# taz.de -- Sanktionen gegen Uganda: Wem helfen Menschenrechte? | |
> Ugandas Anti-LGBTQI-Gesetz wird von der Weltbank und den USA nicht | |
> straflos hingenommen. Doch die Sanktionen treffen nicht die Regierung. | |
Bild: Mai 23: Protest in Utrecht gegen die Politik Ugandas | |
KAMPALA taz | In Uganda wurden zum ersten Mal vier Personen auf der | |
Grundlage [1][des Anti-Homosexuellen-Gesetzes] verhaftet und angeklagt. | |
Einem der Angeklagten droht nun sogar die Todesstrafe, weil dieser | |
HIV-positiv ist. Laut dem im Mai in Uganda in Kraft getretenen Gesetz steht | |
auf „besonders schwere“ Fälle des Verstoßes gegen das Gesetz | |
lebenslängliche Haft oder gar die Todesstrafe. Darunter fällt | |
gleichgeschlechtlicher Sex mit HIV-Positiven. | |
In den internationalen Medien gab es einen regelrechten Aufschrei. Dies ist | |
berechtigt, keine Frage. Immerhin handelt es sich in Uganda um eines der | |
drakonischsten Anti-LGBTQI-Gesetze weltweit. | |
Es gerät bei all dem Fokus auf die Einzelfälle allerdings in den | |
Hintergrund, welche Auswirkungen die Gesetzgebung auf die gesamte | |
Gesellschaft haben wird. Im August [2][kündigte die Weltbank an, keine | |
neuen Kredite an Uganda zu vergeben]. Der Grund: „Wir glauben, dass unsere | |
Vision, die Armut auf einem lebenswerten Planeten zu beseitigen, nur dann | |
erfolgreich sein kann, wenn sie alle einbezieht, unabhängig von Rasse, | |
Geschlecht oder Sexualität“, so die Weltbank. Die Organisation hat nach | |
eigenen Angaben ein Expertenteam nach Uganda entsandt, um notwendige | |
Anpassungen mit den Behörden zu diskutieren, damit „sexuelle Minderheiten | |
bei den Projekten, die wir finanzieren, nicht ausgeschlossen werden“. | |
Konkret bedeutet dies, dass die bestehenden Weltbankprojekte in Uganda, | |
immerhin im Gesamtumfang von rund fünf Milliarden Dollar, weitergehen, | |
allerdings keine neuen Kredite vergeben werden. | |
Ugandas Regierung reagierte sofort und hievte noch schnell ein Projekt | |
durchs Parlament, das eigentlich von der Weltbank finanziert werden sollte: | |
Die Stadtverwaltung der Hauptstadt wollte sich auf einen Kredit im Umfang | |
von rund 500 Millionen Euro umgerechnet zur Instandsetzung der maroden | |
Straßen in Kampala bewerben – dieses Geld wird jetzt wohl nicht fließen. | |
## Richtung Staatsbankrott | |
Dabei sind Kampalas Straßen mit ihren tiefen Schlaglöchern fast nicht mehr | |
befahrbar. Sobald die Regenzeit einsetzt, verwandeln sich diese | |
Schlaglöcher in Tümpel, die fast jedes Durchkommen unmöglich machen. Die | |
Schäden für Wirtschaft und Handel gehen damit noch mehr in die Höhe. Kurz | |
nach der Ankündigung der Weltbank sackte Ugandas Währung, der Shilling, | |
zudem stark ab. Das ostafrikanische Land, das jährlich fast die Hälfte | |
seines Staatshaushalts ausgibt, um laufende Kredite zu tilgen, steuert also | |
weiter auf den Staatsbankrott zu. | |
Ebenso problematisch werden die Streichungen der Entwicklungsgelder aus den | |
USA, die nun als Folge des Gesetzes ausbleiben. Die US-Regierung hatte im | |
Mai Uganda als einen „der gefährlichsten Orte der Welt für | |
LGBTQI+-Personen“ bezeichnet und angekündigt, sämtliche Projekte in Uganda | |
zu evaluieren. | |
Gemeinsam mit dem Global Fonds finanziert die US-Entwicklungsagentur USAID | |
zahlreiche Gesundheitsprojekte in Uganda, vor allem mit dem Fokus auf | |
HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria. Dass das Anti-Homosexuellen-Gesetz allen | |
aus der LGBTQI-Szene die Gesundheitsversorgung untersagt, widerspricht den | |
US-Grundsätzen. Sollten diese Projekte jetzt alle eingefroren werden, hat | |
dies auch Folgen für die gesamte Bevölkerung. Dann erhalten auch alle | |
anderen Patienten keine kostenfreien Medikamente für chronische | |
Krankheiten. Daraus resultiert die Gefahr, dass sich das HIV-Virus wieder | |
weiter ausbreitet. | |
Sind also Sanktionen gegen Uganda in einem solchen Umfang berechtigt, wenn | |
sie letztlich nicht der Regierung, sondern der Bevölkerung weiteren Schaden | |
zufügen, die ohnehin an mangelnder Gesundheitsversorgung leidet? | |
Ugandas Präsident Yowerie Museveni reagierte auf all dies mit der kalten | |
Schulter, bezeichnete die Reaktion der Weltbank als „Provokation“ und | |
stellte klar: „Wir brauchen keinen Druck von irgendjemandem, um zu wissen, | |
wie wir Probleme in unserer Gesellschaft lösen können, denn das sind unsere | |
Probleme“, mokierte er sich in seiner jüngsten Fernsehansprache. „Es ist | |
daher bedauerlich, dass die Weltbank und andere Akteure es wagen, uns mit | |
Geld dazu zwingen zu wollen, unseren Glauben, unsere Kultur, unsere | |
Prinzipien und unsere Souveränität aufzugeben. Sie unterschätzen wirklich | |
alle Afrikaner“, sagte er. Doch bald wird sich wohl zeigen, dass Musevenis | |
Regierung die Langzeitfolgen für das ganze Land unterschätzt hat. | |
3 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Anti-LGBTQI-Gesetz-in-Uganda/!5952795 | |
[2] https://www.worldbank.org/en/news/statement/2023/08/08/world-bank-group-sta… | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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