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# taz.de -- Editier-Funktion bei Messager-Dienst: Wahrscheinlich? Wahnsinnig!
> Seit Kurzem lassen sich Whatsapp-Nachrichten nachträglich bearbeiten. Das
> kann Freundschaften retten.
Bild: Nachrichten beim Frühstück verschicken? Da vertippt es sich schnell
Mit Kurznachrichten ist es so eine Sache. Als eine Kollegin ankündigte,
dass sie den Job wechseln und die taz verlassen würde, schrieb ich ihr, wie
schade ich das finde. Die Antwort, wenige Minuten später: „Ich weiß, dass
ich euch auch wahrscheinlich vermissen werde“. Ich stutzte. Das war ja
nicht wirklich nett, eigentlich hatten wir uns doch sehr gut verstanden.
Oder sah sie das anders? Kurz darauf summte das Handy erneut. „Ohje, da
sollte nicht wahrscheinlich, sondern wahnsinnig stehen“. Bei der analogen
Abschiedsfeier haben wir dann gemeinsam darüber gelacht.
Fehler durch die Autokorrekturfunktion oder Vertipper, auch sehr viel
unangenehmere als dieser, gehören bei Messenger-Diensten leider dazu.
Insofern ist es sehr erfreulich, dass man seit Ende Mai Nachrichten bei
Whatsapp auch im Nachhinein noch korrigieren kann. Ein Mal länger
draufdrücken, schon erscheint hinter den drei Punkten oben rechts die
Funktion „Bearbeiten“.
Zwar geht das nur [1][innerhalb von 15 Minuten] und auch nur dann, wenn
das Gegenüber die Nachricht noch nicht gelesen hat. Aber immerhin, die
Schreibenden haben etwas mehr Kontrolle über ihr Tun. Peinliche Fehler
werden so hoffentlich rechtzeitig korrigiert, überflüssige Kränkungen
vermieden und vielleicht sogar die ein oder andere Freundschaft gerettet.
Klar, es gibt Menschen, die Kurznachrichten eh drei Mal lesen und penibel
auf Fehler checken, bevor sie sie in die Welt senden. Andere tippen
schneller als sie denken und – zack – schon sind die Zeilen unterwegs.
Gerade bei Jüngeren kann man das beobachten. Anrede, Verabschiedung, alles
total Boomer-mäßig. Wer in Klassenchats schaut, findet da unvollständige
Sätze, schnelle Kommentare, Emojis. Mal sind Wörter groß, mal klein
geschrieben, je nachdem, was die Autokorrektur so vorschlägt. Kommasetzung?
Fehlt oft völlig.
## Sie können unterscheiden
Messengerdienste verändern den Schreibstil von Jugendlichen, hat [2][ein
Linguist herausgefunden], Sorgen machen müsse man sich deshalb aber nicht.
Denn die Regeln kennen viele sehr wohl. Die Jugendlichen unterscheiden nur
eben zwischen Texten, in denen Rechtschreibung eine Rolle spielt (Schule),
und anderen, wo es sich schneller tippt ohne (privat).
Nun kann ich Fehler in Texten schon berufsbedingt schwer ertragen.
Tatsächlich aber gehen den eilig Tippenden entscheidende Vorteile von
Schrift verloren. Anders als beim Sprechen kann man beim Schreiben die
Worte wägen, solange, bis man genau das richtige gefunden hat.
Taktlosigkeiten lassen sich behände umschiffen. Fehlende Rechtschreibfehler
signalisieren dem Gegenüber zudem: Ich nehme mir den Moment für dich. Und
mit etwas Geschick entsteht sogar Wortwitz.
Dank der Edit-Funktion hat man nun für all das mehr Zeit – wenn denn der
oder die EmpfängerIn nicht gleich aufs Handy schaut. Ja, bei anderen
Messengerdiensten geht die nachträgliche Bearbeitung schon lange. Die
meisten Deutschen, [3][vier von fünf], nutzen aber – trotz aller Kritik
etwa am Datenschutz – weiterhin Whatsapp. Insofern könnte die neue Funktion
die Chatkultur hierzulande schon verändern.
Zugegeben: Um manche Fehler wäre es fast schade. Wenn das Handy aus Fabian,
genannt „Fabi“, immer „Gabi“ macht und viele im Freundeskreis ihn bald
tatsächlich so nennen. Oder wenn aus einem „wahnsinnig vermissen“ ein
„wahrscheinlich vermissen“ wird und man beim gemeinsamen Lachen mit der
Kollegin darüber merkt: Genau das wird wirklich fehlen.
18 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/photo?fbid=10115129027244921&set=a.612287952871
[2] https://pressemitteilungen.pr.uni-halle.de/index.php?modus=pmanzeige&pm…
[3] https://www.ard-zdf-onlinestudie.de/files/2022/2210_Koch.pdf
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
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Datenschutz
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