# taz.de -- Vorschlag für neues Waldgesetz: Könige der Forste | |
> Nach Dürren und Käferplagen: Während in Berlin Umweltschützer Ideen für | |
> ein Waldgesetz vorlegen, wollen in Mainz Jäger Privilegien retten. | |
Bild: Frisst gerne junge Laubbäume: Hirsch im bayerischen Voralpenland | |
Berlin taz | Im Wald steht derzeit alles in Frage: Wie er angesichts des | |
Klimawandels erhalten werden kann; wie sich künftig mit ihm Geld verdienen | |
lässt und wofür sein Holz verwendet werden sollte. Ob dieser | |
Herausforderungen passen die alten Waldgesetze auf Landes- und Bundesebene | |
nicht mehr und werden novelliert. Das zuständige Agrarministerium | |
erarbeitet gerade einen Vorschlag für ein neues Bundeswaldgesetz, der | |
demnächst in die beteiligten Ministerien geschickt und in die | |
Verbändeanhörung gehen soll. | |
Um die Diskussion voranzutreiben, haben die vier Umweltverbände DNR, DUH, | |
Nabu und WWF am Mittwoch in Berlin schon mal einen eigenen Vorschlag für | |
ein Bundeswaldgesetz gemacht. Dabei rücken sie den Wald als Lebensraum | |
[1][sowie als Wasser- und Kohlendioxidspeicher in den Mittelpunkt]. | |
„Wir brauchen einen neuen und langfristigen Gesellschaftsvertrag mit den | |
Waldbesitzenden, der dem Erhalt des Waldes als unsere Lebensgrundlage | |
dient“, sagt DNR-Geschäftsführer Florian Schöne, „Einkommen sollte nicht | |
nur durch forstliche Nutzung, sondern auch durch Honorierung von Schutz und | |
Erhalt des Waldes gesichert werden.“ Dabei müssten Bund, Länder und | |
Kommunen als Waldbesitzer „besonders verantwortungsvolle Standards“ | |
einhalten, forderte Jörg-Andreas Krüger vom Nabu. | |
Konkret sieht der Gesetzestext der Umweltverbände etwa vor, die | |
Entwässerung des Waldbodens zu verbieten. Dies sei angesichts von Dürren | |
und Hitze ein wichtiger Vorschlag, sagt Matthias Fischer von der Naturwald | |
Akademie, allerdings sei die „Praxis vor Ort extrem kompliziert“. Die | |
Regeln zum Wasserhaushalt beruhten zum Teil auf Gesetzen aus dem | |
Mittelalter, so Fischer. Alle Anlieger am Wasserabfluss haben ein | |
Mitspracherecht, also etwa Waldbesitzer, Bauern und Kommunen. | |
## „Der Aufwand wird unterschätzt“ | |
Fischer nennt ein „klassisches Beispiel“: Im Herbst tritt ein Waldbach | |
regelmäßig über die Ufer und überschwemmt ein anliegendes Maisfeld. Der | |
Landwirt, dem der Acker gehört, kann nun verlangen, dass kein Wasser vom | |
Wald auf das Feld fließt und der Waldbesitzer den Bach umlegt oder | |
zuschüttet. „Selbst wenn das Bundeswaldgesetz entsprechend geändert wird, | |
muss noch auf Ebene der Länder und Kommunen das Wasserrecht geändert | |
werden“, sagt Fischer, „der Aufwand wird unterschätzt“. Trotzdem sei es | |
gut, das Thema in das Bundeswaldgesetz aufzunehmen, denn das würde die | |
Richtung für die unteren staatlichen Ebenen vorgeben, so Fischer. | |
Weiter empfiehlt der Gesetzesvorschlag, die natürlichen Regenerationskräfte | |
des Waldes zu nutzen und diese Pflanzaktionen mit standortfremden Bäumen | |
vorzuziehen. Bäume sollen sich aussäen. Damit können sich Exemplare | |
ansiedeln, die mit den jeweiligen klimatischen Bedingungen zurechtkommen | |
und einen neuen Wald bilden – wie auch immer der dann aussehen mag. Auf | |
Naturverjüngung wollen viele Förster:innen setzen, schon, weil sie | |
kostengünstiger ist als Pflanzungen. | |
## Rehe und Hirsche fressen junge Laubbäume | |
Allerdings steht dieser Praxis der dichte Wildbestand in den deutschen | |
Forsten entgegen, denn Rehe und Hirsche fressen junge Laubbäume regelmäßig | |
ab. Und so findet in dem Vorschlag von DNR und Co auch das Jagdwesen an | |
verschiedenen Stellen Erwähnung: „Die Zielsetzung und Ausgestaltung der | |
Jagdausübung unterstützen die Ziele der Waldentwicklung im Sinne dieses | |
Gesetzes“, heißt es unter anderem. Was lapidar klingt, birgt Sprengstoff, | |
denn an neuen Regeln für Jäger:innen haben sich in den vergangenen | |
Jahren [2][verschiedene Landes- und Bundesregierungen die Zähne | |
ausgebissen]. Die Jägerschaft zeigt sich stets hervorragend organisiert und | |
verteidigt machtvoll ihre Interessen, aktuell in Rheinland-Pfalz. | |
Die grüne Klimaschutzministerin Katrin Eder arbeitet dort an einer Reform | |
des Jagdrechts; am Donnerstag wird der Landesjagdverband ihr dazu seine | |
Stellungnahme mit dem üblichen Getöse überreichen. Eder plant, die Rechte | |
der Waldbesitzer zu stärken, damit diese ihre Bäume besser vor Wildverbiss | |
schützen können. Ist der junge Wald in einem Gebiet gefährdet, sollen die | |
Besitzer dort selbst jagen dürfen, wenn sie im Besitz eines Jagdscheines | |
sind. Bis jetzt ist das nur Waldbesitzern mit sehr großen, | |
zusammenhängenden Flächen gestattet, die eine sogenannte Eigenjagd bilden. | |
Der ebenfalls grüne Umweltminister Axel Vogel [3][ist kürzlich mit einem | |
ähnlichen Vorschlag in Brandenburg gescheitert]. Nach einer aggressiven | |
Kampagne der Jägerschaft hatte am Ende Ministerpräsident Dietmar Woidke | |
(SPD), selbst Jäger, die Reform vom Tisch gefegt. Allerdings: Wenn derzeit | |
alles im Wald in Frage steht, dann wohl auch die Privilegien der Jäger. | |
11 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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