# taz.de -- Hochwasser in Norwegen und Schweden: Schlammlawinen in Nordeuropa | |
> In Teilen Norwegens und Schwedens hat es in kurzer Zeit so viel geregnet | |
> wie sonst in einem Monat. Nun kämpfen beide Länder mit den Folgen. | |
Bild: Überflutungen am Fluss Dokka in Norwegen | |
STOCKHOLM taz | Tagelange heftige Regenfälle haben in Norwegen und Schweden | |
zu Überschwemmungen, Unterspülungen, Erdrutschen und Verkehrschaos geführt. | |
In Südnorwegen waren am Donnerstag den dritten Tag in Folge nahezu alle | |
Bahn- und Straßenverbindungen zwischen dem östlichen und westlichen und dem | |
nördlichen und südlichen Teil des Landes ganz gesperrt oder teilweise | |
unpassierbar. Die Bahninfrastrukturbehörde Bane Nor schätzte, dass die | |
meisten Sperrungen nicht vor Freitag aufgehoben werden können, die | |
Reparatur einer beschädigten Eisenbahnbrücke könne Monate dauern. | |
Viele Flüsse in Südnorwegen, West- und Mittelschweden führen Hochwasser, | |
der Pegelstand werde in den großen Seen und dem Unterlauf der Flüsse noch | |
bis Freitag ansteigen, warnte Norwegens Wasser- und Energiebehörde. Am | |
Donnerstag waren rund 3.000 Haushalte [1][vorsichtshalber evakuiert | |
worden]. Der Akerselva, Oslos größter Fluss, führt derzeit 25-mal mehr | |
Wasser als zu dieser Jahreszeit üblich. Die meteorologischen Institute in | |
Norwegen und Schweden zogen eine erste Bilanz: Zwischen Sonntag und | |
Mittwoch habe es deutlich mehr geregnet als normalerweise im ganzen Monat | |
August. | |
Dramatische Bilder hatte es am Mittwoch an einem Wasserkraftstaudamm am | |
Glomma, dem mit 620 Kilometer längsten norwegischen Fluss gegeben. Am | |
Kraftwerk Braskereidfoss konnten aufgrund eines technischen Defekts die | |
Überlaufluken nicht mehr geöffnet werden, der steigende Wasserpegel des | |
Staubeckens überflutete die Anlage. Die eigentliche Betonkonstruktion des | |
Staudamms hielt dem wachsenden Wasserdruck stand, aber seitlich davon | |
kollabierte ein Teil des Begrenzungsdamms. Gefährdete Haushalte | |
stromabwärts hatten allerdings rechtzeitig gewarnt werden können, niemand | |
kam zu Schaden. | |
Am Donnerstag bestimmten dann Bilder aus der Kleinstadt Hønefoss die | |
norwegischen Nachrichten, wo der Fluss Storelva offenbar schneller als | |
erwartet immer extremeres Hochwasser führte. Bis zum Nachmittag mussten auf | |
Behördenanordnung rund 1.900 Menschen ihre Häuser verlassen, teilweise von | |
jetzt auf gleich. | |
## Zugstrecke zwischen Stockholm und Nordschweden gesperrt | |
Durch den Dauerregen völlig aufgeweichte Berghänge hatten zahlreiche | |
Erdrutsche mit teilweise schwerwiegenden Auswirkungen zur Folge. Durch Åre, | |
das Zentrum des schwedischen Wintersports, ergoss sich eine regelrechte | |
Wasser-, Schlamm- und Gerölllawine. Viele Straßen und Gebäude wurden | |
unterminiert. Seit Montag und vermutlich noch bis übernächste Woche ist die | |
Bahnhauptstrecke zwischen Stockholm und Nordschweden gesperrt. | |
Zwischen Gävle und Hudiksvall wurde der Bahndamm unterspült, ein Schnellzug | |
entgleiste. Zu einem folgenschweren Unfall war es nur deshalb nicht | |
gekommen, weil der Lokführer eines Zugs, der die fragliche Stelle vorher | |
passiert hatte, rechtzeitig gewarnt hatte. Der entgleiste Zug hatte deshalb | |
sein Tempo vorsichtshalber statt der üblichen 120 km/h bereits auf 40 km/h | |
verringert. Nun wird allerdings kritisiert, dass der Bahnverkehr nach | |
solcher Warnung nicht sofort gänzlich gestoppt worden war. | |
„Natürlich sind solche Wetterereignisse Folgen der Klimaveränderung“, | |
bekräftigt Åsa Knaggård, Dozentin für Umwelt- und Klimapolitik an der | |
Universität Lund: „Extreme Wetterverhältnisse hatten wir immer wieder, aber | |
[2][nun werden diese häufiger und häufiger]. Diese starken Regenfälle sind | |
darauf zurückzuführen, wie wir die Erdatmosphäre aufgeheizt haben.“ Auch | |
Sebastian Mernild, Professor für Klimawandel an der Süddänischen | |
Universität, sieht „nur einen Vorgeschmack“. | |
„Wir sind noch immer zu naiv und haben nach wie vor nicht richtig | |
verstanden, in welchem Ausmaß uns das treffen wird“, sagt Knaggård. Mette | |
Lindahl Olsson von der schwedischen Katastrophenschutzbehörde MSB meint, | |
die Gesellschaft habe zu spät begonnen, sich den Klimaveränderungen | |
anzupassen, nun bestehe großer Nachholbedarf: „Angesichts der Trockenheit | |
hatten wir uns auf eine Waldbrandsaison wie 2018 eingestellt, stattdessen | |
haben wir jetzt Überschwemmungen.“ | |
Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre, der mehrere der betroffenen | |
Gebiete besuchte, versprach, dass der Staat alles tun werde, um das Land | |
„klimasicher“ zu machen. Ein Umdenken bei der norwegischen Öl- und | |
Gaspolitik gehört offenbar nicht dazu. Seine Regierung vergab erst kürzlich | |
neue Ölförderlizenzen. Laut einer in der vergangenen Woche veröffentlichten | |
Statistik sind die Investitionen des Staats in den Öl- und Gassektor | |
zwischen 2018 und 2022 um 16 Prozent gestiegen, die in erneuerbare Energien | |
aber um 39 Prozent gesunken. | |
10 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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