# taz.de -- Russisch-türkische Gespräche in Sotschi: Kein neuer Getreidedeal | |
> Erdoğan und Putin verhandelten über die Rückkehr zum Getreidedeal mit der | |
> Ukraine. Putin fordert, dass der Westen seine Sanktionen aufhebt. | |
Bild: Die Türkei will russisches Getreide zu Mehl mahlen und in afrikanische L… | |
Bei einem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im | |
russischen Sotschi gingen die Verhandlungen über ein neues | |
[1][Getreideabkommen] ohne eine formale Übereinkunft zu Ende. Putin | |
wiederholte am Montag seine Vorwürfe, dass die versprochene Erleichterung | |
für die gleichzeitige Ausfuhr russischen Getreides vom Westen nicht | |
eingehalten worden sei. | |
Stattdessen hatte Russland nun vorgeschlagen, man könne [2][die ärmsten | |
afrikanischen Länder], die dringend auf Getreide angewiesen sind, auch mit | |
russischem Weizen versorgen. Russland würde dazu eine Million Tonnen zu | |
einem geringen Preis zur Verfügung stellen. Dieses Getreide solle in der | |
Türkei verarbeitet und dann an sechs afrikanische Länder weitergeleitet | |
werden. Es ist im Gespräch, dass Katar die Kosten für den Transport und die | |
Verarbeitung des Getreides übernimmt. | |
Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen in | |
Sotschi machte Erdoğan klar, dass er diese Initiative unterstützen will. | |
Man sei kurz davor, einen entsprechenden Vertrag zu unterzeichnen. Putin | |
unterstrich noch einmal, dass Russland zu dem ursprünglichen Getreidehandel | |
zurückkehren würde, wenn der Westen die Sanktionen gegen russische | |
Getreideexporte wie versprochen aufheben würde. | |
Bei dem ursprünglichen Getreidehandel sei nur 6 Prozent an die ärmsten | |
afrikanischen Länder gegangen, sagte Erdoğan. Er will das russische | |
Getreide nun in der Türkei zu Mehl verarbeiten lassen, bevor es dann an | |
sechs der ärmsten afrikanischen Länder weitergeschickt wird. Das ersetze | |
zwar das ursprüngliche Getreideabkommen nicht, könne aber die dringendsten | |
Probleme in Afrika lösen. Putin hatte vor einem Monat ein Gipfeltreffen mit | |
afrikanischen Staaten in Petersburg veranstaltet, wo Russlands Rückzug vom | |
Getreidehandel kritisiert worden war. | |
## Erdoğans Rolle als Vermittler | |
Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan kennen sich beide sehr gut. Trotz | |
gegenteiliger [3][Interessen in Syrien] und im Südkaukasus haben sie immer | |
wieder gezeigt, dass sie dennoch zu Übereinkommen kommen konnten, die | |
letztlich beiden Seiten nutzten. Aus dieser Erfahrung heraus hat der | |
türkische Präsident Erdoğan von Beginn an den Angriff Russlands auf die | |
Ukraine verurteilt, sich aber dennoch geweigert, die Türkei in das | |
westliche Sanktionssystem gegen Russland einzubinden. Gleichzeitig hat | |
Erdoğan von Beginn an versucht, als Friedensmakler zwischen der Ukraine und | |
Russland aufzutreten. | |
Zuletzt verlegte sich Erdoğan auf humanitäre Missionen zum | |
Gefangenenaustausch und das Abkommen zum Getreidetransport. Die türkische | |
Marine baute ein Kontrollzentrum im Schwarzen Meer auf, das sowohl | |
ukrainische wie russische Vertreter zur Inspektion der Schiffe nutzen | |
konnten, die aus der Ukraine kamen oder dorthin unterwegs waren, um | |
Getreidelieferungen abzuholen. Erdoğan betrachtete dieses Abkommen als | |
neuerlichen Einstieg in echte Verhandlungen zwischen den beiden Staaten und | |
setzte sich deshalb stark dafür ein, dass es immer wieder verlängert wurde. | |
Nachdem Putin nun im Frühjahr verkündet hatte, dass Russland sich aus dem | |
Abkommen zurückzieht, hat Erdoğan sowohl allein als auch gemeinsam mit | |
UN-Generalsekretär António Guterres mehrfach versucht, Putin an den | |
Verhandlungstisch zurückzuholen. | |
## Interessen im Energiesektor | |
Beim Treffen am Montag ging es auch um bilaterale wirtschaftliche Fragen | |
zwischen den beiden Ländern. Erdoğan will die Situation, die durch die | |
westlichen Sanktionen gegen Russland entstanden ist, zum Vorteil der Türkei | |
nutzen und den Handel mit dem nördlichen Nachbarn von aktuell 60 Milliarden | |
Dollar auf 100 Milliarden Dollar im Jahr ausbauen. | |
Gedacht ist von beiden vor allem an den Energiesektor. Erdoğan bekommt von | |
Putin billiges Erdgas und soll dafür aber helfen, als Transitland nach | |
Südeuropa weiterhin den Verkauf russischen Erdgases an europäische Länder | |
zu ermöglichen. Außerdem wurde in Sotschi diskutiert, dass Russland neben | |
[4][dem bereits im Bau befindlichen AKW an der Mittelmeerküste in Akkuyu] | |
ein weiteres Atomkraftwerk am Schwarzen Meer baut. Auch im Rüstungssektor | |
könnte eine türkisch-russische Kooperation entstehen, aber erst nach Ende | |
des Kriegs. | |
4 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Getreideexporte-aus-der-Ukraine/!5950038 | |
[2] /Afrika-Russland-Gipfel/!5947584 | |
[3] /Grenzuebergang-nach-Syrien-offen/!5949374 | |
[4] /Erdoan-baut-Atomkraft-aus/!5759427 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
## TAGS | |
Türkei | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Russland | |
Wladimir Putin | |
Getreide | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Landwirtschaft in der Ukraine: Irgendwie weiterackern | |
Absatzmärkte sind weggebrochen, das Personal ist an der Front: Die | |
Landwirte Clara und Moritz Stamm kämpfen um das wirtschaftliche Überleben. | |
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Kim Jong Un will Putin treffen | |
Russland und Nordkorea wollen laut Berichten aus den USA über Waffen | |
verhandeln. Derweil ist in der Ukraine neue Munition für Gepard-Panzer | |
angekommen. | |
Getreideexporte aus der Ukraine: Nicht vom Acker machen | |
Vor einem Monat kündigte Russland das Schwarzmeer-Getreideabkommen. Wie | |
können ukrainische Bauern ihre Erzeugnisse noch sicher loswerden? | |
Russland beendet Getreideabkommen: „Dolchstoß“ für die Hungernden | |
Afrikanische Länder und die UN warnen wegen des gestoppten Getreidedeals | |
vor einer Lebensmittelkrise. Es drohen Lieferausfälle und hohe Preise. | |
EU zu Vorwürfen wegen Getreideabkommen: „Moskau lügt wieder“ | |
Russland werde auch nicht indirekt daran gehindert, Lebensmittel und Dünger | |
zu liefern, heißt es aus Brüssel. Das Land verkaufe sogar mehr Getreide. |