# taz.de -- Polizeigewalt in Frankreich: U-Haft auch für Polizisten | |
> In Marseille wird gegen vier Polizeibeamte ermittelt, die in den | |
> Krawallnächten im Einsatz waren. Der Polizeichef verlangt ihre sofortige | |
> Freilassung. | |
Bild: Ermittlungen gegen Kollegen: Polizisten in Marseille | |
PARIS taz | Nicht nur der [1][Tod des jungen Nahel], der Ende Juni in | |
Nanterre bei einer Kontrolle von einem Streifenpolizisten erschossen | |
wurde, wird gerichtliche Folgen haben. Auch in Marseille ermittelt die | |
Justiz gegen Polizeibeamte, die bei den Krawallen im Einsatz waren, wegen | |
des Verdachts auf schwere Körperverletzung. Was in einem Rechtsstaat | |
selbstverständlich ist, erregt in Kreisen der französischen „Ordnungshüter… | |
Anstoß. Alleine schon der von den Medien verwendete, aber pauschale Begriff | |
„Polizeigewalt“ sei absurd und eine Beleidigung der staatlichen Autorität. | |
In Marseille demonstrieren Polizisten offen gegen die Eröffnung von | |
Gerichtsverfahren gegen vier ihrer Kollegen. Und dass einer von ihnen | |
aufgrund einer richterlichen Anordnung bis zum Prozess in Untersuchungshaft | |
sitzt, erscheint ihnen unvorstellbar. Die Polizeigewerkschaften verlangen | |
die sofortige Freilassung. | |
Seit Wochenbeginn haben sich Dutzende von Beamten aus Solidarität mit ihm | |
krank geschrieben oder leisten nur Dienst nach Vorschrift. In der Folge ist | |
die Aktivität in den Kommissariaten auf ein striktes Minimum reduziert. Es | |
geht den Polizeibeamten ums Prinzip, um einen Präzedenzfall. | |
Die Debatte hat sich deshalb auf das ganze Land ausgedehnt, weil nun auch | |
der Chef der nationalen Polizei, Frédéric Veaux, die polizeilichen Proteste | |
gegen die Justiz unterstützt hat. In einem Interview sagte er, es gehe | |
nicht an, dass ein Polizist, auch wenn er im Dienst einen schweren Fehler | |
begangen habe, in Untersuchungshaft gesteckt werde. Gibt es also für die | |
Polizei, die in einem demokratischen System ein Gewaltmonopol im Namen des | |
Volkes besitzt, bei Verstößen gegen Regeln und Gesetze eine | |
Sonderbehandlung? | |
## Macron: Niemand steht über dem Gesetz | |
Die Polizisten von Marseille, die sich nicht damit abfinden wollen, dass | |
die Justiz ihre Kollegen behandelt wie andere Bürger und Bürgerinnen, sind | |
aufgebracht. Da sich die Regierung im Kontext der jüngsten Krawalle nach | |
dem Tod von Nahel auf keinen Fall mit den Ordnungskräften anlegen möchte, | |
hat sich Innenminister Gérald Darmanin hinter den Polizeichef gestellt, | |
indem er ihm sein „volles Vertrauen“ ausgesprochen hat. [2][Staatspräsident | |
Emmanuel Macron reagierte zunächst gar nicht] und ließ schließlich | |
verlauten, er verstehe die „Emotion“ der Polizisten, aber generell stehe | |
„in der Republik niemand über dem Gesetz“. | |
Die Richter- und Anwaltsverbände, aber auch die linken Oppositionsparteien | |
sind dennoch weiterhin empört. Denn die Polizisten fühlen sich dank der | |
Rückendeckung durch ihre Vorgesetzten und die Staatsführung in ihrem | |
Widerstand gegen die Justiz bestärkt. | |
Dabei, so die Kritik, werde in unheilvoller Weise an den Fundamenten einer | |
demokratischen Ordnung gerüttelt. „Es gibt ein Prinzip der Demokratie: Das | |
Gesetz gilt für alle. Polizisten, die in Ausübung ihrer Funktion gegen das | |
Gesetz verstoßen, werden strafrechtlich verfolgt“, lautet der Protest aus | |
dem linken Lager. | |
Ob das nur ein Prinzip ist oder auch in der Gerichtspraxis existieren darf, | |
darüber wird jetzt in Frankreich noch gestritten werden. | |
27 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Landesweite-Krawalle-in-Frankreich/!5941462 | |
[2] /Frankreich-nach-den-Banlieue-Krawallen/!5950571 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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