# taz.de -- Vernissage im Künstlerhaus Sootbörn: Die Kunst-Oase am Airport | |
> Das Künstlerhaus Sootbörn behauptet sich seit 30 Jahren im dezentralen | |
> Hamburg-Niendorf. Trotz Nähe zum Rollfeld ist es ein wildromantischer | |
> Ort. | |
Bild: Julian Sippels Stern prangte zum Jubiläum auf dem Künstlerhaus | |
Der Sootbörn, holsteinisch, was etwa „Feuchtgebiet, Quelle oder Tränke“ | |
bedeutet, säumt den nördlichen Teil des Hamburger Airports. Man kann von | |
hier durch den Maschendraht auf die Landebahnen schauen. In der Ferne | |
blinkt der Tower. Es gibt eine waldige Kleingartensiedlung, auf der anderen | |
Seite beginnt bald die „Niendorfer Schweiz“. Direkt hinter einem sandigen | |
Parkplatz und wildem Bewuchs aber erscheint ein 1930 errichteter Flachbau, | |
weiß-grau gegliedert, mit breiter Freitreppe. | |
Bis in die 1950er diente er als Schule. In den 1980ern wurde seine Ruine | |
gerettet und zum Künstlerhaus Sootbörn umgestaltet. Das hat 1993 eröffnet, | |
vor 30 Jahren. Noch vier Ausstellungen soll es im Jubiläumsjahr geben: | |
„Uncover II“, die nächste, eröffnet am Freitag. | |
Als Ausstellungsraum des Künstlerhauses Sootbörn dient die ehemalige Aula, | |
die man durch die originalen Glastüren betritt. Durch große Fenster ist der | |
Raum sehr licht, der Blick fällt in den umgebenden Garten. | |
„Uncover II“ ist der zweite Teil einer Gruppenschau zum Thema „Macht- und | |
Gewaltstrukturen und [1][sexualisierte Gewalt]“. Der erste war im Westwerk | |
zu sehen. Die ehemalige Stipendiatin des Sootbörn, Suse Itzel, geht | |
zusammen mit Jenny Bewer, Simone Karl, Jay Ritchie und Mika Sperling das | |
allgegenwärtige, doch meist vertuschte Thema an. Installationen, | |
Fotografien und Texte zeigen, wie sich solche Erfahrungen in den Körper | |
einschreiben. „Die künstlerischen Arbeiten in ‚Uncover‘ sind eine | |
Aufforderung an uns alle“, sagt Itzel. „Wir sollten versuchen, unsere | |
Traumata nicht schweigend und mit Scham überladen an eine nächste | |
Generation weiterzugeben.“ | |
Vorstandsmitglied Peter Nicolaus Heikenwälder preist die Vorzüge dieses | |
„tollen Ortes“: Großartiges Gelände, wunderbares Haus, man könne absolut… | |
Ruhe arbeiten, aber auch laut sein: „Es ist ein eigenes Universum.“ | |
Trotzdem sei der Ort schnell erreichbar. Gesa Lange bildet die andere | |
Hälfte des Vorstands. Vor zwei Jahren lösten die beiden Maria Hobbing und | |
Volker Lang ab. Ende Juni hatten sie ein breit gefächertes | |
Jubiläumsprogramm unter dem Titel „30 Jahre Lovestories“ mit Installationen | |
im, ums und auf dem Haus organisiert. | |
Die regulären Ausstellungen kuratieren sie dagegen nicht. Früher stellten | |
sie ein Thema, jetzt ist die Bewerbung themenfrei. Ein vorgegebener Überbau | |
passe nicht mehr zu der neuen Künstlergeneration, begründen sie das. Viel | |
habe sich geändert, berichtet Heikenwälder: Die Künstler und das Publikum | |
seien jünger, während das Stammpublikum dem Haus die Treue halte. Man habe | |
mehr Gruppen- als Einzel-KünstlerInnen. Die Bewerbungen seien perfekter und | |
digital. Für ihn sei das eine Herausforderung, weil ihm nicht so schnell | |
klar sei, wie die Werke in realer Hängung wirken. | |
Die überlässt man dann den Ausstellenden. Dabei werden sie durch Paten aus | |
dem Haus betreut. Seit 2010 schreibt der Verein das einjährige | |
Klaus-Kröger-Atelierstipendium für den ehemaligen Arbeitsraum des Künstlers | |
(1920–2010) an Studierende aus. Die zeigen ihre entstandenen Werke dann | |
üblicherweise zusammen mit dem Nachlass eines Künstlers. Mit Performances | |
in Kombination mit den Ausstellungen schlagen die KünstlerInnen des Hauses | |
einen Bogen zu einer Tradition, die in den 1920er-Jahren begann, als im | |
ehemaligen „Musischen Gymnasium Sootbörn“ unter anderem die Tänzerin Mary | |
Wigman ihre Arbeit präsentierte. | |
Das heutige Künstlerhaus mit 14 Ateliers, Vortrags- und Ausstellungsraum | |
ist das Resultat langwieriger Anstrengungen einer Gruppe Künstler, die die | |
Ruine in den 1980ern entdeckt und ausgebaut hatte. 1992 übergab die | |
Schulbehörde das Haus dann über die Kulturbehörde offiziell der | |
Künstlerinitiative. Der Verein „[2][Forum für Künstlernachlässe]“ (FKN)… | |
ein, der Sammlungen von KünstlerInnen mit direktem Hamburg-Bezug verwaltet, | |
darunter historische, wie das der Malerin Alma del Banco, oder | |
zeitgenössische, wie das der 2012 verstorbenen Maksa. Kann sich noch jemand | |
an die leuchtend orange Röhre mit der Kette erinnern, die „Tunnelplastik“ | |
von Friedrich Gräsel, die bis 1997 vor der Hamburger Kunsthalle lag? Auch | |
dieses Stück von 1973 lagert auf dem Gelände des Sootbörn. | |
Anlässlich des Jubiläums prangte auf dem Dach der große leuchtende Stern | |
von Julian Sippel. Ein Kontrast zur Ästhetik des Hauses, die in Material | |
und Form an Le Corbusier erinnert. Dabei waren die Architekten Ernst und | |
Wilhelm Langloh Walter-Gropius-Schüler gewesen. Wegen der | |
Lichtdurchlässigkeit wurde das Gebäude „Glaskasten“ genannt. | |
Damals war es noch zwei Geschosse höher – und der Flughafen kleiner. Die | |
dritte Einflugschneise gefährdete die oberen Etagen, also wurden sie Anfang | |
der 1950er-Jahre abgetragen. Heute führen dort Treppen gegen die Wand. Ab | |
1962 wurde die pädagogische Nutzung aufgegeben: Das Gebäude diente als | |
Schulmöbellager. | |
1993 hatte ich direkt am Hamburger Flughafen gewohnt, nahe der Abflughalle. | |
Damals hörte ich nicht nur die [3][Startgeräusche der Maschinen], sondern | |
auch zum ersten Mal vom neuen „Künstlerhaus Sootbörn“. Ich versuchte | |
einmal, die Straße auf dem Stadtplan zu entdecken, gab aber nach kurzem | |
Versuch auf. Ich fand es einfach nicht. Stadtpläne waren damals ja noch aus | |
Papier und oft zerknittert oder eingerissen. Kleine Straßen gingen also | |
auch mal unter. Viel später erst habe ich endlich erkannt, dass ich damals | |
nur einen kurzen Weg entlang des Flughafens-Rollfelds gehabt hätte, um an | |
diesen wildromantischen Ort zu gelangen. | |
25 Aug 2023 | |
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