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# taz.de -- Profiboxer stirbt mit 69 Jahren: Groß in der Halbwelt
> René Weller, der Boxer, ist tot. Seine Kampfbilanz ist beeindruckend, und
> doch schaffte es der Leichtgewichtler nie auf die ganz große Bühne.
Bild: „Knock ihn aus“: Renè Weller 1988 im Kampf gegen den Franzosen Jose …
Weltmeister war er, auch wenn das nur ganz selten erwähnt wird. René Weller
wurde im Oktober 1983 Superfedergewichtsweltmeister der World Athletics
Association (WAA). Dieser Verband war völlig unbedeutend, das wusste
Weller, aber als man ihn darauf ansprach, dass dies doch ein Operettentitel
sei, antwortete er klug: „Die WAA gibt mir als einzige die Chance.“
So viele Chancen hatte René Weller nämlich gar nicht in seinem Leben. Dass
Weller, geboren 1953 in Pforzheim, ein guter Boxer war und dass er ein ganz
großer Boxer hätte werden können, ist unstrittig. Als Amateur bestritt er
über 300 Kämpfe, die allermeisten gewann er. Schon in seinem dritten
Profikampf wurde er Deutscher Meister, und auch der Europameistertitel ließ
nicht lange auf sich warten.
Der Boxpromoter Wilfried Sauerland, der später mit Henry Maske ganz groß
rauskommen sollte, begann mit Weller. Er zahlte ihm monatlich 6.000 D-Mark
plus ein Handgeld von 100.000 D-Mark. Das war eine unglaubliche Summe im
Jahr 1980 – noch dazu in einer Branche, die völlig am Boden war.
So ging es mit René Weller auch weiter: ein Star in schlechten Zeiten.
Wären die Umstände andere gewesen, dann hätte sich so ziemlich alles anders
entwickelt. 1983 und 1984, als er seinen obskuren Weltmeistertitel
erkämpfte und allseits respektierter Europameister im Leichtgewicht wurde,
da wäre der Zeitpunkt gewesen, groß durchzustarten.
## Eine sensationell gute Bilanz
Aber es wartete niemand auf diesen Boxer, der gerne große Sprüche klopfte
und den sie den „schönen René“ riefen. Ein Sparring in der ARD bei Alfred
Biolek, ein Kurzauftritt im Film „Harte Fäuste“, das war schon fast die
Karriere neben dem Boxen. Und 1984 wurde René Weller verurteilt: 15.000
D-Mark Geldstrafe wegen Hehlerei. Vorher hatte es schon andere Prozesse
gegeben, aber ein besonders spektakulärer endete in der Berufung mit
Freispruch.
55 Profikämpfe verzeichnet die Datenbank [1][boxrec.com] für René Weller.
52 Siege, zwei Unentschieden und nur eine Niederlage, die bloß zustande
kam, weil sein Auge aufgeplatzt war und der Ringrichter abbrach. Das ist
eine sensationell gute Bilanz, und die Frage, warum einer wie Weller nie
einen ernstzunehmenden WM-Kampf bekam, ist nicht leicht zu beantworten.
Zwei solcher Titelkämpfe waren angesetzt, aber sie scheiterten immer an
Verletzungen von Wellers Gegner.
Weller hatte stets viele Fans. Schon zu Amateurzeiten haute er
publikumswirksam auf die Pauke, bestand darauf, mit sehr knappen Shorts in
den Ring zu steigen, während der Verband ihn zu den fast knielangen Buchsen
zwingen wollte. Weller zog eine eigene Marke für Lederjacken und Schmuck
auf, [2][„Rewell“ nannte er sie], und einen Schlager nahm er auch auf:
„Knock ihn aus“.
## Im Jahr 2014 wurde Demenz diagnostiziert
René Weller boxte sich durch deutsche Turnhallen, viele Fans reisten ihm
hinterher. „Ich musste auffallen, um populär zu werden“, begründete Weller
einmal sein extrovertiertes Auftreten. „Wer interessiert sich in
Deutschland schon für einen ganz normalen Leichtgewichtsboxer?“
1988 endete diese erste Boxerkarriere, 1992 feierte Weller sein erstes
Comeback. Es sollten immer wieder Ringabschiede und Neuanfänge folgen. Wie
auch Verurteilungen und Haftaufenthalte – wegen Hehlerei, Drogenhandel,
Waffenbesitz und solchen Delikten, die irgendwie zum westdeutschen
Profiboxen der Achtzigerjahre gehören. Fernsehauftritte in Formaten wie
„Die Alm“, „Sommerhaus der Stars“ oder „Frauentausch“ hatte René W…
doch nicht einmal das „Dschungelcamp“ wollte ihn.
[3][Im Jahr 2014 wurde Demenz diagnostiziert], das machte den schönen René
wieder interessant für Medien. Seine Freundin und spätere Frau Maria Dörk
hatte ein Enthüllungsbuch angekündigt, Meldungen über finanzielle
Schwierigkeiten drangen durch, aber dennoch nahm das mediale Interesse an
René Weller ab.
Er war ein Klasseboxer zur falschen Zeit, ein Weltmeister beim falschen
Verband, einer, der das Zeug zum Star besaß, wenn die Gesellschaft doch
bloß einen boxenden Star gesucht hätte. Am Dienstag ist René Weller in
Pforzheim im Alter von 69 Jahren gestorben.
23 Aug 2023
## LINKS
[1] http://boxrec.com
[2] https://www.rene-weller.de/
[3] https://www.youtube.com/watch?v=QhHdTeujRfY
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Boxen
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