| # taz.de -- Spielfilm „Willie and Me“: Dem Countrystar sein Schuhplattler | |
| > Eva Hassmanns „Willie and Me“ wurde nur möglich, weil Willie Nelson | |
| > selbst mitspielt. Am Mittwoch eröffnet der Spielfilm das Oldenburger | |
| > Filmfest. | |
| Bild: Gutes Gespür für Situationskomik: Eva Hassmann und Willie Nelson als ge… | |
| Willie Nelson tanzt einen Schuhplattler – ein Film mit solch einer Szene | |
| kann nicht ganz schlecht sein! „Willie and Me“ wäre zwar ganz sicher zu | |
| keinem anderen renommierten Filmfestival als Eröffnungsfilm eingeladen | |
| worden. Aber es ist ja gerade eine Qualität des Filmfestes in Oldenburg, | |
| dass dort die schrägen, im wahren Sinn des Wortes unabhängigen | |
| Filmproduktionen eine Chance bekommen. | |
| Und für Oldenburg passt der Film auch ideal: Regisseurin, Drehbuchautorin, | |
| Produzentin und Hauptdarstellerin des Films Eva Hassmann hat ihre Karriere | |
| dort als Schauspielerin am Staatstheater begonnen. Bekannt wurde sie durch | |
| ihre Ehe mit [1][Otto Waalkes]. Inzwischen lebt und arbeitet sie in Los | |
| Angeles. | |
| „Willie and Me“ ist denn auch eine US-amerikanische Filmproduktion – mit | |
| autobiografischen Bezügen, denn auch die Protagonistin des Films ist eine | |
| Deutsche, die in die USA geht: Greta Weingarten ist eine sehr dem Klischee | |
| entsprechende Hausfrau, die seit ihrer Kindheit den Countrysänger | |
| [2][Willie Nelson] anbetet. Als die Kunde von dessen allerletztem | |
| Konzertauftritt in Las Vegas die Runde macht, gibt es für sie kein Halten | |
| mehr. Greta verkauft den Porsche ihres Ehemanns, steckt in der Eile schnell | |
| noch unabsichtlich ihr Vorstadteigenheim in Brand und fliegt nach Los | |
| Angeles. | |
| Dort wird ihr in Rekordzeit ihr Geld gestohlen und sie strandet in einem | |
| heruntergekommenen Hotel. Ihren Anschlussflug hat sie selbstverständlich | |
| auch verpasst. Ausgerechnet ein Elvis-Imitator wird ihr rettender Engel, | |
| und mit seiner Hilfe beginnt sie eine abenteuerliche Reise durch die Wüste | |
| von Kalifornien nach Nevada. | |
| Referenzfilme sind hier eindeutig „Out Of Rosenheim“ von Percy Adlon und | |
| [3][„Mystery Train“] von Jim Jarmusch: im Ersteren ist eine deutsche | |
| Hausfrau „Fish out of the Water“ in der Wüste des amerikanischen Westens. | |
| Jarmuschs Film ist Referenz, weil da Nicht-Amerikaner*innen zu den | |
| Popikonen Amerikas pilgern. | |
| Bei Jarmusch spielt zudem ebenfalls die Rezeption eines billigen Hotels | |
| eine große Rolle, denn dort regiert bei ihm Screamin’ Jay Hawkins als ein | |
| sehr komischer Nachtportier. | |
| Eva Hassmann ist in „Willie and Me“ ein ähnlich spektakulärer | |
| Besetzungscoup gelungen. Bei ihr steht der Regisseur und Filmhistoriker | |
| [4][Peter Bogdanovich] hinter dem Hotelcounter. Er starb Anfang 2022 und | |
| dies war sein letzter Filmauftritt. Als Hotelangestellter, den nichts mehr | |
| überraschen und aus der Ruhe bringen kann, spielt er im Grunde noch einmal | |
| sich selbst als einen altgedienten Profi – ähnlich wie den Psychoanalytiker | |
| in „The Sopranos“ – ein angemessener Abgang. | |
| Aber Hassmanns Film gibt es nur, weil Willie Nelson darin mitspielt. Und | |
| zwar gleich in einer Doppelrolle: als der Countrystar bei seinem | |
| vermeintlich letzten Konzert und als geheimnisvoller, unter einer Kutte | |
| verborgener Wüstenbewohner, der ganz in Schwarz gekleidet Gretas rettender | |
| Engel wird. | |
| Viel mehr als ein oder zwei Drehtage wird der Weltstar nicht gehabt haben, | |
| aber die Aufnahmen mit ihm geben dem Film ein spektakuläres Finale – bei | |
| dem Willie Nelson sehr komisch an den vielen Buchstaben in deutschen | |
| Nachnamen scheitert und, wie schon erwähnt, einen Schuhplatter zum Besten | |
| gibt. | |
| Am besten funktioniert „Willie and Me“ dabei als [5][Roadmovie]: Eva | |
| Hassmann ist immer dann gut, wenn sie als die unbeholfene Deutsche mit | |
| schwerem Akzent und viel naiver Ahnungslosigkeit in absurde Situationen | |
| stolpert. So wird sie zum Opfer einer frommen Kleinfamilie von Autodieben | |
| und trifft eine in einem [6][Rollstuhl] tanzende Bardame. | |
| Hier zeigt Hassmann, die im Jahr 2006 als die Regisseurin des Kurzfilms | |
| „Mad Lane“ auf viele internationale Filmfestivals eingeladen wurde, dass | |
| sie mit einem guten Gespür für Situationskomik inszenieren kann. Als | |
| Musikfilm ist „Willie and Me“ dagegen mit ein paar kurzen | |
| Konzertausschnitten und immerhin vielen von Nelsons Songs im Soundtrack | |
| eher enttäuschend. | |
| Der Film ist in den USA und für ein US-amerikanisches Publikum produziert | |
| worden. Ausgerechnet bei den in der deutschen Sprache gedrehten Sequenzen | |
| gibt es deshalb ein paar Patzer, die einem deutschen Publikum sofort | |
| auffallen werden. Eva Hassmann hat mit deutschen Schauspieler*innen | |
| gedreht, die etwa Greta Weingartens Ehemann, ihre Mutter sowie ein Paar | |
| bayrische Polizisten spielen. Doch für eine kleine Rolle war offensichtlich | |
| kein native speaker mehr in Hollywood zu finden. So gibt es eine Sequenz, | |
| in der ein vermeintlich Deutscher mit ein paar offensichtlich phonetisch | |
| auswendig gelernten Dialogsätzen ringt. | |
| Doch dies dürfte bei der Weltpremiere am Mittwochabend in Oldenburg eher | |
| für Lacher als Irritationen sorgen. Für Eva Hassmann wird es ohnehin ein | |
| Heimspiel werden: Die Eröffnungsgala des Oldenburger Filmfest ist eher ein | |
| gesellschaftlicher Anlass als ein cineastisches Ereignis und die | |
| Prominentendichte auf dem roten Teppich ist da wichtiger als die Qualität | |
| des Films. | |
| Doch manchmal klappt es auf beiden Ebenen. So war etwa 2012 Jan-Ole | |
| Gersters „Oh Boy“ der Eröffnungsfilm in Oldenburg und dort bekam er auch | |
| die ersten beiden von vielen Filmpreisen. | |
| „Willie and Me“ hat als Komödie, die gute Laune verbreitet, das Potenzial | |
| dazu, ebenfalls ein Lieblingsfilm des Festivals zu werden. Die Chancen, | |
| dass neben der verlorenen Tochter Oldenburgs Eva Hassmann auch Willie | |
| Nelson kommt, sind allerdings gering. | |
| 12 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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