Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Freie Universität in Berlin: Der Gründungsmythos der FU
> Seit ihrer Gründung 1948 trat die FU avantgardistischer auf als viele
> andere Universitäten. Heute schmückt sie sich vor allem mit Exzellenz.
Bild: Weht hier der Geist der Jugend? Die Unibibliothek der FU
Als der Oberbürgermeister der drei Westsektoren Berlins Ernst Reuter im
Jahr 1948 verkündete, dass die Vorlesungen an der Freien Universität Berlin
begonnen haben, da sagte er etwas sehr Interessantes. Die Uni, so Reuter,
sei vom „Geist der Jugend“ gegründet worden. Hintergrund war die
kommunistische Einflussnahme auf das Bildungswesen in der Sowjetischen
Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg im Allgemeinen. Im Besonderen
aber auch, dass einige Studierende und Lehrkräfte an der
Humboldt-Universität Unter den Linden 1947 drakonisch bestraft worden
waren, nachdem sie gegen diese protestiert hatten.
Einer der studentischen Mitgründer an der FU, der inzwischen verstorbene
Religionswissenschaftler Klaus Heinrich, hat in Interviews plastisch
beschrieben, was an der FU von Anfang an anders war als an anderen
Universtitäten: Vor allem die selbstverständliche Mitwirkung und
Mitbestimmung der Studierenden sei ein „avantgardistisches Modell“ gewesen,
das den „schwarzen Talaren“ an den Traditionsuniversitäten kaum schmecken
konnte.
Insofern ist es schade, dass die [1][FU, die derzeit im beschaulichen
Dahlem ihren 75. Geburtstag feiert], eine so exzellente Universität
geworden ist, wie sich nicht müde wird, für sich selbst zu werben. Denn
dabei geht es nicht nur darum, dass die mit 35.000 Studierenden eher
mittelgroße Institution laut Förderatlas der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) 2021 zu den bundesweit sechs
forschungsstärksten Unis gehört. Sie steht auch an sechster Stelle
bundesweit, was die Anwerbung von Drittmitteln angeht.
Sehr viele dieser Drittmittel fließen vor allem, weil die FU mit Humboldt
und Technischer Universität sowie Charité 2019 Exzellenzuni geworden ist.
Und das passt wenig zum Gründungsmythos der FU. Denn Exzellenz, so
kritisieren Studierendenvertreter*innen seit Langem, schafft
Zweiklassenunis. Sie feuert den überhitzten Projektwettbewerb immer weiter
an und geht zunehmend auf Kosten der Lehre.
## Ressourcenverschwendung
„Das ist gigantische Ressourcenverschwendung auf Kosten der
Grundfinanzierung“, so Thomas Kirchner vom Netzwerk für Gute Arbeit in der
Wissenschaft (NGAWiss) Hinzu kommt ein massiver Sanierungsstau – die
Berliner Hochschulen haben erst kürzlich errechnet, dass sie zusammen 5,1
Milliarden Euro brauchen, um ihre Gebäude zu sanieren, und manche, zum
Beispiel die Physik an der FU, sind wahrscheinlich sogar unsanierbar.
Schon seit zwei Jahren berichten Wissenschaftler*innen unter dem
[2][Hashtag #IchbinHanna] von prekären Arbeitsbedingungen an den deutschen
Unis, denken über den Ausstieg aus der Wissenschaft und übers Auswandern
nach, weil sie einfach keine festen Stellen mehr bekommen. Auch Studierende
an der FU dürfen immer weniger auf feste Stellen hoffen. Vielleicht sollten
sie sich mal wieder auf den „Geist der Jugend“ erinnern, in dem ihre Uni
gegründet wurde.
1 Jun 2023
## LINKS
[1] /70-Jahre-Freie-Universitaet-Berlin/!5553173
[2] /Arbeitsbedingungen-in-der-Wissenschaft/!5776997
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Deutsche Universitäten
Exzellenzinitiative
Freie Universität Berlin
Freie Universität Berlin
Deutsche Universitäten
Hochschule
Hochschulpolitik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Freie Universität Berlin: Wir waren mal so frei!
75 Jahre gibt es die Freie Universität Berlin, und viele
Absolvent*innen haben den Weg in die taz gefunden. Wir blicken zurück –
und nach vorn.
Arbeitsbedingungen an Unis: Geht’s Hanna im Ausland besser?
In Deutschland wird seit der Debatte #IchBinHanna über
WissenschaftlerInnen-Jobs diskutiert. Wie sieht es in Dänemark,
Großbritannien und Spanien aus?
Arbeitsbedingungen an Unis: „Professur ist ein Lottogewinn“
Die Situation für junge Wissenschaftler:innen an Unis ist prekär – und
nach den Ampel-Plänen bald noch schlimmer, sagt die Professorin Paula-Irene
Villa Braslavsky.
Nach der Exzellenz-Entscheidung: Viele Hunnis für die Unis
Die drei großen Berliner Universitäten plus Charité freuen sich über den
Exzellenztitel. Studierende dagegen sind skeptisch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.