# taz.de -- Repressionen in Russland: Sacharow-Zentrum aufgelöst | |
> Die Menschenrechtsorganisation soll gegen Gesetze verstoßen haben, | |
> befindet ein Gericht. Sie hatte auch außerhalb von Moskau Veranstaltungen | |
> organisiert. | |
Bild: Eine NGO weniger: Für Präsident Wladimir Putin war es wieder ein erfolg… | |
BERLIN taz | Aus für das „Sacharow-Zentrum“ in Moskau: Auf Antrag des | |
russischen Justizministeriums hat ein Moskauer Stadtgericht am Freitag die | |
Auflösung der renommierten Menschenrechtsorganisation angeordnet. Das | |
Zentrum wird aus dem staatlichen Register juristischer Personen gestrichen. | |
Laut Ministerium seien im Zuge von Überprüfungen grobe Gesetzesverstöße | |
festgestellt worden. So habe das Zentrum einen Grundsatz verletzt, wonach | |
es nur in der russischen Hauptstadt hätte tätig sein dürfen. Neun | |
Ausstellungen bzw. Konferenzen seien jedoch in anderen Städten organisiert | |
worden. Dafür hätte aber am jeweiligen Veranstaltungsort eine eigene | |
Filiale registriert werden müssen. | |
Das Sacharow-Zentrum nebst einem dazu gehörigen Museum war 1996 auf | |
Initiative von Jelena Bonner, Ehefrau des 1989 verstorbenen Physikers, | |
Dissidenten und Friedensnobelpreisträgers Andrei Sacharow, eröffnet worden. | |
Seit dieser Zeit wurden für ein eigenes Archiv Dokumente über | |
Dissident*innen sowie politische Repressionen in der Sowjetunion | |
gesammelt. | |
2014 war die Menschenrechtsorganisation zu einem „ausländischen Agenten“ | |
erklärt worden. Von dann an war das Zentrum, wie andere | |
Nichtregierungsorganisationen auch, Schikanen und wachsendem Druck | |
vonseiten des Staates ausgesetzt. Im Dezember 2022 folgte die Verurteilung | |
zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet knapp 50.000 Euro. Das Zentrum | |
hatte veröffentlichtes Material nicht mit dem Hinweis „ausländischer Agent�… | |
gekennzeichnet. | |
## Verträge nicht verlängert | |
Einen Monat später teilten die Moskauer Behörden den | |
Menschenrechtsaktivist*innen mit, dass die Pachtverträge für die | |
Moskauer Räumlichkeiten nicht verlängert würden. Zuvor war das „Gesetz üb… | |
ausländische Agenten verschärft worden. Gemäß diesen Änderungen dürfen | |
„ausländische Agenten“ vom Staat keinerlei Unterstützung erhalten. Das gi… | |
auch für Mietverträge zu Sonderkonditionen. Im April 2023 stellte das | |
Zentrum seine Arbeit komplett ein. | |
Das Sacharow-Zentrum ist nur eine Organisation unter vielen, die aufgrund | |
vollkommen abstruser Anwürfe kalt gestellt wird. Im vergangenen Januar | |
zogen die Behörden beim [1][Moskauer Helsinki Komitee], der ältesten | |
Menschenrechtsgruppe Russlands, den Stecker. Die Gruppe hatte ebenfalls an | |
verschiedenen Orten Veranstaltungen durchgeführt. | |
Ende 2021 wurde [2][„Memorial“] aufgelöst. Das Menschenrechtszentrum hatte | |
sich vor allem für den Schutz politischer Gefangener in Russland sowie die | |
Aufarbeitung der Verbrechen während der Stalinzeit, eingesetzt. Einige | |
Mitglieder von Memorial, wie der Historiker Jurij Dmitriew, sind in Haft. | |
Im Juni 2022 urteilte Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in | |
Straßburg nach einer Sammelklage des Sacharow-Zentrums und anderer | |
Nichtregierungsorganisation, dass das russische Gesetz über „ausländische | |
Agenten“ gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Praktisch | |
hat dies keine Auswirkungen, dass Russland nach seinem Austritt aus dem | |
Europarat im März 2022 ohnehin nicht mehr der Jurisdiktion des EGMR | |
unterliegt. | |
18 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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