# taz.de -- Welthungerhilfe-Leiter über Niger-Krise: „Die Lage bleibt unklar… | |
> Welche Auswirkungen hat der Putsch in Niger auf die humanitäre Hilfe? Der | |
> Leiter der Welthungerhilfe äußert seine Befürchtungen für die kommende | |
> Zeit. | |
Bild: Von ihren Verwandten aufgenommen Flüchtlinge aus Nigeria in Diffa, Niger | |
taz: Herr Gadzirai, wie würden Sie die Lage in Niger eine Woche nach dem | |
Putsch beschreiben? | |
Jameson Gadzirai: Die Lage bleibt unklar. Viele Institutionen mussten ihre | |
Aktivitäten herunterfahren. Wir müssen beobachten, wie sich die Lage weiter | |
entwickelt. | |
Was bedeutet das für die Arbeit der Welthungerhilfe? | |
Die Welthungerhilfe hat ihre Aktivitäten in den Projektgebieten auf Eis | |
gelegt. Das umfasst die bedingungslosen Geldtransfers und die | |
Cash-for-Work-Einkommen für Haushalte in unseren Einsatzgebieten. Die | |
meisten unserer Mitarbeiter arbeiten von zuhause, nur wenige halten die | |
Büros aufrecht. | |
Sie arbeiten in den drei Gebieten Diffa, Tillabéri und Tahoua und | |
unterstützen dort vor allem Binnenflüchtlinge und die Gastfamilien, die | |
diese aufgenommen haben. Es sind Regionen, die terroristische Gewalt | |
erleben. Die Arbeit war sicher auch vor dem Putsch eine Herausforderung…. | |
Absolut. Die Sicherheitslage ist sehr volatil gewesen, während der | |
andauernden Krise in der Sahelregion mit massiven und andauernden | |
Bevölkerungsbewegungen aus aktiven Konfliktgebieten in relativ sichere | |
Gebiete. Die Herausforderung ist jetzt dadurch vergrößert, dass wir keinen | |
Zugang zu bedürftigen Gemeinschaften mehr haben. Die humanitären | |
Bedürfnisse sind sehr groß, insbesondere in der Ernährungssicherheit. Wir | |
erwarten, dass sie noch größer werden, und dass Akteure vor Ort Risiken | |
abwägen müssen, bevor sie weiterarbeiten. | |
Laut UNO benötigen in Niger 4,3 Millionen der gut 26 Millionen Einwohner | |
humanitäre Unterstützung. Wie verschärft der Putsch diese Krise? | |
Von den 4,3 Millionen leben nach unserer Schätzung 3,3 Millionen in | |
kritischer Ernährungsunsicherheit, könnten also in den kommenden Monaten | |
Hunger leiden. [1][Der Putsch] bedeutet für sie mehr Unwägbarkeiten. Wir | |
sehen bereits Anzeichen: Lebensmittelpreise auf lokalen Märkten steigen. Es | |
werden auch Gemeinschaften unter der Schließung von Grenzen leiden. Die | |
Ernährungsunsicherheit nimmt zu. Es gibt einen Dominoeffekt, der bereits | |
leidende Bevölkerungsgruppen trifft, die ohnehin zu geringen Zugang zu | |
Lebensmitteln haben. | |
Niger befindet sich in der Regenzeit. Welche Auswirkung hat das? | |
Die Regenzeit soll im Laufe des August enden. In Niger ist sie zugleich die | |
magere Jahreszeit, in der Vorräte allmählich zur Neige gehen. Die | |
Lebensmittelreserven werden aufgebraucht und zugleich sinken die erwarteten | |
Einkommen der Menschen, bevor die nächste Ernte eingefahren werden kann. Es | |
ist eine sehr besorgniserregende Zeit. | |
Was brauchen die Menschen darüberhinaus? | |
Die Gemeinschaften brauchen Zugang zu Wasser, medizinischer Versorgung, | |
Obdach und Schutz. Menschen können ihren normalen Alltag leben, wenn sie | |
ein sicheres Umfeld haben, das ihnen ihre Würde lässt. | |
Führt die aktuelle Lage zu neuen Wanderbewegungen? | |
Dazu können wir nichts sagen. Schon vor der aktuellen Krise sind Menschen | |
dort hingezogen, wo sie sich sicherer fühlten und wo sie auf Unterstützung | |
durch humanitäre Akteure hoffen konnten. Wir können davon ausgehen, dass es | |
neue Bewegungen geben wird, und dann wird der Druck auf Gastgeberfamilien, | |
die Binnenflüchtlinge, Vertriebene und Rückkehrer aufnehmen, steigen. | |
Viele Länder evakuieren ihre Staatsbürger aus Niger, [2][angefangen mit | |
Frankreich], auch Deutschland hat das empfohlen. Wieso sind Sie geblieben? | |
Wir haben eine Verpflichtung gegenüber der lokalen Gemeinschaft. Auch | |
während der Covid-Pandemie arbeiteten wir weiter. Wir machen weiter, so gut | |
wie es eben geht. | |
Wie gewährleisten Sie die Sicherheit Ihres Personals? | |
Wir haben beschlossen, die operative Präsenz zu minimieren, um Risiken zu | |
minimieren. Wenn wir gemeinsam mit anderen Akteuren den Eindruck haben, | |
dass die Lage es erlaubt, werden wir Unterstützung nach Bedarf leisten. | |
Gerade in diesen Zeiten ist kontinuierliche Unterstützung nötig. Und wir | |
wollen, dass die humanitäre Hilfe weitergeht, insbesondere in der | |
Ernährungssicherheit. | |
4 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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