| # taz.de -- RBB-Staatsvertrag: Ein schmaler Grat | |
| > Ein außer Kontrolle geratenes System wie den RBB wieder einhegen und doch | |
| > komplette Staatsferne wahren, kann eigentlich gar nicht funktionieren. | |
| Bild: Wieviel Staatsferne muss es, wieviel darf es sein? Seit Montag gibt es de… | |
| Wer zahlt, bestellt. Oder, bildhafter auf Englisch: He who pays the piper | |
| calls the tune. Einer der wenigen Bereiche, in denen diese sonst gängige | |
| Regel nicht gilt, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk. In der | |
| Hauptstadtregion ist das der RBB, für den die beteiligten Länder Berlin und | |
| Brandenburg am Montag den Entwurf eines neuen Staatsvertrags vorgelegt | |
| haben – in einer Zeit, in der diese Unabhängigkeit unter Druck steht. | |
| Der RBB ist wie die anderen acht ARD-Landesrundfunkanstalten zwar | |
| finanziert vom Staat über die Rundfunkgebühren, aber eben nicht | |
| weisungsgebunden. Basis dafür ist das Grundgesetz, genauer: Artikel 5, | |
| Absatz 1, Satz 2. Dieser Satz schreibt [1][nach Auslegung des | |
| Bundesverfassungsgerichts] für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Vielfalt | |
| und „die Wahrung einer hinreichenden Staatsferne“ vor. Das hat seinen | |
| Grund: Zwischen 1933 und 1945 war der staatlich gesteuerte Rundfunk eines | |
| der wichtigsten NS-Propagandamittel, was die Alliierten nach 1945 zum | |
| Aufbau eines Rundfunks nach Vorbild der britischen BBC veranlasste. Doch | |
| wieviel Staatsferne ist „hinreichend“? | |
| Fast jede einzelne Festlegung im [2][Staatsvertrag] ist im Grunde eine | |
| Einmengung. Wieviel darf es sein, wieviel muss es aber auch sein? Denn nach | |
| den Enthüllungen über verschiedene Fehlentwicklungen beim RBB – von üppig | |
| gewordenen Vergütungen bis hin zu unternehmerischen Fehlplanungen und | |
| falschen Schwerpunktsetzungen – kam auch die Frage auf: Hätten die | |
| zuständigen Leute in der Berliner Senatskanzlei beziehungsweise der | |
| Staatskanzlei in Potsdam nicht, wie auch immer, tätig werden und | |
| einschreiten müssen? | |
| Am Montag bei der Vorstellung des neuen Entwurfs fiel dabei der Begriff der | |
| Rechtsaufsicht – die Pflicht, sicherzustellen, dass der Sender die Vorgaben | |
| des Staatsvertrags einhält. | |
| Rechtsaufsicht? Einschreiten des Staats bei einer formal nicht | |
| weisungsgebundenen Stelle? Das erinnert stark an die Debatte über die | |
| [3][Pannen bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zum Bundestag] im | |
| September 2021, die zur Wiederholungswahl in diesem Februar führten. Denn | |
| die Wahlen zu organisieren, war und ist eben nicht Aufgabe der | |
| Senatsverwaltung für Inneres, sondern der Landeswahlleitung. Wann war was | |
| zu erkennen, bei dem Rechtsaufsicht und damit ein Eingreifen des Staats | |
| gefragt war? | |
| ## Gedeckeltes Intendantengehalt | |
| Genau das ist auch beim RBB die Frage: Ab wann ist bei der Staatsferne auf | |
| „Pause“ zu drücken, weil Dinge aus dem Ruder laufen? Wie stark müssen | |
| deshalb die Vorgaben eines Staatsvertrags sein, um als Leitplanken | |
| Möglichkeiten zum Eingriff zu bieten? Wie stark dürfen sie zugleich sein, | |
| damit ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht zum Staatssender zu werden | |
| droht. | |
| Viele Passagen im neuen Entwurf enthalten daher ein „soll“ oder noch | |
| vorsichtiger ein „sollte“. Lediglich Empfehlungen seien das, war am Montag | |
| zu hören. Ob es tatsächlich dazu kommt, liegt weiter in der Hand der von | |
| gesellschaftlichen Gruppen wie Parteien und Verbänden besetzten Gremien des | |
| Senders. Weit einfacher war es da, das künftige Intendantengehalt zu | |
| deckeln, indem es an das gebunden ist, was ein Mitglied des Berliner Senats | |
| laut Gesetz verdient. | |
| Dass zu den neuen Leitplanken im Staatsvertrag künftig Vorgaben gehören | |
| sollen, wer welche Kompetenzen mitbringen muss, um Mitglied des | |
| Verwaltungsrats zu werden, ist grundsätzlich gut. Wobei sich hier wiederum | |
| die Frage aufdrängt: Hat es nicht jenseits von vertraglichen Festsetzungen | |
| schon immer gesunder Menschenverstand nahegelegt, befähigte Leute in | |
| Gremien zu senden? Es braucht kein Gesetz und keine Vorgaben, um zu wissen, | |
| dass Menschen eine Unternehmensspitze besser kontrollieren können, wenn sie | |
| vorher schon mal eine Bilanz nicht nur gelesen, sondern auch verstanden | |
| haben. | |
| Insofern können es diejenigen, die Schriftsätze wie den jetzt vorgelegten | |
| RBB-Vertragsentwurf schreiben, nur falsch machen, in die eine wie in die | |
| andere Richtung. Dass es nach der Präsentation am Montag keinen solchen | |
| Aufschrei gab, deutet darauf hin, dass die beteiligten Staatssekretäre – | |
| Benjamin Grimm (SPD) in Potsdam und Florian Graf (CDU) in Berlin – einen | |
| Mittelweg gefunden haben, den es bei derart widerstreitenden Interessen | |
| eigentlich gar nicht gibt. | |
| 1 Sep 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundestag.de/resource/blob/491782/8c8d23b7383fcfc5ba6c7471081e9… | |
| [2] https://www.rbb-online.de/unternehmen/der_rbb/struktur/grundlagen/mediensta… | |
| [3] /Wahlchaos-in-Berlin/!5800755 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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