| # taz.de -- Eskalation in Nahost: „Es gibt hier keinen sicheren Ort“ | |
| > Was sagen die Menschen vor Ort zur Gewalt zwischen Israel und Hamas? Ein | |
| > Dekan aus Gaza, eine israelische Zivilistin und ein Reservist berichten. | |
| Bild: Palästinensische Rettungskräfte nach einen israelischen Luftangriff in … | |
| Tel Aviv taz | Wie nehmen die Menschen vor Ort die Gewalteskalation | |
| zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas wahr? Die taz hat am | |
| Montag einige Stimmen eingeholt. | |
| ## Wesam Amer, Dekan an der Universität Gaza | |
| Mit meiner Familie habe ich unser Haus im Süden von Gaza verlassen, wir | |
| halten uns jetzt in der Nähe auf. Die Situation hat sich in der letzten | |
| Nacht extrem verschlimmert. [1][Gaza ist von allem abgeschnitten]. Es gibt | |
| nur noch zwei Stunden am Tag Strom, die Wasserversorgung fällt immer wieder | |
| aus. | |
| Die israelischen Luftangriffe zielen jetzt auch auf Wohnhäuser, sodass | |
| Tausende Menschen aus ihren Häusern fliehen. Es gibt immer wieder Warnungen | |
| der Armee auf die Telefone der Nachbarn, sodass wir die Häuser verlassen | |
| und warten müssen, was sie bombardieren. Es gibt aber auch Angriffe ohne | |
| Warnung. Viele versuchen deswegen in den Schutzräumen des UN-Hilfswerks | |
| unterzukommen, die aber keinen vollkommenen Schutz bieten. Es gibt hier | |
| keinen sicheren Ort. | |
| Eine Eskalation wie die jetzige haben wir noch nicht erlebt. [2][Diese | |
| Widerstandsaktion der Hamas,] dass sie den Zaun durchbrechen und in | |
| israelische Siedlungen eindringen konnten, das hat uns überrascht. Ich | |
| hoffe darauf, dass Israels rechtsextreme Regierung daran zerbrechen wird. | |
| Ich rechne mit einer sehr heftigen Antwort Israels, die wiederum zu neuen | |
| Angriffen der Hamas führen wird. Und ich gehe davon aus, dass es zumindest | |
| einen teilweisen Einmarsch der israelischen Armee geben wird. Ich weiß | |
| nicht, wie wir uns darauf vorbereiten sollen. | |
| Ich habe eine deutsche Staatsbürgerschaft und versuche mit meiner | |
| schwangeren Frau Gaza über Ägypten zu verlassen, aber wir kommen nicht an | |
| die Grenze und die deutsche Vertretung hier ist nicht zu erreichen. Ich | |
| glaube, dieser Krieg wird noch sehr lange dauern. | |
| ## Ronit Farkash, Bewohnerin des israelischen Moschaws Tkuma | |
| Am Samstagmorgen war ich mit den Hunden spazieren, als die Sirenen | |
| eingesetzt haben. Hier in der Nähe von Gaza liegen zwischen dem Alarm und | |
| dem Einschlag 15 bis 30 Sekunden und unbewohnte Gebiete verteidigt der Iron | |
| Dome nicht, weil es zu teuer wäre. Also bin ich, so schnell ich konnte, | |
| zurück zu den Häusern gerannt. Ich lebe seit 20 Jahren im Moschaw Tkuma, | |
| etwa sieben Kilometer von Gaza entfernt, und mit mir mein Mann und zwei | |
| Töchter. Meine zwei ältesten Kinder sind bei der Armee. | |
| Wenn ich zurückschaue, ist es immer noch, als würde ich einen Film sehen. | |
| Wir wussten nicht, was passiert, bis wir auf den Bildschirmen unserer | |
| Kameras einen Pick-up mit Bewaffneten sahen. Ich glaube, wir hatten Glück, | |
| dass das Tor zu unserem Dorf wegen des Feiertags geschlossen war. Sie sind | |
| dann weitergefahren. Kurz darauf haben wir aus dem Nachbardorf Netivot | |
| Schüsse gehört. Danach kamen langsam die Nachrichten, [3][was passiert ist] | |
| und dass überall bewaffnete Terroristen auf den Straßen sind. | |
| Mein Mann wurde deswegen eingezogen, und weil ich nicht mit den zwei | |
| Kindern im Schutzraum bleiben wollte, sind wir trotz der Gefahr nach Norden | |
| gefahren. Dort bleiben wir jetzt, bis die Lage wieder unter Kontrolle ist. | |
| Ich weiß nicht, wie es hier weitergehen soll. Diese Dörfer, in denen die | |
| Hamas Menschen umgebracht und entführt hat, werden nie wieder dieselben | |
| sein. Viele Leute werden nicht zurückkehren und ihre Kinder aufziehen, wo | |
| ihre Freunde oder Nachbarn abgeschlachtet wurden. Wir vertrauen unserer | |
| Regierung nicht mehr, es hat jedes Gefühl von Sicherheit zerstört. | |
| Nach dem, was sie mit uns gemacht haben, will ich, dass die Armee etwas | |
| Drastisches unternimmt. Ich will, dass es diesmal [4][nicht bei | |
| Luftangriffen bleibt]. Ich will, dass sie jedes Mittel einsetzen, um auch | |
| den letzten Hamas-Anhänger zu treffen, selbst wenn es auf Kosten | |
| Unschuldiger geht. | |
| ## Shalom, israelischer Reservist aus Tel Aviv | |
| Bisher war ich als Reservist [5][an allen Operationen] beteiligt. Im | |
| Libanon und auch in Gaza. Es war für mich immer selbstverständlich, zu | |
| gehen, wenn „der Anruf“ kam: Um meine Familie und meine Freunde zu | |
| schützen. Sie haben mich jetzt wieder angerufen, und ich weiß noch nicht, | |
| was ich tun soll. Es fühlt sich sehr fremd an, nicht zu gehen. Den größten | |
| Teil meines Erwachsenenlebens war ich in Situationen wie diesen kein | |
| Zivilist. | |
| Doch diesmal ist es anders. Ich habe den Feiertag am Samstag mit meiner | |
| Partnerin bei ihrer Familie verbracht. Zu sehen, wie sich alles entwickelt | |
| hat, war schockierend. Wir kennen den üblichen Ablauf, es ist wie eine | |
| düstere Routine: Die Hamas oder die anderen Organisationen schießen | |
| Raketen, dann gibt es Luftangriffe und am Ende verhandelt Katar oder | |
| Ägypten einen Waffenstillstand. Aber seit klar wurde, was dort passiert | |
| ist, bin ich extrem wütend und traurig. Was wir erleben, ist anders als | |
| alles, was ich je erfahren habe. Ich glaube, selbst meine Eltern haben nie | |
| eine derart schlimme Situation erlebt. | |
| Ich kann nicht ignorieren, wie viel Macht unsere Politiker in den letzten | |
| 15 Jahren über die Situation hatten und wie ihre Politik der Hamas dabei | |
| half, zu wachsen. Dass es sehr wohl Chancen und Möglichkeiten gab, einen | |
| Dialog mit vernünftigeren Stimmen in der palästinensischen Gesellschaft zu | |
| suchen. Dass sie hätten verhindern können, dass sich eine Situation wie | |
| jetzt in Gaza jemals hätte so entwickeln können. | |
| Und wo war die Armee jetzt, als es passiert ist? Offenbar war ein Großteil | |
| im Westjordanland damit beschäftigt, Siedler dabei zu schützen, wie sie | |
| ihre Gottesdienste vor Palästinensern abhalten. Es ist verrückt, wie dünn | |
| besetzt die Grenze zu Gaza gewesen sein muss. | |
| Ich hoffe, dass es der Armee gelingt, die Hamas dort dieses Mal wirklich zu | |
| besiegen. Vielleicht kann sich dann auch die Situation für die | |
| Palästinenser wieder verbessern. Und ich glaube, dazu braucht es eine | |
| Bodenoffensive. Ob ich selbst gehe, weiß ich noch nicht. | |
| 9 Oct 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Felix Wellisch | |
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