# taz.de -- Asienspiele in China: Xi applaudiert Taiwan | |
> Der chinesische Staatspräsident Xi nutzt die Asienspiele zur | |
> Machtdemonstration. Dass er taiwanische Erfolge bejubelt, ist Teil der | |
> Propaganda. | |
Bild: Ginge es nach Xi, wären sie wohl Mannschaftskollegen: Basketballspieler … | |
Zum Abschluss der Asienspiele im südchinesischen Hangzhou feiert die | |
kommunistische Staatsführung der Volksrepublik die Erfolge ihrer | |
Athlet*innen. Bei dem größten Sportwettbewerb Asiens liegt China mit über | |
200 Goldmedaillen weit vor Japan und Südkorea. | |
Für Xi Jinping sind die Spiele aber vor allem eine Gelegenheit zur | |
politischen Propaganda. Höchstpersönlich eröffnete er die Asienspiele vor | |
rund zwei Wochen, unter anderem im Beisein des deutschen IOC-Präsidenten | |
Thomas Bach. | |
Beim Einlaufen der taiwanischen Delegation spendete Xi Jinping | |
Sonderapplaus, vom Staatsfernsehen wirkungsvoll inszeniert. Offizielle | |
Medien feiern Erfolge des taiwanischen Teams und zeigen dazu jubelnde | |
Heimfans. Peking tritt Taiwan gegenüber bei dem Turnier betont wohlwollend | |
auf. | |
## China inszeniert Taiwans Präsidentin als Separatistin | |
Das Vorgehen ist wohlkalkuliert. China beansprucht Taiwan [1][als Teil des | |
eigenen Staatsgebiets]. Am 1. Oktober, Jubiläumstag der Gründung der | |
Volksrepublik, bekräftigte Xi Jinping aufs Neue, dass die | |
„Wiedervereinigung mit Taiwan unabwendbar“ sei. Staatsmedien porträtieren | |
die taiwanische Regierung unter Präsidentin Tsai Ing-wen immer wieder als | |
„Separatisten“, die eigenmächtig dem Frieden in der Taiwanstraße | |
entgegenstünden. | |
Durch die Charmeoffensive bei den Asienspielen will Chinas Führung vor dem | |
eigenen Volk den Eindruck erwecken, die meisten Taiwaner*innen stünden | |
der Volksrepublik freundlich gegenüber – und gleichzeitig ihren Anspruch | |
auf die Insel untermauern. | |
Taiwans Teilnahme an internationalen Sportwettkämpfen ist vorbelastet. | |
Während auf den Straßen in Taiwan zur Vorbereitung des eigenen | |
Nationalfeiertags am 10. Oktober die Landesfahnen wehen, kann das Land bei | |
den Asienspielen nicht unter eigener Flagge und nur unter dem Namen Chinese | |
Taipei auftreten. Es ist ein Umgang, der sich bei internationalen Turnieren | |
etabliert hat; seit 1984 wird Taiwan unter diesem Titel auch bei den | |
Olympischen Spielen geführt. | |
Die Bezeichnung ist ein historisches Relikt. Denn sie stammt aus der Zeit | |
vor der Demokratisierung Taiwans unter der damaligen Kuomintang-Diktatur | |
(KMT). Die regierte bis 1949 als Republik China auch auf dem Festland. Nach | |
dem verlorenen Bürgerkrieg gegen die [2][Kommunistische Partei unter Mao] | |
floh die KMT-Führung nach Taiwan. | |
## Der Name ist ein Kompromiss | |
Die KMT sah ihren Staat ebenso wie ihrerseits die Volksrepublik als einzig | |
legitimes China an. Als in den 1970er Jahren immer mehr Staaten von der | |
KMT-Regierung abrückten und diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik | |
aufnahmen, machte der Wandel auch vor dem Sport nicht halt. | |
Die Volksrepublik wurde alleinige Vertreterin Chinas im Internationalen | |
Olympischen Komitee. Der Name Chinese Taipei war daraufhin ein Kompromiss, | |
„um es allen chinesischen Athleten zu ermöglichen, an Olympischen Spielen | |
teilzunehmen“, wie aus einem Memorandum der damaligen IOC-Führung | |
hervorgeht. | |
Heute können die meisten Menschen in Taiwan mit dem Namen jedoch wenig | |
anfangen. Denn die KMT-Diktatur ist Geschichte, und im Zuge der | |
Demokratisierung bildete sich eine eigene taiwanische Identität heraus. Die | |
große Mehrheit der Bevölkerung sieht sich laut jüngsten Studien der | |
National-Chengchi-Universität nicht mehr als chinesisch, sondern als | |
taiwanisch an. | |
Bei einer Volksabstimmung 2018 stimmte dennoch eine knappe Mehrheit | |
dagegen, bei Olympia und anderen Sportturnieren fortan unter dem Namen | |
Taiwan aufzutreten – aus Sorge vor Reaktionen Chinas und davor, fortan ganz | |
von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen zu werden. | |
Vor allem in Nischensportarten wie etwa dem [3][Breakdancing] bestehen | |
zwischen taiwanischen und chinesischen Sportler*innen auch | |
freundschaftliche Kontakte. Im Übrigen versuchen die meisten Athlet*innen, | |
Sportliches und Politisches zu trennen. „Ich habe mir um all das nicht | |
viele Gedanken gemacht. Ich bin für die Spiele hier“, sagte etwa der | |
Baseballer Lin Tzu-wei am Rande des Spiels gegen Hongkong. | |
Baseball ist seit der [4][japanischen Kolonialzeit] eine der beliebtesten | |
Sportarten in Taiwan. Das Männerteam schlug bei den Asienspielen unter | |
anderem China und holte am Ende die Silbermedaille. | |
Einige der taiwanischen Baseballspieler sind eigens zum Festakt für den | |
Nationalfeiertag geladen worden, um dort gemeinsam die Nationalhymne zu | |
singen – eine Anerkennung, die dem Team bei den Asienspielen versagt blieb. | |
9 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Leonardo Pape | |
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