# taz.de -- Die Wahrheit: Palmers neuer alter Bart | |
> Reflektion über den eigenen Umgang mit womöglich rassistischen | |
> Stereotypen ist wichtig. Boris Palmer will sie einfach nicht gelingen. | |
Bild: „Für mich ist es Luxus, hin und wieder erster Klasse zu fahren“ | |
Vor Kurzem saß der Ex-Grüne Boris Palmer in einem der Halbschalensesselchen | |
in Markus Lanz’ Fernsehstudio und präsentierte ein achtelherziges Mea | |
culpa. Die Redaktion hatte ihn mit den Worten angekündigt: „Nach | |
Rassismusvorwürfen hat sich der parteilose Tübinger OB eine Auszeit | |
genommen.“ Palmer wolle in der Sendung „zu dem Eklat“ Stellung nehmen. | |
Zunächst fiel jedoch Palmers neuer Facial-Hair-Style ins Auge. Er hatte | |
sich von seinem rebellischen unrasierten Bartschatten-Look verabschiedet, | |
um sich in der einmonatigen Auszeit einen voluminösen | |
Tippi-Toppi-Oppa-Vollbart wachsen zu lassen. Wohl um reifer zu erscheinen. | |
Es fehlten nur noch Strickjacke und Pfeifchen – und das neue Image wäre | |
perfekt gewesen. | |
Tatsächlich begann Palmer auch kurz mit einer scheinbar altersweisen | |
Introspektion: Der Entschluss für seinen temporären Rückzug sei gefallen, | |
nachdem er über den Vorfall vor dem Unigebäude in Frankfurt nachgedacht | |
habe. Dort hatte er vor aufgeregten jungen Menschen darauf bestanden, dass | |
man in bestimmten Zusammenhängen sehr wohl das N-Wort benutzen dürfe, zum | |
Beispiel, wenn man darüber diskutiere, ob man das N-Wort benutzen dürfe. | |
Zum Beweis benutzte er das N-Wort dann gegenüber einem jungen schwarzen | |
Mann, der ihn zuvor aufgefordert hatte, ihm das N-Wort doch ins Gesicht zu | |
sagen. Als die aufgeregten jungen Menschen daraufhin noch aufgeregter | |
wurden, behauptete Palmer, ihn wiederum als Nazi zu bezeichnen, nur weil er | |
das N-Wort benutze, sei „nichts anderes als der Judenstern“. So weit, so | |
dumm, so wenig überraschend. | |
In Lanz’ Sendung folgte dann Palmers vorgebliche Reflexion. Kurz dachte man | |
tatsächlich: Na, ist da womöglich was passiert im Oberstübchen? Aber | |
schnell machte Palmer klar, das Problem liege einzig bei seiner | |
Impulskontrolle. Daran müsse er arbeiten. Das habe er während eines | |
Coachings in der Auszeit verstanden. Deswegen sage er jetzt zu bestimmten | |
Themen gar nichts mehr. Eine Therapie sei das übrigens nicht gewesen. Die | |
brauche er nicht. Das habe er checken lassen. | |
Abgesehen davon, dass Palmer sich inzwischen längst wieder zu „bestimmten | |
Themen“, also zu Fragen von Flucht und Migration äußert, war es auch in der | |
Sendung schon offensichtlich, dass er über seine wahren Defizite noch nicht | |
mal im Ansatz nachgedacht hatte. Vor allem nicht über seine Obsession | |
bezüglich der Herkunft von Menschen. Aber danach hatte sein vermutlich | |
hochbezahlter Coach ihn wohl auch nicht gefragt. Palmer selbst kapiert ja | |
überhaupt nicht, dass er dieses Problem hat. Wodurch er es ununterbrochen | |
potenziert. | |
Dabei ist es gar nicht schwierig: Wir alle denken immer wieder in | |
Stereotypen, auch in rassistischen. Weil wir damit aufgewachsen sind. Wenn | |
wir das wissen, können wir verhindern, dass sie uns bestimmen. Das nur so | |
als ganz therapiefreies Kurz-Coaching, Herr Palmer. Völlig umsonst. Immer | |
wieder gerne. | |
27 Sep 2023 | |
## AUTOREN | |
Hartmut El Kurdi | |
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