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# taz.de -- Französische Serie auf Arte: Außer Kontrolle
> Tollpatsche hinter den Kulissen der Macht: Die Polit-Comedy „Unter
> Kontrolle“ macht alles richtig und stellt klar: Deutsche bleiben unter
> den Opfern.
Bild: Marie Tessier (Léa Drucker) wird der Job als Außenministerin angeboten.…
Neulich habe ich geträumt, ich sei zur Außenministerin ernannt worden und
müsse sehr schnell den ein oder anderen politischen Brandherd löschen. Ich
wachte schweißgebadet auf, Laken und Kissen waren zerwühlt und das Herz
pumperte bis in die Mittagsstunden hinein. Man möchte eben nicht tauschen
mit den realen Amtsinhaber:innen, ahnt, wie nervenaufreibend dieser Job
sein muss, und haut doch relativ schnell Hohn und Spott raus, [1][wenn was
schief geht,] beim Verhandeln um Weltfrieden und Ländergrenzen.
Das internationale Parkett ist eben nur morsches Gebälk über brodelnder
Lava; und glücklich darf sich schätzen, wer ohne Ehrgeiz im Kampf um Posten
und Status ist und Nachrichten lieber nur guckt anstatt sie selber zu
machen. [2][Die französische Comedy-Serie „Unter Kontrolle“] nimmt sich in
sechs Folgen vor, den ganzen Irrsinn rund um dieses spezielle politische
Amt vorzuführen. Und wenn ich vorgreifen darf: Das Unterfangen gelingt!
Der Schriftsteller Charly Delwart (sein Buch [3][„Leben in Zahlen“ ist auch
auf Deutsch erschienen]) hatte die Idee zu dem Projekt und ließ sich
inspirieren, v[4][om US-amerikanischen Sitcom-Format „Veep“,] das den
Alltag einer fiktiven US-Vizepräsidentin abbildet. Warum, so der Plan,
nicht das Herumstochern in Krisenherden aus europäischer Sicht erzählen:
„Unter Kontrolle“ begleitet die Ärztin Marie Tessier (gespielt von der
wundervollen Léa Drucker, die bisher eher in dramatischen, ernsten Rollen
zu sehen war) über ihren Weg vom einer humanitären NGO zur eher zufällig
ernannten Außenministerin Frankreichs, bis in einen Karriereknick hinein.
Ohne Ahnung vom Posten zu haben, aber ausgestattet mit viel
Menschenfreundlichkeit, Ambition und gutem Willen, ist ihre erste
Amtshandlung, das Verhandeln mit Entführern in der Sahel-Zone, die fünf
Europäer unterschiedlicher Nationalitäten in ihrer Gewalt haben und ein
erhebliches Lösegeld fordern. Ihr zur Seite gestellt ist ihr Kabinettschef
(Samir Guesmi), der mit ihr durch Dick und Dünn geht, jedoch immer wieder
überfordert ist von ihren Schnellschüssen und Fehlleistungen.
## Hemmungslos unempathisch
Tessier, selber zunehmend gestresst und hineingezogen in nervenaufreibende
Verhandlungen und Absprachen mit europäischen Amtskolleg:innen, die
ihrerseits um die Freilassung der eigenen Landsleute kämpfen, tappst
fassungslos, mit halboffenen Mund, in ihrer neuen Realität herum. Welche
Geisel ist wie viel Geld wert und warum? Über diese und ähnliche Fragen
wird am Rande internationaler Panels hemmungslos unempathisch debattiert.
Der deutsche Gefangene sei, so wird z. B. argumentiert, immerhin ein
bekannter Regisseur und müsse allein aus Publicitygründen schnell befreit
werden, was mit dem bösen Satz: „Es gibt keine bekannten deutschen
Regisseure!“ zurückgewiesen wird. Mit irrem Wortwitz und einer hierzulande
oft schmerzlich vermissten Gag-Dichte bollert sich die Hauptfigur hektisch
durch ihr Amt, wobei ihr ständig private Probleme in die Quere kommen.
Äußerlich und innerlich immer zerzauster wirkend, unterlaufen ihr peinliche
Fehler. Auch die Entführer werden satirisch vorgeführt, wenn sie, in einer
merkwürdig durchorganisierten Wüsten-Bürostruktur festhängend, das Chaos,
das Tessier während der Verhandlungen anrichtet, nicht fassen können. Warum
fließt das Lösegeld nicht? Das hat doch sonst immer so gut geklappt?
Das systematische Verschleppen und Freilassen von Geiseln gegen Cash als
Geschäftsprinzip, von dem, wenn es gut läuft, durchaus alle Seiten
politisch und wirtschaftlich profitieren können, wird hier aus
romantisch-humanitären Gründen durchkreuzt und verursacht Chaos auf allen
Seiten. Dass Tessier zum Schluss, mittlerweile zur Sportministerin
degradiert, alle Kohlen doch wieder aus dem Feuer zu holen vermag, ist
ihrer Unerschrockenheit und Wut auf Männer mit Macht und Hybris zu
verdanken.
„Unter Kontrolle“ ist atemlos und wunderbar furchtlos erzählt. Lediglich 30
Minuten dauert eine Episode – eine weise Entscheidung der Showrunner, weil
man zwischendurch dringend Atempausen benötigt. Tolle Dialoge, ein
Spitzenensemble – europäische Außenpolitik wurde noch nie schöner
verkackeiert!
27 Sep 2023
## LINKS
[1] /Deutschland-zu-braun/!5959558
[2] https://www.arte.tv/de/videos/104913-001-A/unter-kontrolle-1-6/
[3] https://www.deutschlandfunkkultur.de/charly-delwart-leben-in-zahlen-buchkri…
[4] /Das-ist-mehr-als-House-of-Cards-in-lustig/!5421497/
## AUTOREN
Rebecca Spilker
## TAGS
Comedy
Schwerpunkt Frankreich
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