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# taz.de -- Israelisch-ungarische Freundschaft: Fundamentalisten vereint im Hass
> Warum mögen sich Netanjahu und Orban? Weil sie konservativ sind. In
> Israel hat eine Anti-LGBT-Einstellung Tradition. Zumindest außerhalb von
> Tel Aviv.
Bild: Viktor Orban und Benjamin Netanjahu im Jahr 2019
Die USA initiierten jüngst eine scharfe Verurteilung der Anti-LGBT-Gesetze
in Ungarn, der sich über 30 Länder anschlossen, darunter die
Bundesrepublik. Das einzige europäische Land, das die Kritik verweigerte,
war Polen. Auch Israel unterzeichnete die Stellungnahme nicht, obschon das
Weiße Haus Jerusalem ausdrücklich dazu aufgefordert hatte. Grund für die
israelische Haltung dürften die engen Beziehung zwischen Jerusalem und
Budapest sein.
In den vergangenen Jahren sind sich Benjamin Netanjahu und Viktor Orbán
noch näher gekommen. Rechte Politiker aus dem Umfeld Netanjahus reisen
regelmäßig nach Budapest und preisen die weltanschaulichen
Übereinstimmungen der Rechten Israels und Ungarns. Umgekehrt machen sich
die Ungarn innerhalb der EU für Israel stark, wenn es um eine Verurteilung
der israelischen Politik geht. Aber das ist nicht die ganze Geschichte.
Über Jahrzehnte war [1][Israel] ein konservatives Land, allerdings nicht im
religiösen, sondern im sozialistischen Sinne. Die Jugendbewegung, der ich
im Kibbuz angehörte, nannte sich „Hashomer Hatzair“, zu Deutsch: „der ju…
Wächter“, der, wie wir auswendig lernen mussten: „nicht trinkt, nicht
raucht und sexuelle Reinheit bewahrt“. In den 90er Jahren wurde die
Gesellschaft offener, entspannter und befreiter, vor allem in der Tel
Aviver „Blase“. Außerhalb der Stadtgrenzen fand bisweilen genau das
Gegenteil statt. Dort nahm der Einfluss der konservativen und
fundamentalistischen Gruppen nur noch zu. Diese Gruppen standen auch unter
dem Einfluss der Rechts-Religiösen in den USA, und so kam es, dass ein Teil
der israelischen Rechts-Religiösen weniger vom „heiligen Land“ und dem
unteilbaren Großisrael sprach, als von Geschlechtertrennung und der Wahrung
der Jungfräulichkeit.
Im Laufe der Jahre wurde die Auseinandersetzung mit dem Thema LGBT, allen
voran schwule Männer, zu einer regelrechten Obsession. Ultraorthodoxe
propagierten Konversionstherapien und beschimpften Homosexuelle als
schmutzige, wilde Tiere, die sich wider die Natur verhielten. Infolge der
letzten Parlamentswahlen zogen Vertreter dieser Gruppen in die Regierung
Netanjahus ein. Dort sind sie Herren über umfangreiche Budgets, die es
ihnen ermöglichen, ihre verstörenden, abscheulichen Vorstellungen in das
israelische Bildungssystem einfließen zu lassen.
## Rückendeckung für Ungarn aus ideologischen Gründen
So entsteht eine dichotome, brisante Situation. [2][Während in Tel Aviv
riesige Pride-Partys stattfinden], die gesamte Stadt und die Knesset in
Jerusalem die Regenbogenfahne hisst, steht ein großer Teil der israelischen
Gesellschaft der Queer-Community durch und durch feindselig gegenüber. In
manchen Gegenden riskieren offen homosexuell lebende Menschen Übergriffe.
Ein Abgeordneter verkündete jüngst in der Knesset, dass Queers
„gefährlicher als der IS“ seien. Die Pride-Paraden finden zwar fast im
ganzen Land statt, aber außer in Tel Aviv müssen sie polizeilich vor
eventuellen Angriffen geschützt werden. In Jerusalem hat vor wenigen Jahren
ein religiöser Fanatiker ein junges Mädchen im Verlauf der Pride-Parade
erstochen. Die Lage im arabischen Sektor ist noch schlechter. Dort wurde
vor Kurzem eine junge lesbische Frau von Familienangehörigen getötet.
Völlig klar, dass die israelische Rückendeckung für Ungarn nicht nur auf
Interessen basiert, sondern durchaus ideologische Gründe hat. Die
christliche Feindschaft allem augenscheinlich „Naturwidrigen“ gegenüber
setzt die alte jüdische Obsession vom Unreinen und der Schande fort, von
der schon der [3][Prophet Hesekiel (22,4)] in der Bibel schrieb: „Darum
will ich dich zum Spott unter den Heiden und zum Hohn in allen Ländern
machen.“
Aus dem Hebräischen von Susanne Knaul
23 Jul 2023
## LINKS
[1] /Israel/!t5007708
[2] /Pride-Parade-in-Israel/!5934657
[3] https://www.bibleserver.com/LUT/Hesekiel22
## AUTOREN
Hagai Dagan
## TAGS
Kolumne Fernsicht
Schwerpunkt LGBTQIA
Benjamin Netanjahu
Israel
Ungarn
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Jugendkultur
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IG
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