# taz.de -- Mick Jagger wird 80: 50 Jahre Selbstplagiat | |
> Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger feiert seinen 80. Geburtstag. Ein | |
> Ständchen mit gemischten Gefühlen. | |
Bild: Rockstar mit 80: Mick Jagger | |
„Aber,Miss You'! Das hat doch Theo Parrish in den schönsten Morgenstunden | |
aufgelegt und wir waren verrückt vor Glück! Oder war’s Moodymann?“ Das | |
erwidern Connaisseure beseelter House Music, wenn’s um Mick Jagger geht. | |
Dabei passt die Geschichte seiner Band bequem in einen Zweiteiler. Phase I: | |
die halbwegs produktiven Anfänge 1962–1972. Phase II: 50 Jahre | |
Selbstplagiat. | |
Okay, 1978 haben die [1][Rolling Stones] noch ein paar lichte Momente mit | |
dem Album „Some Girls“, das, freundlich formuliert, die in der aufgeheizten | |
Luft liegenden keineswegs konträren, sondern vielmehr komplementären | |
Strömungen Punk und Disco aufsaugt, inkorporiert und ausdünstet. | |
Klingt nach Schweiß? Ja, auch das. Weniger freundlich könnte man von einem | |
Triumph der musikalischen Aneignung sprechen, eine Disziplin, auf deren | |
Beherrschung die Karriere von Jagger und Co. fußt, was hier als | |
ästhetisches und keinesfalls moralisches Urteil zu verstehen ist, denn Pop | |
ist nicht zu haben ohne Aneignung von Vorhandenem. | |
Was bleibt, sind andere Fragen: Wer war zuerst da? Wer zahlt die Zeche? | |
Kürzer und prosaischer hat ein Beatle die Geschichte der Rolling Stones | |
erzählt. [2][Paul McCartney,] selbst begnadeter Artist in Sachen | |
produktiver Aneignung, der voriges Jahr 80 wurde und Jagger auch in allen | |
anderen Belangen voraus war. Eine okaye Blues-Cover-Band sei das, die ihren | |
Namen einem Muddy-Waters-Song verdankt, so Paul vor ein paar Jahren, | |
freundlich lächelnd. | |
Klar gilt auch: Keine Beatles ohne Motown, Ronettes und Chuck Berry, aber | |
sie haben es halt schneller und origineller geschafft, diese Einflüsse zu | |
etwas gänzlich Neuem zu kanalisieren und, wichtiger, sie haben es geschafft | |
aufzuhören, bevor’s zu spät ist. | |
Aber Schluss jetzt mit den alten Geschichten, bevor dieser Text in jenem | |
Altersheim endet, dessen Bild auf dem Klo eines Freundes hängt. Also dort | |
hängt ein Cartoon, auf dem sehr alte Männer sich Sprechblasen um die Ohren | |
hauen (Frauen nicht im Bild): „Beatles!“ – „Stones!!“ – „Beatles!… | |
„Stones!!!!“. | |
Außerdem waren die Beatles nicht so verbohrt, ihr kreativstes, wenn auch | |
wenig pflegeleichtes Mitglied zum Teufel zu jagen: Je mehr Brian Jones, | |
desto aufregender die Stones. Damit war 68 Schluss. | |
Zurück zu Mick Jagger, der heute 80 wird. Manche halten ihn für einen | |
passablen Tänzer, der seine Signature Moves bei James Brown und [3][Tina | |
Turner] abgeschaut hat. Eher unterwürdigt sind seine Fähigkeiten als | |
Texter. So verdanken wir dem Studenten der Wirtschaftswissenschaften und | |
späteren Bewunderer von Margaret Thatcher den dümmsten Rocksong, der je | |
über Rock geschrieben wurde. „It’s only Rock but Roll and I like it“ sin… | |
Jagger 1974 und spricht damit all jenen aus der Seele, die Pop schon immer | |
für überschätzt hielten, nicht der Rede wert, trivial. | |
Dabei waren ihm doch selbst ein paar Songs gelungen, die schon der Rede | |
wert waren, nicht only Rock and Roll, dafür Musik zur Zeit. Aber auf jedes | |
„Street Fighting Man“ kommen nun mal drei „Out of Time“ (Baby du bist | |
passé), auf jedes „Sympathy for the Devil“ ein „Stupid Girl“, ein | |
Racheporno wie „Under my Thumb“ oder ein „Yesterday’s Papers“. Da wer… | |
Mädchen in puncto Gebrauchswert und Verfallsdatum mit den Zeitungen von | |
gestern gleichgesetzt. | |
Apropos Mädchen. Besser noch als Paul McCartney bringt Christiane Rösinger | |
die Verdienste des Jubilars auf den Punkt: „Es ist ein rein körperlicher | |
Entschluss, dass ich jedes Mal, wenn ich das Wort,Freiheit' aus einem | |
Männermund höre, kotzen muss.“ War ihr Westernhagen aufgestoßen? Oder | |
Jagger? „I’m free to do what I want any old time.“ Auf wessen Kosten? Hap… | |
Birthday! | |
26 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Walter | |
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