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# taz.de -- Neue Werbekampagne in Brandenburg: Die Dialektik der Provinz
> Motzen, Kotzen, Ranzig. Brandenburg hat nicht nur hübsche Ortsnamen.
> Ausgerechnet mit denen will das Land nun werben. Das geht gründlich
> daneben.
Bild: Hamburg hat schon 2017 einen Gruß nach Brandenburg geschickt
Ob das jemand versteht in Hamburg oder München? Den bisherigen Slogan des
Brandenburg-Marketings – „Es kann so einfach sein“ – konnte jeder
verstehen. Aber werben mit Komtzen, Motzen, Ranzig und Sargleben?
Die Brandenburger Staatskanzlei will es mal ausprobieren, wenn auch nur bis
zum Tag der Deutschen Einheit. Einen Monat will die Mark, die sonst mit
ihrer Idylle hausieren geht, mit Orten auf sich aufmerksam machen, bei
denen man das Gegenteil vermutet. Neben Kotzen, Motzen, Ranzig und
Sargleben sind das Pitschen-Pickel, Protzen, Sauen, Kackrow und Knoblauch.
„Schöne Orte“, [1][heißt es dazu aus der Staatskanzlei,] „brauchen keine
schönen Namen.“
Ach, hätten die Verantwortlichen in Potsdam sich doch ein Beispiel an
Stuttgart genommen. „Wir können alles außer Hochdeutsch“ war ein geniales
Sich-auf-die-Schippe-Nehmen. Seitdem freilich hängt die Latte hoch, und
manchmal bringt bemühte Selbstironie nur ein gequältes Lächeln hervor wie
beim „Land der Frühaufsteher“ in Sachsen-Anhalt.
Ein Blick über den märkischen Tellerrand hätte auch gezeigt, dass die
wirklichen „Schockorte“ wo ganz anders liegen. [2][Der RBB hat sich die
Mühe gemacht], sie aufzuzählen und ist vor allem in Bayern fünfig geworden:
Oberkotzau, Pups, Petting, Feucht, Sack, Tuntenhausen. Wie werden sie wohl
in München reagieren, wenn im Radio ein Brandenburg-Spot aus Ranzig läuft?
Mit Schenkelklopfen?
Oder mit einem Oha! Denn selbstredend ist die Kampagne nicht
eindimensional, sondern höchst vielschichtig. Nicht nur die unschönen
Namen werden genannt, sondern auch, was die Orte an Schönem zu bieten
haben.
## Der Witz wird sogar erklärt
Über Ranzig heißt es zum Beispiel: „Hier riecht nichts schlecht! Weder die
beliebte Wurst der hiesigen Agrargenossenschaft noch das klare Wasser des
Ranziger Sees. Einheimische und Camper reden deshalb auch eher über die
kleine, aber feine Attraktion am Ortsrand: Brandenburgs einzige
Handseilzugfähre bringt seit über 20 Jahren Hund, Katz und Maus und nicht
zuletzt Touristen aus aller Welt trockenen Fußes von Ranzig nach Leißnitz.“
Echt jetzt? Ein bisschen ist das so, als ob die Werbung aus
Baden-Württemberg am Ende erklärt, dass es schon ein paar Schwaben gibt,
die auch Hochdeutsch können.
Aber vielleicht tut man der neuen Kampagne auch unrecht mit solcher
Spitzfindigkeit. Vielleicht entspringt sie sogar einem pädagogischen
Anliegen. All die unschönen Namen nämlich, heißt es auf der offiziellen
Werbeseite, hätten einen slawischen Ursprung. Gehen wir also in uns und
fragen uns, warum wir ausgerechnet über die slawischen Namen die Nase
rümpfen.
Ganz schön dialektisch, diese Provinz!
7 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.es-kann-so-einfach-sein.de/kampagne/sch%C3%B6ne-orte-brauchen-k…
[2] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/09/brandenburg-ortsnamen-kampagne…
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Brandenburg
Marketing
Baden-Württemberg
Namen
Brandenburg
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Stuttgart
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