# taz.de -- Prozess wegen Mordes in der Ukraine: Ein Zeichen gegen Korruption | |
> Die Drahtzieher des Mordes an der Umweltaktivistin Kateryna Handsjuk | |
> werden zu Haft verurteilt. Jahrelang waren Polizei und Justiz untätig. | |
Bild: Kiew, 03. 11. 2019: Gedenkmarsch für die ermordete Aktivistin Kateryna H… | |
Kiew taz | Drei Jahre hat das Gericht geprüft, getagt und vertagt. Dass es | |
dann am Montag dem Antrag der Staatsanwaltschaft nachgekommen ist und | |
Vladislav Manger und Oleksiy Levin zu zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe | |
von 120.000 Euro verurteilt hat, ist eine kleine Sensation. Mit seiner | |
Entscheidung hat das Gericht in Kiew zwei hoch angesehene Personen des | |
öffentlichen Lebens aus dem südukrainischen Cherson wegen Auftragsmord an | |
der Aktivistin, Waldschützerin, Mitarbeiterin der Stadtverwaltung und | |
Korruptionsbekämpferin Jekaterina Handsjuk verurteilt. | |
Der Mord hatte [1][landesweit für Entsetzen gesorgt]. Am 31. Juli 2018 | |
schüttete ein Mann in Cherson einen Liter Schwefelsäure auf die 33-jährige | |
Jekaterina Handsjuk. 40 Prozent ihrer Körperoberfläche waren dabei in | |
Mitleidenschaft gezogen. Im November 2018 erlag Handsjuk in einem Kiewer | |
Krankenhaus ihren Brandverletzungen. | |
Sofort nach dem Anschlag ließen Ermittler des ukrainischen | |
Inlandsgeheimdienstes auf ihrer Facebookseite verlauten, der Anschlag auf | |
Handsjuk könne möglicherweise in einem Zusammenhang mit ihren Ermittlungen | |
zu Brandstiftung in den Wäldern von Cherson stehen. | |
Dort hatten mafiöse Strukturen Wälder mit Brandstiftung gezielt geschädigt, | |
um anschließend Abholzungsgenehmigungen zu erhalten. Handsjuk sparte nicht | |
mit persönlicher Kritik und warf dem Chef des Regionalrats von Cherson, | |
Manger, vor, mit Schlägerbanden gegen Kritiker der Abholzungen in der | |
Region vorzugehen. Hunderte protestierten wenige Wochen vor dem Angriff auf | |
Handsjuk gegen Waldabholzungen. | |
## Ein Angeklagter bereits 2019 zum Verdächtigen erklärt | |
Auch der damalige Innenminister, Arsen Awakow, war ins Kreuzfeuer der | |
Kritik geraten, hatte er doch vorschnell den Verdächtigen Sergej Nowikow | |
zum Schuldigen an dem Mord an Handsjuk erklärt. Doch ein Jahr später, 2019, | |
klickten bei fünf Verdächtigen die Handschellen. Anschließend wurden Serhiy | |
Torbin, Viktor Horbunov, Volodymyr Vasyanovych, Mykyta Hrabchuk und | |
Viacheslav Vyshnevskyi verurteilt – Torbin als Organisator des Anschlags zu | |
6,5 Jahren, Handsjuk, der die Säure direkt auf die Frau geschüttet hatte, | |
zu 6 Jahren Haft. Beide kamen jedoch Ende Februar 2022 frei, weil sie sich | |
freiwillig zur Armee an die Front gemeldet hatten. | |
Die Ermittler hatten bereits im Februar 2019 den Angeklagten Manger zum | |
Verdächtigen erklärt. Die Polizei ermittelte erst gar nicht, danach – auf | |
Druck von Aktivisten – widerwillig. Landesweit lief eine monatelange | |
Kampagne für eine lückenlose Aufklärung. Im Juli 2021 entschied das Kiewer | |
Berufungsgericht, Manger und Levin in Untersuchungshaft zu lassen. | |
Mit dem Urteil am Montag hat man nun auch die Hintermänner bestraft, die | |
den Mord beauftragt und organisiert hatten. Während die Besucher der | |
Gerichtsverhandlung das Urteil mit Beifall aufnahmen, schrie Manger die | |
Richterin an, er habe das Urteil nicht verstanden, so BBC Ukraine. | |
Gleichzeitig kündeten die Anwälte der Verurteilten an, in Berufung zu | |
gehen. Sie kritisierten, dass das Gericht das Urteil nicht schriftlich | |
begründet hätte. | |
Gegenüber der taz begrüßt der Umweltschützer und stellvertretende | |
[2][Direktor der ukrainischen Umweltorganisation „Ökodia“, Olexi Pasyjuk], | |
das Urteil: „In der Ukraine enden selbst aufsehenerregende Prozesse [3][oft | |
zugunsten der Machthaber]. Daher kann die Entscheidung des Gerichts als ein | |
Sieg für die öffentliche Kampagne für Gerechtigkeit angesehen werden. | |
Vielleicht mag dem einen oder anderen die Strafe von zehn Jahren nicht hoch | |
genug erscheinen. Aber es war die höchste Strafe, die das Gericht hatte | |
verhängen können“, so Pasyuk. | |
27 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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