| # taz.de -- Querdenker in Berlins Kulturszene: Leugnen als Kunst | |
| > Coronaleugner machen sich in der Kunstszene breit, veranstalten Theater | |
| > und Ausstellungen. Anselm Lenz wird zu 210 Tagessätzen verurteilt. | |
| Bild: Ist das Kunst oder kann das weg? | |
| Berlin taz | Berlins Querdenker-Szene ist zwar von den Straßen überwiegend | |
| verschwunden, versucht aber weiter Räume zu besetzen, vornehmlich | |
| kulturelle. So soll ab Freitag für drei Abende das Stück „Stella“ in der | |
| Neuen Bühne Friedrichshain am Boxhagener Platz laufen. Eine inhaltliche | |
| Ankündigung zu dem Stück findet sich auf der Website des freien Theaters | |
| nicht, doch die Macher:innen sind altbekannte Coronaleugner:innen: Lydia | |
| Dykier und ihr Kompagnon Dominik Lenz mit ihrem Theaterkollektiv „Doch“. | |
| Im Mai waren beide aus den Räumen des linken Jugendzentrums Drugstore | |
| geflogen, wo sie unter falschen Namen an einem Theaterstück gearbeitet | |
| hatten. Dykier ist während der Coronaproteste in extrem rechten Kreisen | |
| aktiv gewesen, hat auf Reichsbürgerversammlungen gesprochen und über die | |
| Ermordung politischer Gegner:innen fantasiert. Im Juni wurde sie vom | |
| Amtsgericht Tiergarten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger | |
| Organisationen, Androhung von Straftaten, Beleidigung und Körperverletzung | |
| zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. | |
| In einem Statement, das Dykier auf ihrer Website in Reaktion auf einen | |
| [1][taz-Text nach ihrem Drugstore-Rauswurf] veröffentlicht hat, distanziert | |
| sie sich halbherzig von diesen Vorfällen: „Meine Verrücktheiten waren immer | |
| rein spielerischer Natur“, heißt es da. So sollte man dann wohl auch die | |
| Ankündigung lesen zu ihrem Film- und Theaterprojekt „Hauptdarsteller“, das | |
| ursprünglich in der Neuen Bühne Friedrichshain laufen sollte. In dem | |
| kryptischen Text heißt es etwa: „Die Seiltänzer stürzen ab. Wir zeigen, wie | |
| sie blutverschmiert aufwachen, die Waffen schnappen, ihre Kugeln zählen, | |
| Listen machen und sich rächen.“ Alles ganz harmlos? | |
| Nach einer Intervention von Antifaschist:innen wurde das Stück | |
| vergangene Woche vom Spielplan genommen und durch „Stella“ ersetzt. | |
| Zumindest die Protagonist:innen aber sind dieselben. Dykiers | |
| „Doch“-Kollektiv ist das Ergebnis diverser Spaltungsprozesse. | |
| Einst waren Dykier und Lenz als Besetzer:innen der Volksbühne 2017 Teil | |
| des Theaterkollektivs „Staub zu Glitzer“. Dies trennte sich kurz nach der | |
| Aktion von einer Reihe ehemaliger Mistreiter:innen, die daraufhin das | |
| „Nie“-Theater gründeten und zwei Jahre lang eine Keller-Bühne in Neukölln | |
| bespielten. Dort flog Dykier aber ebenfalls raus – nach diversen | |
| Übergriffen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen. Ebenso wie Hendrik | |
| Sodenkamp, der dann mit Anselm Lenz die ersten Coronademos organisierte. | |
| Eine Anfrage der taz ließ die Neue Bühne Friedrichshain unbeantwortet. | |
| ## „Art Weekend“ geplant | |
| Teil des Nachfolgeprojektes „Doch“ ist auch die Künstlerin Jill Sandjaja, | |
| die im Mai ihre Ausstellung über die Corona-„Verbrecher“ in der Kreuzberger | |
| Galerie Zeitzone zeigen wollte. Dazu kam es letztlich nicht, die | |
| Ausstellung fand in abgespeckter Form in geheim gehaltenen Räumlichkeiten | |
| statt. | |
| Mit der „Internationalen Agentur für Freiheit“ (IAFF) versucht Sandjaja, | |
| Lebensgefährtin von Sodenkamp, weiterhin Corona-leugnenden | |
| Künstler:innen Räume zu verschaffen. Vom 7. bis 9. September findet das | |
| von der IAFF organisierte „Berlin Art Weekend“ statt, nach einer | |
| Erstauflage im vergangenen September, zum zweiten Mal in der Musikbrauerei | |
| in der Greifswalder Straße. | |
| Gezeigt werden Werke von Clemens Unger, Autor zweier Coronabücher und des | |
| rechten Blogs „Achse des Guten“, oder von Michal Lezian, den eine | |
| Ausstellungsankündigung mit der Forderung zitiert: Das Volk müsse „die | |
| Verantwortlichen vor Gericht bringen“. Im Begleitprogramm sollen | |
| Musiker:innen auftreten, die sich als „systemkritisch“ beschreiben und | |
| auf Coronademos herumgetrieben haben. Darunter Jens Fischer Rodrian, der | |
| von den „Vasallen der Weltenlenker“ singt, der Chanson-Sänger „ohne G’… | |
| Boris Steinberg und der notorische Dauerprotestierer und [2][DJ Captain | |
| Future]. Auch die Musikbrauerei beantwortete die Anfrage der taz nicht. | |
| Unterdessen wurde gegen [3][Anselm Lenz] am Mittwoch wegen Widerstands | |
| gegen Vollzugsbeamte bei Coronademos 2020 ein Strafbefehl erlassen. Unter | |
| Einbeziehung vorheriger Strafen muss er 210 Tagessätze zu je 13 Euro | |
| zahlen. Ohne Widerspruch wird der Strafbefehl rechtskräftig, sonst kommt es | |
| zum Prozess. | |
| 31 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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