# taz.de -- Russische Migranten kehren zurück: Angst vor Mobilmachung | |
> Nach der Mobilmachung im September 2022 flohen Tausende Männer aus | |
> Russland. Diejenigen, die zurückkommen, versuchen jetzt nicht | |
> aufzufallen. | |
Bild: Können die Rückkehrer noch so leben wie die Frauen in diesem Moskauer C… | |
Mein Bekannter, der Moskau im vergangenen September über Kasachstan | |
Richtung Tbilissi verlassen hatte, gab damals seine ganzen Ersparnisse für | |
Flugtickets aus. Immerhin ging es ihm darum, [1][der Mobilmachung] | |
Russlands zu entfliehen. Ein halbes Jahr später kehrte er jedoch zurück. | |
Ich habe davon nur erfahren, weil wir uns zufällig auf einer | |
Geburtstagsfeier gemeinsamer Bekannter trafen. Auf Social Media tut er | |
alles, damit es so aussieht, als halte er sich weiter nicht in der | |
russischen Hauptstadt auf. | |
Über seinen Umzug und seine Rückkehr erzählte er, dass er Georgien liebe | |
und den Mut der Georgier bewundere, die gegen [2][das | |
Ausländische-Agenten-Gesetz] auf die Straße gegangen waren. Aber er könne | |
nicht länger dort bleiben, da er in Moskau leben wolle. Als die russischen | |
Behörden bekannt gaben, dass die Grenzen für diejenigen geschlossen würden, | |
die eine Vorladung zur Einberufung bekommen haben, schrieb er mir, dass er | |
einen Job in Moskau suche und zu Vorstellungsgesprächen gehe. Er war immer | |
gegen Putins Krieg. Auch jetzt beteuert er, dass er ihn ablehne. Dennoch | |
ist er zurückgekommen. | |
Ein paar Wochen später erfuhr ich, dass ein anderer Bekannter, der vor der | |
Mobilmachung geflohen war, ebenfalls wieder in die russische Hauptstadt | |
zurückgekehrt ist, [3][aus dem georgischen Batumi]. Er versuche, nicht groß | |
an seine Emigration zu denken und zu leben wie in der Zeit davor, sagt er; | |
in Bars und Cafés gehen und sich mit Freunden treffen. | |
Es sind Männer im wehrpflichtigen Alter, die jetzt zur „Risikogruppe“ | |
gehören und jeden Tag einberufen werden könnten. Aber sie sagen mir auf | |
Nachfrage, dass sie jetzt einfach „nicht darüber nachdenken“ und sich | |
stattdessen Arbeit suchten, durch die Straßen ihrer geliebten Stadt liefen | |
und ihre Freunde treffen wollten. Und nur leise miteinander über Politik | |
sprächen. | |
Noch im Februar 2023 hatten russische Beamte erklärt, dass 60 Prozent | |
derer, die wegen des Krieges das Land verlassen haben, zurückkehren würden. | |
Auch wenn bis heute darüber keine genaue Zahlen oder statistischen | |
Erhebungen veröffentlicht wurden, ist der Trend im Sommer 2023 klar: Die | |
Zahl der Rückkehrer aus anderen Ländern wächst – trotz des Risikos der | |
Mobilmachung, trotz neuer repressiver Gesetze, trotz schwieriger | |
Wirtschaftslage in Russland. | |
Es wäre falsch zu sagen, dass das alles schwache Menschen sind, die sich | |
nicht bemüht hätten, anderswo klarzukommen. Sie distanzieren sich nicht von | |
ihrer Antikriegshaltung. Aber sie sind, wie sie nun sagen, „ruhiger“ | |
geworden. Zugleich fürchten sie Repression und Denunziation. Sie versuchen, | |
in den großen Firmen, in denen sie arbeiten, weniger über Politik zu | |
diskutieren, und zeigen keine pazifistischen Zeichen mehr. Auch auf ihren | |
Social-Media-Accounts dominiert die Stille. | |
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]. | |
Finanziert wird das Projekt von der [5][taz Panter Stiftung]. | |
Ein Sammelband ist im [6][Verlag edition.fotoTAPETA] erschienen | |
12 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Mobilmachung-in-Russland/!5886193 | |
[2] /Georgien-stimmt-gegen-NGO-Gesetzentwurf/!5921111 | |
[3] /Fluchtziel-Georgien/!5865246 | |
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/ | |
[5] /Panter-Stiftung/Projekte/Internationale-Projekte/Osteuropa/!p5113/ | |
[6] https://www.edition-fototapeta.eu/ | |
## AUTOREN | |
Xenia Babich | |
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