| # taz.de -- Die Wahrheit: Die Partei, die Partei … | |
| > … hat nun das „Bündnis Sahra Wagenknecht“. Egomaner geht es nicht. | |
| > Wahlentscheidungen lassen sich da wohl bald wieder mit Würfelhilfe | |
| > treffen. | |
| Ich kenne Menschen, die grundsätzlich nicht wählen gehen. Sie trauen dem | |
| System nicht, halten sich für zu klug oder zu cool, um bei einem solch | |
| durchschaubaren Spiel mitzumachen: „Wer seine Stimme abgibt, hat keine | |
| mehr.“ Oder sie meinen, alle Parteien müffelten nach spießigem Ortsverein | |
| und Kneipenhinterzimmergekungel. Außerdem strebten nur Egozentriker und | |
| Narzissten nach politischer Macht. Undsoweiterundsofort. | |
| Manche der Verweigerungsargumente sind Verschwörungskäse, manche nicht ganz | |
| falsch, einige auch richtig. Trotzdem bin ich bisher immer wählen gegangen. | |
| Meinetwegen weil ich zu naiv oder uncool bin. In letzter Zeit allerdings | |
| vor allem, um meinen bescheidenen Anteil zu leisten, den Nazi-Balken | |
| möglichst niedrig zu halten. | |
| Ein paar Jahre lang wählte ich – je nach Parlament, antretendem Personal | |
| und allgemeiner politischer Lage – mal Grün, mal SPD, mal ‚Die Linke‘. M… | |
| mehr oder weniger starken Bedenken und Bauchschmerzen. Manchmal ließ ich in | |
| der Wahlkabine auch einfach meinen modifizierten | |
| Spitz-Pass-auf-Farbenwürfel entscheiden: Den weißen Punkt hatte ich | |
| dunkelrot übermalt – und bei Schwarz, Gelb oder Blau durfte ich den Wurf | |
| wiederholen. | |
| Irgendwann reichte es allerdings, eine Münze zu werfen, weil es nur noch | |
| zwei einigermaßen akzeptable Optionen gab. Die Linke hatte sich für mich | |
| durch die zunächst unterschwellige, dann deutlich ausländerfeindliche | |
| Haltung Sahra Wagenknechts zur Migration disqualifiziert. 2017 erklärte sie | |
| noch am gesamtdeuschen Wahlabend den AfD-Erfolg damit, dass „man“ es sich | |
| mit der Flüchtlingsfrage „zu einfach“ gemacht habe. Damit warf sie | |
| offiziell die Angel nach rechts aus, und ich weiß noch, wie ich dachte: „Äh | |
| … darf ich bitte nochmal wählen?“ | |
| ## Demagogischer Neologismus | |
| Als Wagenknecht dann den Begriff „Lifestyle-Linke“ erfand, amüsierte mich | |
| diese Selbstentlarvung. Ich überlegte sogar, eine Band mit dem Namen | |
| „Kosmopoliten mit proletarischem Migrationshintergrund / Prekäre | |
| Lifestyle-Linke“ zu gründen. Klar war, dass sie mit diesem demagogischen | |
| Neologismus versuchte, alle Linken zu diskreditieren, die nicht in ihr | |
| provinziell-sozialistisches Weltbild passten. | |
| Ab diesem Zeitpunkt war die neue Richtung formuliert: Gegen „woke“ | |
| Minderheitenrechte und für eine wirtschaftlich zwar linke, gesellschaftlich | |
| aber reaktionäre Politik. Ihre Coronamaßnahmen-Polemik, ihr | |
| Putin-Verstehertum und das Querfront-Gekuschel des Wagenknecht-Getreuen | |
| Diether Dehm mit Ken Jebsen waren nur noch Zugaben. | |
| Nun also das „Bündnis Sahra Wagenknecht“. Respekt! Egomaner geht es nicht. | |
| Für mich heißt das immerhin, dass ich meine nächsten Wahlentscheidungen | |
| vielleicht wieder mit Würfelhilfe treffen kann. In Gefahr, Wagenknecht zu | |
| wählen, komme ich so garantiert nicht. Mein Farbenwürfel hat keine Seite | |
| mit Rentner-Windjacken-Beige. | |
| 25 Oct 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Hartmut El Kurdi | |
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