# taz.de -- Kinotipp der Woche: Sinnlich im Dämmerlicht | |
> Das XPOSED Queer Film Festival zeigt intime Motorradfahrten und queere | |
> Gegenwelten in Kolumbien. Dazu Panels, Pitches und ein | |
> Wikipedia-Edit-a-thon. | |
Bild: „All the Colours of the World Are Between Black and White“ (R: Babatu… | |
Ein kurzer Zug an einer imaginären Zigarette, ein Schluck aus einem | |
imaginären Glas und dann ein paar Töne auf der Luftgitarre. Bambino | |
zelebriert seine kleinen Fluchten aus dem Alltag als Motorradkurier in | |
Lagos. Wenn das Gestreite seiner Nachbarn, das durch die Wände dringt, zu | |
laut wird, lehnt er sich zurück und schafft sich seine eigene, kleine Welt. | |
Als Bawa, der in einem Wettladen arbeitet, ihn nach einer Lieferung bittet, | |
den Motorradhelm wieder aufzusetzen und Fotos von ihm macht, posiert er | |
eher genervt. Doch Bawa lässt nicht locker, nutzt Vorwände, um Bambino | |
wiederzusehen. Auf dem Motorrad fahren die beiden durch Lagos von einem | |
Fotoshooting zum nächsten. Als die beiden sich immer näher kommen, stellen | |
sich für den eher introvertierten Bambino Fragen, nach der Art seiner | |
Beziehung zu Bawa. | |
Das Spielfilmdebüt des nigerianischen Regisseurs Babatunde Apalowo „All the | |
Colours of the World are between Black and White“ gewann auf der | |
diesjährigen Berlinale den Teddy Award als bester Spielfilm, Ende der Woche | |
ist er als Teil des [1][XPOSED Queer Film Festival] zu sehen. | |
Das kommende Wochenende über zeigt das Festival im Kreuzberger Kino | |
Movimento, im aquarium und in den Neuköllner Kinos Il Kino und Wolf ein | |
gutes Dutzend queerer Spielfilme und sechs Kurzfilmprogramme. | |
Ergänzt wird das Filmfestival um verschiedene Panels und Drehbuch-Pitches | |
sowie um ein Streamingangebot in Kooperation mit Salzgeber. Ein | |
Wikipedia-Edit-a-thon sorgt hoffentlich auch mittelfristig für mehr | |
Sichtbarkeit und Auffindbarkeit von queeren Experimentalfilmen. | |
„Ich habe mich nicht entschieden, geboren zu werden. Ich wurde in die Welt | |
geworfen.“ Ein Leichenwagen fährt zu Beginn von Theo Montoyas | |
Dokumentarfilm „Anhell69“ über eine nächtlich-neblige Straße in Kolumbie… | |
Fernsehbilder zeigen das Morden im Land, dann blitzt als Gegenwelt buntes | |
Licht durch einen Club und Körper bewegen sich sinnlich im Dämmerlicht. | |
Montoya zeigt in eindrucksvollen Bildern das Leben einer Generation junger | |
queerer Menschen im Kolumbien nach dem Friedensabkommen zwischen Staat und | |
Farc 2016. Kurz nachdem der Regisseur einen Hauptdarsteller gefunden hat, | |
stirbt dieser an einer Überdosis Heroin. | |
Nächtliche Blicke auf Medellín, Partyszenen und Stadtszenen, in denen | |
Plakate nach Verschwundenen suchen, verdichten sich in „Anhell69“ zum Bild | |
einer Gesellschaft, die mit Geistern lebt. Der Film gewann den Hauptpreis | |
von Dok Leipzig, die Goldene Taube im internationalen Wettbewerb. | |
Wie in jeder der 16 bisherigen Ausgaben versammelt das Xposed Queer Film | |
Festival auch dieses Jahr eine besondere Auswahl des internationalen | |
queeren Films. | |
Violet Du Feng begleitet in ihrer Doku „Hidden Letters“ zwei Frauen, die | |
sich mit als unabhängige Frauen im modernen China mit traditionellen | |
Rollenerwartungen auseinandersetzen, um freier zu werden. Die marokkanische | |
Regisseurin Maryam Touzani verwebt die Textiltraditionen Marokkos mit | |
Fragen der Repräsentationen des Begehrens jenseits der Heteronormativität. | |
Kurzum: wie jedes Jahr ist das XPOSED Queer Film Festival ein Geschenk des | |
Festivalteams an die Berliner Kinogänger_innen. | |
14 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://xposedfilmfestival.com/2023/ | |
## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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