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# taz.de -- Konzert von Britin Tirzah in Berlin: Super gutes Chaos
> Die R&B-Künstlerin Tirzah ist in der Trauma-Bar in Berlin aufgetreten.
> Songs von ihrem neuen Album „trip9love…???“ wirkten wie Zukunftsmusik.
Bild: Popsounds for Future: Tirzah
Ein einsamer heller Scheinwerfer erleuchtet Tirzah von hinten, ihr Körper
erzeugt ein schräges Schattenspiel im dunklen Raum. Die britische Musikerin
blickt Donnerstagnacht nach oben in den tiefen Himmel der Berliner Trauma
Bar, wo der Scheinwerfer die Technik-Takelage umspielt.
Ihr Sound klingt dank ihrer ausgebildeten Stimme auch mal wie slicker
90er-Jahre-R&B, aber die Sängerin setzt schroffe und düstere Musik dagegen,
Uptempo-Beats zittern wie ein Gewitter durch die Menge. Dann erklingt eine
kontemplative Pianomelodie, bis eine E-Gitarre einsetzt, aufs
Schmerzlichste verzerrt. Der sanft gehauchte Gesang von Tirzah erdet das
Ganze wieder.
Die Londonerin [1][Tirzah Mastin] und [2][ihre Produzent*in Mica Levi]
spielen mit Kontrasten. Das Hin und Her von Behaglichkeit und Albtraum, das
Levi auch schon in den Soundtracks für die Filme „Under The Skin“ und
„Jackie“ hineingeschrieben hat, durchdringt an diesem Abend ihr Konzert und
es ist auch ein Merkmal ihres dritten gemeinsamen Albums: In den Songs von
„trip9love…???“ treffen Pianos auf [3][zitternde Club-Beats, drückende
Bässe, viel Hall und Tirzahs assoziativen Gesang].
## Kreative Köpfe
Kennengelernt haben sich Mastin und Levi schon als Teenager auf der
englischen Musikschule „Purcell“. Mastin studierte Harfe, Levi Violine, war
aber meist im Technikraum anzutreffen. Heute sind Mastin und Levi Teil
einer Londoner Musikszene voller kreativer Köpfe, die auch am
Konservatorium mitmischt, jedoch Studios in Lagerhallen und Londoner Clubs
vorzieht. Die ersten Songs, die die beiden 2013 zusammen komponiert haben,
waren eingängige Tanzflächentracks.
Fünf Jahre danach erschien das kontemplativ-leidenschaftliche Debütalbum
„Devotion“ unter dem Namen Tirzah. Seitdem scheint die Musik von Tirzah und
Mica Levi immer zerfaserter zu werden, auch das neue Album mit dem
kryptischen Titel „trip9love…???“ versammelt viele collagenhafte
Geräuschmomente, kombiniert diese aber mit ungewöhnlich eindrücklichen
zittrigen Beats.
Störende Momente ziehen sich insgesamt durch die Musik, oft liegen mehrere
Pianos und Gesangssequenzen übereinander geschichtet. Tirzahs Stimme klingt
wie mit sich selbst im Disput. Bei der Deutschlandpremiere der neuen Songs
in Berlin am Donnerstag stehen rund 250 Leute dicht an dicht in totaler
Dunkelheit, bevor Tirzah auf die Bühne kommt.
## Verzerrte Gruselgitarre
„Hey, thank you for your patience“, begrüßt die Londonerin die Menge aus
Expats und Kunstvolk. Wieder wird das Publikum von einer verzerrten
Gruselgitarre empfangen, kontrastiert vom Piano. Die Musik wird aber vom
DJ-Pult eingespielt. Tirzah verzichtet auf eine Liveband, ebenso wenig ist
Mica Levi in Berlin dabei. [4][Ihr Kollege Coby Sey] fährt die Tracks ab,
er ist – genau wie Tirzah und Levi – Teil des Musik-Kollektivs Curl.
„Promises, promises / Deals, deals, deals“ haucht Tirzah. Ihre Worte
klingen assoziativ und abstrakt wie nokturne Kinderreime. Wie die Musik
sind ihre Songtexte eher Wortschleifen und leben vom Loop, gängige Schemata
wie Strophen und Refrains wirken oftmals gebrochen. „Some bridges burn /
Didn’t you know / Fade / Lo-lo-lo-lonely“, haucht die Britin etwa in „The…
Love“, ihre Stimme scheint immer mehr zum Echo ihrer selbst zu werden, die
sie umkreisenden Pianos immer schräger.
Und da ist es wieder, das Albtraum-Moment, umschmeichelt von Tirzahs
sanfter Stimme. Wo sie auf dem Album zwischen der Musik herumwabert, ist es
in Berlin am Donnerstag so laut, dass sie fast nicht zu hören ist. Als
würde Tirzah selbst von den musikalischen Donnerblitzen überrollt werden.
Die Nacht versinkt im Chaos – in a good way.
22 Sep 2023
## LINKS
[1] /Neuer-Artschoolpop-von-Britin-Tirzah/!5804816
[2] /Neues-Album-von-Good-Bad-Happy-Sad/!5727035
[3] /Neuer-Artschoolpop-von-Britin-Tirzah/!5804816
[4] /Musiker-Coby-Sey-aus-London/!5911722
## AUTOREN
Diviam Hoffmann
## TAGS
London
Konzert
Neues Album
Dubstep
Punk
elektronische Musik
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