| # taz.de -- Jüdische Stimmen zum Fall Aiwanger: „Ein Alarmsignal“ | |
| > Bayerns Ministerpräsident Söder solle sich von seinem Vize Aiwanger | |
| > trennen, fordert Hanna Veiler von der Jüdischen Studierendenunion. Auch | |
| > andere üben Kritik. | |
| Bild: Hanna Veiler ist seit Mai Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion D… | |
| Berlin taz | Die Präsidentin der [1][Jüdischen Studierendenunion | |
| Deutschland (JSUD)] hat den Verbleib Hubert Aiwangers als bayerischer | |
| Vize-Regierungschef kritisiert. „Ministerpräsident Markus Söder sollte sich | |
| von Aiwanger trennen“, sagte Hanna Veiler der taz. Zwar sei es | |
| „nachvollziehbar“, dass Söder (CSU) sich kurz vor der Landtagswahl aus | |
| politisch-strategischen Gründen gegen eine Entlassung oder zumindest | |
| Beurlaubung Aiwangers und damit den Bruch der Koalition entschieden habe. | |
| „Aber es ist falsch.“ | |
| Die Entscheidung sende ein Alarmsignal an Jüdinnen und Juden in Deutschland | |
| und setze Maßstäbe: „Du kannst in Deutschland als Politiker in | |
| Machtpositionen kommen und diese auch behalten, obwohl du Antisemitismus | |
| relativierst.“ Schon vergangene Woche hatte die JSUD-Präsidentin eine | |
| [2][Petition gestartet, Aiwanger bis zur vollständigen Aufklärung des Falls | |
| mindestens zu beurlauben]. | |
| Aiwanger steht wegen eines antisemitischen Flugblatts in der Kritik, das in | |
| seiner Schulzeit in seiner Tasche gefunden wurde. Ebenso wird ihm | |
| vorgeworfen, als Schüler etwa den Hitlergruß gezeigt zu haben. Inzwischen | |
| erklärte Aiwangers Bruder, Verfasser des Flugblatts zu sein. | |
| [3][Söder hatte am Sonntag entschieden, an seinem Stellvertreter und | |
| Wirtschaftsminister festzuhalten.] Dieser stellte sich als Opfer einer | |
| Kampagne dar, durch die er „politisch vernichtet“ werden solle. | |
| CDU-Parteichef Friedrich Merz sagte, Söder habe den Fall „bravourös | |
| gelöst“. | |
| ## „Wahnsinnig enttäuschend“ | |
| „Es geht nicht nur darum, dass dieses Pamphlet existiert. Es geht um den | |
| Umgang Aiwangers und vieler Konservativer mit diesem Skandal“, so Veiler. | |
| Statt sich wirklich gegen Antisemitismus einzusetzen, stehe viel zu oft das | |
| eigene Image im Vordergrund. „Das passt nicht zu dem Selbstbild, das die | |
| Deutschen gerne an Gedenktagen wie zu den Novemberpogromen oder zum | |
| Holocaustgedenktag von sich zeichnen.“ | |
| Laura Cazés von der [4][Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland | |
| (ZWST)] nannte es „für viele jüdische Menschen in Deutschland wahnsinnig | |
| enttäuschend“, dass der Fall nun ohne echte Aufklärung und ohne jedwede | |
| Konsequenzen für Aiwanger für beendet erklärt werde. | |
| Zwar müsse die konkrete [5][politische Entscheidung in diesem Fall | |
| akzeptiert werden.] Diese dürfe aber nicht isoliert betrachtet werden. „Wir | |
| erleben in Deutschland immer wieder antisemitische Handlungen und | |
| Holocaustrelativierungen, und viele jüdische Menschen fragen sich: Was muss | |
| passieren, damit diese nicht immer wieder als Einzelfall, als Jugendsünde | |
| oder als Bagatelle abgetan werden?“ | |
| Auch Cazés kritisierte, die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und der | |
| deutschen Geschichte sei für Politiker*innen „immer dann besonders | |
| wichtig, wenn man Schilder mit ‚#We Remember‘ in Kameras halten oder Kränze | |
| niederlegen kann – ohne, dass dieser Symbolpolitik ein echter | |
| Auseinandersetzungsprozess folgt“. | |
| ## „Ritualisierung der Diskussion“ | |
| Der Publizist Max Czollek nannte den Vorgang „ernüchternd“. Der Fall | |
| Aiwanger sei für Söder und die Konservativen in Deutschland ein | |
| „schmerzhafter Moment, weil der moralische Anspruch mit Fragen des | |
| politischen Machterhalts in Konflikt gerät“. Die Causa sei eingebunden in | |
| „eine Bewegung der Gesellschaft nach rechts, die es wohl seit 1945 so nicht | |
| gegeben hat“. Czollek warf den Unionsvorsitzenden Söder und Merz vor, | |
| „weiter Öl ins Feuer“ zu gießen. | |
| Der Direktor der [6][Bildungsstätte Anne Frank] kritisierte eine | |
| „Ritualisierung der Diskussion um Antisemitismus“. Diese sei ein Problem, | |
| unabhängig davon, ob Aiwanger letztlich im Amt bleibe oder nicht: „Jeder | |
| nimmt reflexhaft seine Rolle an; die Schlussstrich-Forderer auf der einen | |
| Seite und die Wächter der Einnerungskultur auf der anderen“, so Mendel. | |
| „Der Betreffende macht erst jede Menge Ausflüchte, entschuldigt sich dann, | |
| und der Antisemitismusbeauftragte hat schon die Zauberlösung parat: das | |
| Reinwaschen durch einen Gedenkstättenbesuch.“ Immer wieder gebe es solche | |
| Skandale, in denen es selten wirklich um die Frage des Umgangs mit | |
| Antisemitismus und der deutschen Geschichte gehe. | |
| 5 Sep 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.jsud.de/ | |
| [2] https://innn.it/aiwanger | |
| [3] /Skandal-um-antisemitisches-Flugblatt/!5954956 | |
| [4] https://zwst.org/de | |
| [5] /Der-Fall-Aiwanger/!5955089 | |
| [6] https://www.bs-anne-frank.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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