| # taz.de -- Umgang mit der AfD: Abgrenzen ohne auszugrenzen | |
| > Die demokratischen Parteien finden kein Mittel gegen Höcke & Co.. Die AfD | |
| > zu integrieren, ist angesichts deren Extremismus zu riskant. Was dann? | |
| Bild: AfD-Mitglieder sehen sich im Aufwind, wie dieser Delegierter in Magdeburg… | |
| Auf ihrem Bundesparteitag in Magdeburg machten fast alle relevanten Medien | |
| der AfD den Hof. Höcke, der ungekrönte Führer der Partei, war der | |
| Magdeburger Medienliebling. Wo er ist, sind die Kameras und Mikrofone. | |
| [1][Wenn schon eine AfD-Stimme einfangen, dann bitte eine radikale.] Zumal | |
| die sogenannten Gemäßigten sich in Magdeburg zurücklehnten und schwiegen. | |
| Inhaltliche Diskussionen, etwa über die Frage nach einem Austritt | |
| Deutschlands aus der EU oder zum Verhältnis der Partei zur Nato, konnten | |
| die Stimmung nicht trüben. Sie fanden nicht statt. Die Stimmung in der AfD | |
| ist so gut wie lange nicht. Umfragehoch reiht sich an Umfragehoch – trotz | |
| oder wegen programmatischer und personeller Radikalität. So gibt es eine | |
| doppelte Problemlage. Was macht die AfD mit der potenziellen Macht? Und wie | |
| gehen die anderen Parteien und der Staat mit ihr um? | |
| Die Machtoptionen der AfD sind begrenzt. Nur als Teil einer Koalition kann | |
| sie in Regierungsverantwortung kommen. Wie das angesichts der zunehmenden | |
| Radikalisierung möglich sein soll, ist ungeklärt. | |
| Die Partei hat sich in eine splendid isolation manövriert. Sie gefällt sich | |
| ganz gut in der Rolle als radikale Außenseiterin. Aber sie wird damit auch | |
| ihre jetzigen Unterstützer enttäuschen. Umso mehr sie von der Macht | |
| spricht, umso mehr wird sie entweder weiter randständig bleiben oder sie | |
| muss sich wie ein Teil ihrer europäischen Schwesterparteien anpassen. | |
| Wer ist die AfD? Trotz der Dominanz des rechtsextremen Flügels gibt es auch | |
| die anderen. Die eine konservative Partei rechts von der Union wollen, die | |
| die anderen Parteien abgeschrieben haben, die Unzufriedenen etc. Aktuell | |
| arrangieren sie sich [2][mit der Dominanz der Radikalen] und ordnen sich | |
| unter. Im Weggehen sehen sie keine Alternative. Weil niemand auf die | |
| wartet. Wenn sie Mandat und Einfluss behalten wollen, dann geht dies nur | |
| mit der AfD. Außerhalb dieser Partei gibt es für sie keinen beruflichen und | |
| politischen Erfolg. | |
| Für die demokratischen Parteien zeigen sich vier mögliche Strategien des | |
| Umgangs mit der AfD. Die radikalste ist die der Ausgrenzung. [3][Die | |
| Forderungen nach einem Verbot der AfD werden lauter.] Doch dieser Weg ist | |
| riskant, die Hürden für ein Parteiverbot in Deutschland sind – | |
| berechtigterweise – hoch. | |
| Es ist daher fraglich, ob sich Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung | |
| trauen werden, einen Verbotsantrag zu stellen. Angesichts der Stärke der | |
| AfD, gerade in Ostdeutschland, wäre das ein riskantes Unterfangen. | |
| Zweitens gibt es die Möglichkeit des Umarmens und der Kooperation. Durch | |
| die Übernahme von Teilen der Programmatik der AfD, insbesondere im Feld der | |
| Migrationspolitik, sollen AfD-Wähler zurückgewonnen und die Partei so | |
| geschwächt werden. Dieser Weg ist riskant. Denn er birgt die Gefahr, dass | |
| eine partielle Übernahme von AfD-Positionen diese im Diskurs aufwertet und | |
| so im Gegenteil die Partei eher stärkt als schwächt. | |
| Drittens ist denkbar, nur punktuell mit der AfD zu kooperieren und in | |
| einzelnen Sachfragen Anträgen der Partei zuzustimmen oder bei konkreten | |
| Fragen zusammenzuarbeiten. Doch auch hier besteht die Gefahr einer | |
| Normalisierung der Partei. | |
| Die vierte Strategie besteht im „Abgrenzen, ohne auszugrenzen“. Das heißt | |
| anzuerkennen, dass die Mandatsträger der AfD demokratisch gewählt sind. | |
| Deshalb können sie nicht aus dem Diskurs ausgegrenzt werden, deshalb kommt | |
| ein Parteiverbot nicht infrage. Doch angesichts der demokratiefeindlichen | |
| Positionen der AfD scheidet auch eine Kooperation klar aus. | |
| Aktuell entsteht durch die irrlichternden Einlassungen des CDU-Vorsitzenden | |
| Merz der Eindruck, eine Kooperation mit der AfD sei auf kommunaler AfD | |
| zumindest in einzelnen Fragen unproblematisch. Es stimmt, dass es in | |
| Kommunalparlamenten oft um Sachfragen wie den Unterhalt von Straßen, den | |
| Bau von Feuerwehrhäusern oder die Sanierung von Schulen und Turnhallen | |
| geht. | |
| Doch daraus sollte man nicht ableiten, die kommunale Ebene wäre weniger | |
| bedeutend und eine Kooperation mit der AfD dort kein Problem. Die Kommunen | |
| sind Schulen der Demokratie, 200.000 Mandatsträger:innen sind hier | |
| aktiv. Die Machtübernahme der Nazis startete übrigens nicht im Reichstag, | |
| sondern in den Thüringer Kommunalparlamenten. Eine konkrete Abgrenzung von | |
| der AfD muss also in den Kommunalparlamenten starten, sonst wird sie nicht | |
| funktionieren. Und das ist nicht leicht, weil sich die handelnden Personen | |
| lange kennen und sich teilweise vertrauen. | |
| Zugleich erleben sie die Interventionen ihrer Parteien als | |
| „wirklichkeitsfremd“. Weil das so ist, bedarf es intensiver Debatten, die | |
| nicht leicht sind und auch nicht immer das erwünschte Ergebnis haben. Auch | |
| deshalb, weil vielfach nicht der extremistisch völkische Kern gesehen wird, | |
| sondern der Protest und das nachvollziehbare Unbehagen. Wird die AfD in den | |
| Kommunalparlamenten als normal betrachtet, spricht auch nichts mehr | |
| dagegen, sie auf Landes- und Bundesebene zu wählen. | |
| Unsere Geschichte mahnt uns zu besonderer Verantwortung, den Aufstieg der | |
| AfD auf allen Ebenen zu verhindern. Andererseits macht man es sich zu | |
| leicht, eine Partei, die von bis zu 20 Prozent der Bürger:innen gewählt | |
| wird, einfach nur als rechtsextrem zu sehen und zu verbieten. | |
| Der richtige Umgang besteht daher im oben beschriebenen „Abgrenzen, ohne | |
| auszugrenzen“: klare Position gegen die AfD beziehen, keine Kooperation mit | |
| ihr, aber kein völliger Ausschluss aus dem Diskurs. Wenn die Partei Anträge | |
| stellt, die sinnvoll erscheinen und denen von den demokratischen Parteien | |
| auch zugestimmt werden kann, dann sollten diese einen eigenen Antrag mit | |
| eigener Begründung formulieren. | |
| Das ist das Gebot der wehrhaften Demokratie. So bleibt eine sachorientierte | |
| Politik auf kommunaler Ebene möglich, ohne dass die AfD legitimiert und | |
| normalisiert wird. | |
| 3 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.sueddeutsche.de/politik/parlament-magdeburg-thueringens-afd-che… | |
| [2] /AfD-Parteitag-in-Magdeburg/!5947746 | |
| [3] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/menschenrechtsinstitut-voraussetzung… | |
| ## AUTOREN | |
| Wolfgang Schroeder | |
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