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# taz.de -- Reisedokumente für Exil-Eritreer: Der schwierige Weg zum Pass
> Wer in Deutschland lebt und als Eritreer ein Reisedokument benötigt, muss
> viele Hürden überwinden. Brandenburg und Bayern gehen sehr restriktiv
> vor.
Bild: Reiseausweis für Asylberechtigte
Berlin taz | Der Pass ist eines der wichtigsten Dokumente, der das Leben
von Menschen maßgeblich prägt. Ohne dieses Dokument gibt es oft erhebliche
Probleme. Diese Erfahrung macht derzeit der eritreische Asylberechtigte
Jonas Melake (Name geändert) aus Neuruppin in Brandenburg. Um einen Pass
von der Botschaft seines [1][Verfolgerstaates Eritrea] zu bekommen, müsste
er auf der Botschaft erklären, die Flucht aus Eritrea – einer der
brutalsten Diktaturen weltweit – zu bereuen und sich der eritreischen
Strafjustiz zu unterziehen.
Außerdem müsste er erst einmal zwei Prozent seiner Einkünfte seit seiner
Flucht aus Eritrea 2017 als Steuern an den eritreischen Staat zahlen, bevor
sein Passantrag überhaupt bearbeitet wird. Beides ist für Melake undenkbar.
Ein Onkel und eine Nichte von Melake leben in zwei verschiedenen
EU-Staaten. Der Mann, der in Neuruppin als Hotelfachkraft arbeitet, würde
sie gern einmal im Urlaub besuchen. Er möchte auch gern nach Äthiopien
reisen, wo weitere Verwandte von ihm leben. [2][Ohne Pass geht das aber
nicht.]
Vielen subsidiär schutzbedürftigen Geflüchteten aus Eritrea geht es wie
Melake. [3][Darum hat sich im vergangenen Herbst auch das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig] mit dem Thema befasst. Die
Ausländerbehörden müssen Menschen, die glaubhaft machen, die Reueerklärung
aus Gewissensgründen nicht unterschreiben zu können, einen Reiseausweis für
Ausländer ausstellen, urteilten Deutschlands oberste Verwaltungsrichter.
Doch Brandenburg setzt das Urteil nicht um. Die Ausländerbehörde
Ostprignitz-Ruppin forderte Melake auf, sich in der eritreischen Botschaft
eine ID-Karte zu holen, um seine Identität nachzuweisen. Das Schreiben
liegt der taz vor. Ein Sprecher des Landratsamtes sagt auf Anfrage der taz,
man prüfe den Fall gerade. Doch auch eine ID-Karte ist eine konsularische
Leistung und ohne Reueerklärung und Zweiprozentsteuer nicht zu haben.
## Strenges Vorgehen in Brandenburg
Der Verein Eridac, der sich für Eritreer einsetzt, kennt vergleichbare
Fälle aus anderen Brandenburger Landkreisen. Der taz liegt ein
Rundschreiben des Brandenburger Innenministeriums vor, laut dem die
Ausländerbehörden Eritreer zur eritreischen Botschaft schicken sollen, um
zu sehen, ob die Reueerklärung von ihnen tatsächlich verlangt wird. Denn
das Innenministerium – so schreibt es ein Sprecher der taz – geht davon
aus, dass das nicht immer der Fall sei.
Das sehen andere Bundesländer anders. Berlin, Hessen, Niedersachsen und
Thüringen stellen laut der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und
ortsansässiger Anwälte Reiseausweise für Ausländer aus, ohne die Eritreer
zur eritreischen Botschaft zu schicken. Der taz liegen Erlasse aus diesen
Ländern vor, in denen sie, anders als Brandenburg, davon ausgehen, dass die
Reueerklärung von eritreischen Konsulaten grundsätzlich verlangt wird.
Lediglich die Bayerische Staatsregierung ermuntert die lokalen
Ausländerbehörden, Eritreer zur eritreischen Botschaft zu schicken, um
nachzuweisen, dass die Reueerklärung von ihnen verlangt wird. Aus anderen
Bundesländern liegen der taz keine Erkenntnisse vor. Allerdings leben
Eritreer auch konzentriert in den genannten Bundesländern.
Aus Sicht von Peter von Auer von Pro Asyl ist das bayerische und das
Brandenburger Vorgehen „klar rechtswidrig“. Das sieht auch die
Brandenburger Linke so und hat darum im Innenausschuss im Landtag das Thema
auf die Agenda gesetzt. In Bayern halten sich nicht alle Landkreise an die
Vorgabe des Ministeriums, und Fälle, wo man wie in Brandenburg zusätzlich
eine ID-Karte der eritreischen Botschaft vorweisen muss, sind dort nicht
bekannt. Insofern handelt Brandenburg flüchtlingspolitisch restriktiver als
Bayern.
Damit erweisen sich die Innenministerien in Potsdam und München als eine
Art Standortrisiko für Eritreer. Viele, die in den letzten Jahren mit viel
Aufwand ortsansässiger Firmen aus Brandenburg und Bayern als
Krankenpfleger, Reinigungskräfte oder Hotelfachkräfte ausgebildet oder
eingearbeitet wurden, sind laut dem Verein Eridac bereits in andere
Bundesländer und andere EU-Staaten ausgewandert oder befinden sich dort
noch auf Wohnungssuche, um letztlich dorthin umziehen zu können.
3 Jun 2023
## LINKS
[1] /Hilfe-fuer-Gefluechtete-aus-Eritrea/!5642849
[2] /Gescheiterte-Familienzusammenfuehrung/!5766271
[3] /Ausstellung-von-Paessen-in-Botschaften/!5888069
## AUTOREN
Marina Mai
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Eritrea
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