# taz.de -- Finale der Nations League: Tränen der Erinnerung | |
> Spaniens Kicker gewinnen nach elf Jahren wieder einen Titel. Der wird wie | |
> eine Erlösung gefeiert, dabei ist unklar, wie stark das Team wirklich | |
> ist. | |
Bild: Endlich wieder Konfetti! Spaniens Spieler nach dem Erfolg im Nations-Leag… | |
ROTTERDAM taz | Auf dem Siegerlaufsteg stemmte Spaniens Verbandschef Luis | |
Rubiales seinen Kapitän Jordi Alba in die Luft und bekreuzigte sich vor | |
Glück. Nach der Pokalübergabe vergoss Jesús Navas im TV-Interview gar | |
Tränen. Dabei ging es doch nur um die Nations League. Nur? Für die | |
„selección“ bedeutete der Erfolg beim Finalturnier in den Niederlanden | |
Erleichterung, geradezu Erlösung. | |
In elf Jahren ohne Titel hatten sich nagende Zweifel eingeschlichen. Im | |
Klubfußball und auch im Jugend- und Juniorenbereich dominierte Europas | |
erfolgreichste Nation zwar wie eh und je. Doch die A-Elf konnte dem Maßstab | |
der historischen Ära mit drei Titeln (WM 2010, EM 2008 und 2012) nicht | |
gerecht werden. Nicht nur scheiterte man an der sowieso unmöglichen | |
Aufgabe, das Spiel der brillanten Generation zu reproduzieren. Es fehlte in | |
entscheidenden Momenten auch immer an Fortune und Killerinstinkt. | |
Nun vollbrachten zwei imposante Paraden von Torwart Unai Simón im | |
Elfmeterschießen gegen Kroatien das scheinbar Unmögliche. | |
Mentalitätswackler schlugen Mentalitätsmonster. [1][Ein Spanien, das bei | |
den drei letzten Großturnieren immer im Shootout gescheitert war], bezwang | |
ein Kroatien, das seine letzten vier Elfmeterschießen gewonnen hatte und | |
während des ereignisarmen 0:0 im Finale auch aufgrund von Müdigkeit recht | |
unverblümt auf dieses Szenario hinspielte. „Chapeau an unsere Mannschaft“, | |
sagte Spaniens neuer Leader, [2][Mittelfeldspieler Rodri von Manchester | |
City], der eine Woche nach seinem Siegtor im Champions-League-Finale auch | |
der Nations League seinen Stempel aufdrückte. „Es konnte nur so passieren: | |
leidend.“ | |
## Neue Generation | |
Die Qualifikation für das Final Four war noch unter Ex-Nationaltrainer Luis | |
Enrique durch ein Tor in der 88. Minute am letzten Gruppenspieltag in | |
Portugal gelungen. Im Halbfinale wurde Italien durch einen Treffer Joselus | |
in exakt derselben Spielminute eliminiert. Nun sogar noch Elfmeter – im | |
Überschwang des Erfolgs rief manch Beteiligter gleich die Renaissance der | |
spanischen Fußball-Herrlichkeit aus. „Diese Generation verspricht eine | |
Menge“, findet Rodri, 26, und das ist zutreffend, wenn man seinen | |
Mannschaftsteil mit dem verletzt unpässlichen Edeltechniker Pedri, 20, und | |
dem Energiebündel Gavi, 18, betrachtet. | |
Doch in Abwehr und Angriff sieht es weiterhin eher düster aus. Für das | |
ewige Torproblem hängen Hoffnungen allein am 20-jährigen Ansu Fati, der | |
nach Jahren voller Verletzungen in Rotterdam immerhin mal wieder Spiellust | |
zeigte. Ansonsten verhalf der neue Coach Luis de la Fuente seit Amtsantritt | |
Ex-Bundesligaprofi Joselu, 33, zum Nationalelfdebüt; so wie er für das | |
Final Four in der Außenverteidigung die 2012er-Veteranen Alba, 34, und | |
Navas, 37, reaktivierte und in der Innenverteidigung ein Paar aus | |
eingebürgerten Franzosen schmiedete, Aymeric Laporte, 29, und Robin Le | |
Normand, 26. | |
De la Fuente konnte sich ein Perspektivturnier nicht leisten, er brauchte | |
diesen Titel. Nach einem missratenen Einstand im März mit einer | |
EM-Qualifikations-Niederlage in Schottland waren mehr als nur Gerüchte über | |
eine Absetzung kursiert. Der 61-Jährige Verbandsaufrücker kann auf | |
keinerlei Erfahrung im Spitzenfußball und daher auf wenig Lobby zählen. Die | |
prekäre Lage resultierte nun in pragmatischem Spiel, mit solider Defensive | |
und einem 4-2-3-1-System. De la Fuente wird sich auch künftig kaum als | |
Visionär profilieren, kennt immerhin fast alle Nationalspieler nach seinen | |
Jahren im Jugendbereich ganz gut. | |
„Ein Keim, um wiederzuerlangen, was wir 2010 gefühlt haben“, sieht der neue | |
Nationaltrainer und versprach für die Zukunft noch „viele Freuden“. | |
Spaniens größte Sportzeitung Marca ist skeptischer. „Lasst uns diesen Titel | |
feiern“, kolumnierte sie: „Es dürfte lange dauern, bis der nächste kommt.… | |
19 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Florian Haupt | |
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