# taz.de -- Augn-Konzert in Berlin: „Ihr alle seid Versager“ | |
> Mittelfinger zum Publikum: Beim "Konzert" der Post-Punk-Band Augn gab es | |
> Überraschungen, zeitgeistige Punchlines und jede Menge Gepöbel. | |
Bild: Augn auf beim Ticketkauf | |
Ein Grundsatz der Konzertrezension lautet: Publikumsbeschimpfungen | |
verbieten sich. Was aber, wenn die Publikumsbeschimpfung fester Teil des | |
Konzerts ist? Der angekündigte Auftritt der derzeit [1][angeblich gehypten] | |
Post-Punk-Band „Augn“ im „Monarch“ am Kottbusser Tor in Berlin hat eini… | |
Erwartungen nicht erfüllt. Oder wie die Band in einer automatisierten | |
Roboteransage formulieren würde: „Der Monarch ist ein stinkender Scheißklub | |
und ihr alle seid Versager.“ | |
Schon vor Beginn des „Konzerts“ machte eine Computerstimme in Dauerschleife | |
klare Ansagen für alle, die 16 Euro Eintritt bezahlt und große Erwartungen | |
an die ausverkaufte Show am Dienstagabend hatten: „Du wirst nicht viel | |
bekommen für dein Geld“, wiederholte eine Maschinen-Stimme in Repeat das | |
Mantra des Abends. | |
Auf der Bühne standen vor dem Zahnpasta-Lächeln einer großen | |
Tom-Cruise-Abbildung zwei schwarz gekleidete Schaufensterpuppen mit | |
Strumpfmasken auf den konturlosen Köpfen, die entfernt an die Promo-Fotos | |
der auf Anonymität bedachten Band erinnern sollten: Eine der Figuren hielt | |
einen Bass in der einen Hand und zeigte mit der anderen den Mittelfinger in | |
Richtung Publikum. Die andere Puppe hielt ein Stand-Mikrofon und trug eine | |
ausgebeulte Bomberjacke. An eine Wand waren mit silbernem Gaffa-Tape drei | |
Buchstaben angeklebt: „CDU“. | |
Nach ein bisschen Meditationsmusik zu Beginn und einem erneut per | |
Sprachausgabe vorgetragenen Xavier-Naidoo-Zitat („Dieser Weg wird kein | |
leichter sein“) wurde stumpf das Augn-Album „Du wirst sehen / Grauer Star“ | |
in numerisch richtiger Reihenfolge abgespielt. Statt Liveperformance der | |
Band gab es Musik vom Band und regungslose Schaufensterpuppen – Abwesenheit | |
als Grundprinzip. | |
## „Scheißreiche Akademiker-Kinder“ | |
Unterbrochen wurde die Musik, die im wesentlichen aus gesprochenen und | |
gepöbelten Texten auf minimalistischen Drumbeats und einfachen Bassriffs | |
besteht, nur von eingespieltem Applaus und den automatisierten | |
Publikumsbeschimpfungen: „Jetzt macht ihr hier in Berlin alles kaputt, aber | |
in drei Jahren zieht ihr auf euer Dorf zurück und esst Zwetschgenkuchen!“ | |
Ist das schon postironisch oder noch Kabarett? Ein Konzertgast berichtet, | |
dass bei der Show in Hamburg ein paar Tage zuvor enttäuschte Eppendorfer | |
Zahnärzte die Bühne stürmten, weil sie mehr für ihr Geld erwartet hatten. | |
Sie hätten die Schaufensterpuppen noch während des Konzerts umgetreten, | |
ausgezogen und geplündert. | |
Anders in Berlin: Hier wird vor allem gelacht über zeitgeistige Punchlines, | |
die Sprachcomputer-Ansagen dazwischen oder mitgepöbelt bei Tracks wie | |
Vatertag: „Was darf man eigentlich noch?“, rufen ein paar Mittzwanziger mit | |
dünnen Schnauzbärten und Hosenträgern in Dauerschleife, einer kalauert: | |
„Die klingen live echt wie auf Platte!“, um dann mitzusummen bei einer | |
Ballade auf Bitcoin-Bros. | |
Beim Lied „Deutschrap ist tot“ werden gemeinschaftlich Parolen wie | |
„Studieren ist cool!“, „CDU!“ und „Mal was erben!“ gegrölt – wer… | |
umblickt, wird zweifelsohne auch ein paar „scheißreiche Akademiker-Kinder“ | |
finden, über die sich im Song ereifert wird. Am Ende der Darbietung klauen | |
nach einer vergeblich eingeforderten „Zugabe“ ein paar Leute dann aber doch | |
noch die Strumpfmasken und ein paar Sachen von der Bühne. Immerhin: Den | |
Bass stellt jemand behutsam an die Seite. | |
Sein Geld zurück verlangt am Ende keiner. Von wem auch? Der einzige | |
Anlaufpunkt der Band ist die mit einer Tischkamera vermeintlich | |
videoüberwachte Vertrauenskasse am Eingang, an der „Vinyl für 150 €“ | |
ausliegt. Wer sich am Ende des Konzerts noch eine Platte klemmen will, wird | |
allerdings enttäuscht: Die Videokamera ist zwar mit einem Bierglas | |
verstellt, sämtliche LPs sind aber schon unironisch in überwiegend | |
schwarzen Jutebeuteln vom hinteren Teil des Publikums verschwunden. Beim | |
Rausgehen läuft noch eine Sprachcomputer-Ansage in Dauerschleife: „Mehr | |
bekommt ihr für euer Geld nicht.“ | |
31 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.spiegel.de/kultur/musik/augn-alison-goldfrapp-overmono-engin-ab… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
## TAGS | |
Post-Punk | |
Konzert | |
Politische Musik | |
Musik | |
Pop-Kultur | |
Berlin Kultur | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |