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# taz.de -- Äußerungen von Österreichs Kanzler: Wie Nehammer arme Menschen s…
> Wer zu wenig Geld habe, solle mehr arbeiten, sagt Österreichs Kanzler.
> Seine grünen Koalitionspartner widersprechen kaum. Es hagelt Kritik.
Bild: Isst Österreichs Kanzler Karl Nehammer gerne Hamburger? Billig findet er…
Wien taz | Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) steht wegen
kontroverser Aussagen in der Kritik. Bei der Eröffnung einer Weinbar am 26.
Juli äußerte sich der Kanzler auf eine Weise über arme Menschen, die
zahlreiche politische Beobachter als menschenverachtend titulieren. Die
Aussagen wurden nun öffentlich.
„Wenn ich zu wenig Geld habe, gehe ich mehr arbeiten“, sagt Nehammer,
nachdem er sich über die ihm zufolge zu niedrige Berufstätigkeit von
Müttern beklagte. Diese würden immer noch zu viel in Teilzeit arbeiten,
anstatt Vollzeit, wie er offenbar zum Ausdruck bringen wollte. Nehammer
mokierte sich auch über seiner Meinung nach falsche Aussagen, dass Kinder
aus armen Familien sich keine warmen Mahlzeiten leisten könnten.
[1][„Was ist eigentlich mit den Eltern?] Was heißt, ‚ein Kind kriegt keine
warme Mahlzeit in Österreich‘?“ sagte der Bundeskanzler mit erhobenem
Zeigefinger und süffisantem Unterton. „Wisst ihr, was die billigste warme
Mahlzeit ist? Sie ist nicht gesund, aber sie ist billig. Ein Hamburger beim
McDonalds. Ein Hamburger kostet 1,40 Euro, mit Pommes dazu 3,50 Euro. Und
jetzt behauptet wirklich einer ernsthaft, wir leben in einem Land, wo sich
Eltern kein Essen für Kinder leisten können.“
Kritisch äußerte sich Nehammer auch über die Sozialpartnerschaft, also den
seit Jahrzehnten etablierten Interessensausgleich zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern. Die Sozialpartnerschaft würde aber alle Reformen blockieren,
sagt Nehammer etwas kryptisch: „Über all das darf ich mich eigentlich gar
nicht unterhalten. Warum? Weil da kommt die Gewerkschaft daher und die
Wirtschaftskammer daher und sagt: Hee. Putz di. Sozialpartnerschaft. Putz
di.“ (Österreichisch für „Hau ab“, Anm. d. Red.)
## Schon wieder ein brisantes Video aus Österreich
Das [2][Video] entstand bei der Eröffnung einer Vinothek am 26. Juli in der
Salzburger Kleinstadt Hallein vor ÖVP-Funktionären, die um Nehammer
gruppiert stehen. Auch die Kanzleramts- und Verfassungsministerin Karoline
Edtstadler war bei dem Termin zugegen. „Ein informatives Treffen in
gemütlicher Atmosphäre“ nannte es tags darauf die ÖVP Hallein auf Facebook.
Diesen Mittwoch wurden die problematischen Aussagen des Kanzlers
öffentlich, gefolgt von breiter Kritik aller österreichischen
Parlamentsparteien.
„Die Menschen in Österreich haben sich einen Kanzler verdient, der sie
respektiert“, sagte SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler. Nehammer,
der 23.000 Euro pro Monat verdient, solle sich „darum kümmern, dass die
Leute sich die Mieten und die Preise im Supermarkt wieder leisten können,
statt in einer noblen Weinbar bei Käsehäppchen darüber zu philosophieren,
was man den Leuten als Nächstes wegnehmen könnte“.
Als „empathielos, menschenverachtend und abgehoben“ bezeichnete ihn
FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl. [3][Nehammer] sei „für den Job als
Bundeskanzler ungeeignet“. Kritik kam auch von Nehammers Koalitionspartner,
den Grünen. „Menschen in Not auszurichten, sie seien selbst schuld oder
sollen ihren Kindern Fast Food servieren, ist zynisch“, kommentierte der
grüne Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch.
Konkrete Forderungen nach Konsequenzen kamen von den Grünen nicht, auch
Vizekanzler Werner Kogler lavierte um eine klare Verurteilung der Aussagen
herum. Eine taz-Anfrage an ihn blieb unbeantwortet.
## „Österreich geht mit Armut um, als gäbe es sie nicht“
Auch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der sich in
vergleichbaren Fällen (etwa sein berühmtes „So sind wir nicht“ anlässlich
des Ibizavideos) an die Öffentlichkeit wandte, gab es am Donnerstag keinen
Kommentar.
Zahlreiche Vertreter von Hilfsorganisationen äußerten sich empört. „In
Österreich muss niemand verhungern oder im Winter erfrieren. Weil wir in
der Geburtsortslotterie einen Haupttreffer gezogen haben. Aber wer sagt,
dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit
der Menschen keine Ahnung“, sagte Michael Landau, Generalsekretär der
Caritas Österreich.
„Österreich geht mit Armut um, als gäbe es sie nicht. Nicht darüber
sprechen. Sie kleinreden, als unwichtig abtun. So schlimm ist das alles
nicht, sollen sich mal nicht so anstellen. Nehammers Video reiht sich hier
gut ein. Das ist der eigentliche Skandal“, schrieb Barbara Blaha vom
gewerkschaftsnahen Thinktank Momentum Institut.
In Österreich gibt es laut Statistik Austria 201.000 „besonders stark von
Armut betroffene“ Menschen, 40.000 mehr als im Vorjahr, wie es von der
Caritas heißt. Eine taz-Anfrage zu Nehammers Aussagen ließen
Bundeskanzleramt und ÖVP unbeantwortet.
28 Sep 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/lukas_abulesz/status/1707106888179945501
[2] /Dokus-ueber-Oesterreichs-Ex-Kanzler/!5959994
[3] /Oesterreich-gegen-Rumaenien-und-Bulgarien/!5951253
## AUTOREN
Florian Bayer
## TAGS
Österreich
Karl Nehammer
ÖVP
Schwerpunkt Armut
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