen mittlerweile auf den Sanktionslisten der USA und | |
Großbritanniens, Brüssel berät zurzeit über ähnliche Schritte | |
Indes haben allein die Botschaften von Schweden, Norwegen und der Schweiz | |
bis Mai zusammen 1,6 Millionen Euro an Shield überwiesen. Unklar war | |
bislang, wie viele Steuergelder aus Deutschland bis zur Evakuierung der | |
Botschaft an die RSF-Firma flossen. | |
Der taz liegt nun vorab die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der | |
Abgeordneten Clara Bünger von der Linkspartei vor. Demnach bezahlten die | |
Deutschen Shield für die Bewachung eines Wohnkomplexes für | |
Botschaftsangestellte bis März 2023 rund 34.500 Euro. Als Vertragsbeginn | |
wird Januar 2021 angegeben. | |
Bereits damals eilte der RSF [3][ihr brutaler Ruf voraus]. Etwa wegen | |
[4][Gräueltaten] an der Zivilbevölkerung im Darfur-Konflikt. Oder wegen der | |
gewaltsamen Auflösung eines Sit-ins von Revolutionären im Juni 2019, die | |
nach dem Sturz von Langzeitdiktator Omar al-Bashir auf einen raschen | |
demokratischen Wandel gedrängt hatten. Stattdessen einigten sich Teile der | |
zivilen Kräfte auf einen Machtdeal mit den Generälen und bildeten einen | |
Souveränen Rat mit Armee-Chef Abdel-Fattah al Burhan als Oberhaupt und | |
Hametti als seinen Stellvertreter. | |
## Die Bundesregierung wiegelt ab | |
Im Dezember 2021 putschte sich das Militär mit Unterstützung der RSF dann | |
an die Macht und setzte die dem Souveränen Rat unterstellte | |
Übergangsregierung ab. Schließlich schlug die seit jeher bestehende | |
Rivalität zwischen Armee und RSF im April in den andauernden Krieg um. | |
„Dass mit Steuergeldern indirekt ein Gewaltakteur finanziert wurde, der im | |
Sudan für gravierende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, geht | |
gar nicht“, sagt Bünger der taz: „Umso bedenklicher ist, dass die | |
Bundesregierung nicht einmal ein Wort des Bedauerns äußert. So bleibt auch | |
offen, ob sie künftig genauer prüfen wird, mit welchen Sicherheitsfirmen | |
sie zusammenarbeitet.“ | |
Statt Selbstkritik verweist die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die | |
Landschaft von Sicherheitsunternehmen im Sudan, die „grundsätzlich“ mit dem | |
staatlichen Sicherheitssektor eng verwoben sei. | |
Was Berlin hierbei unterschlägt, sind die möglichen Alternativen. Von einer | |
machte die Deutsche Botschaft im Sudan selbst Gebrauch. So wurde die | |
Kanzlei und die Residenz nicht von privaten Dienstleistern, sondern von | |
eigens bei der Botschaft angestelltem Personal gesichert. Warum man sich im | |
Fall des Wohnkomplexes nicht für diese Variante entschied, bleibt weiter | |
offen. In anderen Ländern Europas, die ihre Botschaften von den blau | |
uniformierten Shield-Wächtern schützen ließen, trifft der Umgang mit | |
Steuergeldern ebenfalls auf Unverständnis. | |
## Inzwischen sind alle Verträge mit Shield gekündigt | |
In einem Kommentar in der schwedischen Zeitung Svenska Dagbladet weisen | |
Konfliktforscher Johan Brosché von der Universität Uppsala und | |
Sudan-Experte Alex De Waal von der World Peace Foundation jüngst darauf | |
hin, dass die RSF bekannterweise als „Familien-Unternehmen“ und „im Stil | |
der Mafia“ organisiert sei. Die Zusammenarbeit mit Shield – die im Fall von | |
Schweden bis heute andauert – müsse deswegen „sofort“ eingestellt und die | |
Auswahlmechanismen von Sicherheitsfirmen müssten überprüft werden. | |
Auch die GIZ ließ Projektstandorte im Sudan ab Februar 2023 – und | |
teilweise bis über den [5][Kriegsbeginn] hinaus – von Shield bewachen. In | |
der Stadt Gadaref, die bislang von Kampfhandlungen verschont blieb, | |
arbeiteten die Wächter noch bis Anfang September. Erst dann habe die GIZ | |
laut eigener Aussage von der RSF-Verbindung erfahren. Inzwischen hat die | |
GIZ alle Verträge mit Shield gekündigt. | |
In einigen von ihnen hatte sich die RSF-Firma zur Einhaltung des | |
„Internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister“ | |
verpflichtet, in anderen Verträgen zur Unterzeichnung des Kodex und damit | |
zur de-facto Mitgliedschaft in der in Genf ansässigen International Code of | |
Conduct Association (ICoCA). Die Organisation entstand auf Basis des Kodex. | |
Als ICoCA-Mitglieder verpflichten sich Regierungen und Firmen zur | |
Einhaltung besonders hoher Standards bei der Einstellung und Arbeit im | |
privaten Sicherheitsbereich. | |
Im Sudan listet die ICoCA ein Unternehmen, Shield ist es jedoch nicht. Eine | |
erfolgreiche Bewerbung auf Mitgliedschaft wäre für die RSF-Firma wohl | |
unwahrscheinlich gewesen, sagt Jamie Williamson, geschäftsführender | |
Direktor der ICoCA. Internationale Institutionen hätten aber auch in | |
Kriegs- und Krisenländern Hebel, um Transparenz und Standards einzufordern: | |
„In solchen Ländern geht es auch darum, ein entsprechendes Umfeld zu | |
schaffen und die Anbieter dazu zu bringen, sich zu verbessern. Und um die | |
Erkenntnis der Behörden, dass eine Erfüllung internationaler Standards | |
ihrer Sicherheitsanbieter in ihrem eigenen Interesse ist.“ | |
Die GIZ hatte bislang erklärt, keine Zahlungen an Shield getätigt zu haben | |
und juristisch zu prüfen, ob von Shield gestellte Rechnungen von insgesamt | |
mehr als 50.000 Euro noch beglichen werden müssen. Auf taz-Nachfrage teilt | |
das Bundesunternehmen nun mit, nach „eingehender“ juristischer Prüfung | |
„keine Zahlungen“ an die RSF-Firma mehr leisten zu wollen. | |
20 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Sechs-Monate-Krieg-in-Sudan/!5963642 | |
[2] https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-09/sudan-kaempfe-machtkampf-rsf-mi… | |
[3] /Sudans-Hauptstadt-weiter-umkaempft/!5953528 | |
[4] /Gewalt-gegen-Frauen-in-Sudan/!5937837 | |
[5] /Ein-Monat-Krieg-in-Sudan/!5931704 | |
## AUTOREN | |
Anna-Theresa Bachmann | |
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