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# taz.de -- Situation freier KünstlerInnen in Berlin: Fahrstuhl nur aus Kulanz
> Die MieterInnen in einem Atelierhaus haben mit dem Verlust ihrer
> Fahrstühle und einer ungesicherten Zukunft zu kämpfen – der Bezirk redet
> sich heraus.
Bild: Im Atelierhaus heißt es nun „Im Normalfall nicht benutzen“ (Symbolbi…
Berlin taz | Ute Aurand und Robert Beavers haben ein Problem: Die
[1][FilmkünstlerInnen] verwenden analoges Material, ihre 16-mm- und
35-mm-Filme bearbeiten sie am Schneidetisch, zur Vervielverfältigung müssen
sie sie ins Kopierwerk schicken. Seit Februar müssen sie ihre Logistik über
vier Stockwerke im Treppenhaus abwickeln – die Fahrstühle in dem
bezirkseigenen [2][Atelierhaus Sigmaringer Straße 1] in Wilmersdorf sind
außer Betrieb.
Für die beiden ist das gerade noch zu bewältigen. „Eine Ateliernachbarin
hat eine schwere Gehbehinderung“, sagt Beavers, „sie kann ihren Raum seit
Monaten gar nicht mehr nutzen.“ Auch eine andere Künstlerin ist besonders
betroffen – sie hat ein kleines Kind, und die Aufzüge in dem bezirkseigenen
Gebäude unweit des Fehrbelliner Platzes waren deshalb entscheidend für ihre
Bewerbung.
Der Grund für das Fahrstuhl-Aus ist die Renovierung des zweiten Flügels des
Nachkriegsgebäudes, in dem bis 2022 das Unternehmerinnen-Centrum West
untergebracht war. Auch im Atelierhaus ist baulich nichts mehr auf dem
letzten Stand, es gab schon öfters Probleme mit platzenden Wasserleitungen.
Ab 2026 soll auch dieser Trakt saniert werden. Die Mietverträge für die
Ateliers, die über das [3][Kulturwerk des Berufsverbands Bildender
Künstler*innen Berlin (bbk)] laufen, enden im Dezember 2025. Die rund 30
Künstlerinnen sind verunsichert, wie es danach für sie weitergeht.
Der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker war auf die Situation aufmerksam
geworden und hatte eine [4][Anfrage an die Senatskulturverwaltung
gestellt]. Tenor der Antwort: Da kann man nicht viel machen. Die
Fahrstühle, die nun ausschließlich für die Bauarbeiten zur Verfügung
stehen, seien nie Vertragsbestandteil gewesen, sondern aus Kulanz zur
Verfügung gestellt worden. Und: „Dem Senat und dem Bezirksamt ist bisher
nicht bekannt gewesen, dass es im Atelierhaus mobilitätseingeschränkte
Personen gibt, die auf die Nutzung angewiesen sind.“ Weiter heißt es, über
den Fortbestand nach der Sanierung sei „bisher keine Entscheidung
gefallen“.
Was etwaige Ausweichmöglichkeiten für die KünstlerInnen angehe, befänden
sich Senat und Bezirksamt „im Austausch“. Verwiesen wird auf ein Gespräch,
das im April zusammen mit dem Atelierbeauftragten des Landes stattgefunden
habe.
## „Mich beunruhigt das“
Martin Schwegmann, der Atelierbeauftragte, bestätigt gegenüber der taz
das Gespräch. Die Kultur-Stadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) habe sich
dabei auch für Lösungen eingesetzt. „Leider ist es mir seit Mai nicht mehr
gelungen, mit Frau Schmitt-Schmelz telefonisch oder per E-Mail in Kontakt
zu treten“, sagt Schwegmann nun. „Inzwischen beunruhigt mich das.“
Er verweist auf die prekäre Lage der freien KünstlerInnen: Geschätzt 10.000
betreiben Malerei, Bildhauerei oder Installationskunst in der Stadt, 1.214
vom Land geförderte und vom bbk vergebene Ateliers stehen aktuell zur
Verfügung. Im April gingen auf die Ausschreibung von 3 Räumen ganze 190
Bewerbungen beim bbk ein. Das korrespondiert mit den [5][Ergebnissen einer
aktuellen Umfrage des Verbands], nach der über 60 Prozent der Befragten
kein eigenes Atelier haben, es gerade verloren haben oder dabei sind, es zu
verlieren.
Schwegmann hebt positiv hervor, dass der neue Kultursenator Joe Chialo
(CDU) bei den ebenfalls von Kündigung bedrohten [6][Ateliers in den
Weddinger Uferhallen] „Tatkraft“ bewiesen habe. Dort soll nun das Land für
30 Jahre Generalmieter des privaten Eigentümers werden und die Räume
weitervermieten – allerdings wohl zu deutlich höheren Mieten. Es müsse sich
noch erweisen, „wie tragfähig die Lösungen am Ende wirklich sind“, so der
Atelierbeauftragte.
In Sachen Sigmaringer Straße 1 sagt Linken-Politiker Schenker, er könne
derzeit noch nicht das Interesse des Bezirksamts an einer dauerhafte Lösung
für die KünstlerInnen erkennen, die dort teilweise schon seit 15 Jahren
arbeiten. „Vor allem wird mit den KünstlerInnen selbst nicht darüber
gesprochen“, so Schenker. „Der Bezirk muss einfach mal deutlich machen, was
er an der Stelle möchte.“ Die Linksfraktion in der BVV bereitet in jedem
Fall schon einen Antrag zum Erhalt des Atelierhauses vor.
28 Jul 2023
## LINKS
[1] /Filmemacherin-ueber-die-Berlinale/!5569305
[2] http://www.sigmaringer1art.de/
[3] https://www.bbk-kulturwerk.de/
[4] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-16…
[5] /Ateliersterben-in-Berlin/!5938780
[6] /Verdraengung-in-Berlin/!5930109
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Künstler
Wilmersdorf
Joe Chialo
Kunst Berlin
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